Unterricht in einer Grundschule
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Unterricht in einer Grundschule

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Trotz Lehrermangel: Zwangspause für angehende Pädagogen

In Bayern fehlen Lehrerinnen und Lehrer - vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen. Da ist es umso erstaunlicher, dass der Freistaat vielen Lehramts-Studierenden mit einer Art "Zwangspause" den Start in den Lehrerberuf verzögert.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Franziska Grotz wartet mit ihren Kommilitonen auf die nächste Vorlesung. Die 24-Jährige studiert an der Uni Regensburg ihren Traumberuf - sie will Grundschullehrerin werden. Was sie und viele ihrer Mitstudentinnen nicht verstehen: Obwohl Lehrerinnen und Lehrer dringend gebraucht werden, gibt es in der Ausbildung bürokratische Hürden, die wertvolle Zeit kosten können auf dem Weg in den Beruf.

Fristen sorgen für Zwangspause

Wer Grundschul-, Mittelschul- oder Sonderpädagoge oder -pädagogin werden will, kann mit dem Referendariat nur zum Beginn eines Schuljahres anfangen. Das bedeutet eine lange Zwangspause für alle Studierenden, die ihr Erstes Staatsexamen im Herbst machen. Auch Franziska Grotz fürchtet, so fast ein ganzes Jahr zu verlieren – und das, obwohl Lehrerinnen und Lehrer doch so dringend benötigt werden.  

An Gymnasien sei das nicht so: Dort können Studierende, die im Herbst Staatsexamen machen, auch zum Halbjahr ins Referendariat einsteigen - das müsse doch an den anderen Schularten auch möglich sein, argumentiert Franziska Grotz.

Kultusministerium will Praxis nicht ändern

Dass das an Grund-, Mittel- und Förderschulen anders ist, dafür nennt das bayerische Kultusministerium einen Grund: Im zweiten Referendariats-Jahr übernehmen die künftigen Lehrerinnen und Lehrer nämlich die Leitung einer Klasse.

Auf BR24-Anfrage heißt es: "Das Kultusministerium hat das vorgeschlagene Verfahren eines zweiten Einstellungstermins im Grund- und Mittelschulbereich vor Jahren schon einmal versuchsweise praktiziert, jedoch aufgrund erheblicher organisatorischer Schwierigkeiten und massiver Kritik seitens der Eltern wieder eingestellt."

Lehrerverbände: Referendariats-Einstieg muss individueller werden

Doch warum nicht noch einmal versuchen? Vielleicht war die Umsetzung damals nicht optimal, gibt Franziska Grotz zu bedenken. Ähnlich sieht es Carina Schmidt-Bock von der Jugendvertretung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV): Die Einstiegszeiten ins Referendariat müssten flexibler geregelt werden.

Was beim ersten Versuch wohl zu Beschwerden von Elternseite geführt hat, war der Klassenleiterwechsel mitten im Schuljahr. Doch den könnte man vermeiden, so Carina Schmidt-Bock. Die Referendare könnten die Klassenleitung weiterhin zu Schuljahresbeginn übernehmen, trotz eines Referendariats-Starts zum Halbjahr.

Auch der Vorsitzende des Verbands der Sonderpädagogen, Hans Lohmüller, wünscht sich mehr Flexibilität vom Kultusministerium. Denn gerade in Zeiten von eklatantem Fachkräftemangel, den es auch an Förderschulen gebe, brauche man die jungen Menschen möglichst schnell im System.

 Gefahr, dass Lehramtsstudenten in andere Berufe ausweichen

Hans Lohmüller fürchtet, dass Lehramtsstudentinnen und -studenten in andere Branchen abwandern könnten, wenn die Wartezeit zwischen erstem Staatsexamen und Referendariatsbeginn fast ein Jahr dauert. Schließlich würden einige in der Zeit in Aushilfsjobs arbeiten und seien auch für andere Arbeitgeber interessant. "Die Gefahr, die durch diese große Lücke entsteht, ist tatsächlich, dass wir einzelne Menschen komplett verlieren." Wie lange sich der Freistaat in Zeiten von fehlenden Lehrern diese Zwangspausen für Lehramtsstudierende noch leisten kann, das wird sich zeigen.  

Als Aushilfslehrer überbrücken? Nicht immer Ideallösung

Viele Studierende arbeiten in der Wartezeit zwar bereits an Schulen, zum Beispiel als Aushilfslehrer. Doch für Hans Lohmüller, der nicht nur Verbandssprecher, sondern selbst Rektor eines sonderpädagogischen Förderzentrums ist, ist das nicht immer die Ideallösung. Anders als im Referendariat werden die jungen "Aushilfslehrer" nicht automatisch von erfahrenen Kollegen begleitet. Da liege es dann an der Schulleitung und dem Lehrerkollegium, ob die Aushilfslehrer und Aushilfslehrerinnen gut unterstützt würden. Schlimmstenfalls könne die Situation für die angehenden Lehrer so überfordernd sein, dann manche ihren Berufswunsch aufgeben könnten.

Lehramtsstudentin: "Zweiter Schritt vor dem ersten"

Auch die Regensburger Grundschullehramtsstudentin Franziska Grotz gibt zu bedenken, dass bei dieser Praxis der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werde. Denn das Referendariat soll auf den Lehramtsberuf vorbereiten, nicht die Aushilfslehrerzeit aufs Referendariat. Sie setzt jetzt alles daran, ihr erstes Staatsexamen im Frühjahr zu schreiben, um nicht diese lange Wartezeit zu haben. Dann kann sie nämlich im September mit dem Referendariat beginnen. Doch diesen Zeitplan einzuhalten, sei nicht einfach, erzählt sie, auch wenn er der Regelstudienzeit entspricht. Oft komme man aus Kapazitätsgründen nicht rechtzeitig in die Kurse, die man für das erste Staatsexamen brauche.

Dieser Artikel ist erstmals am 13. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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