Lehrer und Schüler im Klassenzimmer
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Grundschullehrer müssen in Bayern 28 Unterrichtsstunden halten, im nächsten Schuljahr eine Stunde mehr.

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#Faktenfuchs: Wie viel arbeiten Lehrer wirklich?

Bayerische Grundschullehrer sind verärgert darüber, dass sie künftig eine Stunde mehr unterrichten müssen. Das wirft die Frage auf, auch unter BR-Hörern, wie viel Lehrer tatsächlich arbeiten. Der #Faktenfuchs hat recherchiert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

In Bayern gibt es zu wenige Lehrer: Um den Unterricht zu sichern, müssen Grundschullehrer in Bayern ab nächstem Schuljahr eine Stunde pro Woche mehr unterrichten – voraussichtlich bis 2025. Diese Stunde wird ihnen auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in der so genannten Rückgabephase müssen sie dann eine Stunde weniger unterrichten. So hat es Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) Anfang Januar verkündet.

Lehrer sind empört und demonstrieren, der Bayerische Rundfunk berichtete. Einen Hörer beschäftigt das Thema Arbeitszeit von Lehrern so sehr, dass er uns schrieb:

Bei der Berichterstattung zum Thema Arbeitszeiterhöhung bei den Lehrern würde ich mir einen Faktencheck wünschen. Ich stelle mir die Frage, ob die Lehrer tatsächlich innerhalb der 14 Wochen Ferien nur 6 Wochen Urlaub haben und - so die Theorie - sich in der anderen Zeit vorbereiten oder ob es in der Praxis nicht einfach nur freie Zeit ist. BR-Hörer

Arbeitszeit verteilt sich bei Lehrern anders als bei anderen Beamten

Grundsätzlich müssen – laut Bayerischer Arbeitszeitverordnung - Lehrer genau so lang arbeiten wie andere bayerische Beamte auch: 40 Stunden pro Woche. Das gilt auch für angestellte Lehrer, wobei mehr als 90 Prozent der Lehrer verbeamtet sind. In der Praxis ist die Arbeit aber anders verteilt.

Die bayerische Unterrichtspflichtzeitverordnung legt für jede Schulart fest, wie viele Unterrichtsstunden ein Lehrer in Vollzeit pro Woche halten muss. Bei Grundschullehrern sind es 28 Unterrichtsstunden à 45 Minuten, also 21 Stunden. Zur Arbeitszeit zählt aber auch "die Erledigung der sonstigen Tätigkeiten und Aufgaben". Dazu gehören zum Beispiel:

  • Proben und Aufgaben korrigieren
  • Noten geben und Zeugnisse schreiben
  • an der Lehrerfortbildung mitwirken
  • an dienstlichen Besprechungen teilnehmen
  • Schulleben gestalten (z.B. Feste organisieren)

BLLV: Unterricht macht nur 40 Prozent der Arbeitszeit aus

Besonders zeitintensiv ist die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Für jede gehaltene Unterrichtsstunde brauchen Lehrer nach Angaben des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) noch einmal genauso viel Zeit, um sie vor- und nachzubereiten. Eine Studie der Universität Göttingen über die Arbeitszeit von niedersächsischen Lehrern kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass Grundschullehrer pro Unterrichtsstunde nur etwa 24 Minuten für Vor- und Nachbereitung aufwenden, also deutlich weniger als der BLLV schätzt.

Zusammen mit den anderen genannten Tätigkeiten mache die Arbeitszeit außerhalb des Unterrichts etwa 60 Prozent aus und der Unterricht selbst nur etwa 40 Prozent, sagte Gerd Nitschke, Vizepräsident des BLLV, unter Verweis auf die Göttinger Studie. Nitschke rechnet gegenüber BR24 die Arbeitszeit eines bayerischen Grundschullehrers vor:

  • Unterricht: 28 Unterrichtsstunden * 45 Minuten = 21 Stunden (entspricht 40 Prozent der Arbeitszeit) +
  • Außerunterrichtliche Arbeitszeit: 31,5 Stunden (entspricht 60 Prozent der Arbeitszeit) =
  • Gesamtarbeitszeit: 52,5 Stunden in der Woche

Gerd Nitschke gibt zu, dass diese Rechnung natürlich nicht für alle Grundschulpädagogen gilt. "Es gibt Lehrer, die vielleicht weniger tun, es gibt aber auch sehr viele Lehrer, die weit über das normale Maß hinaus arbeiten", sagte er zu BR24. Die Arbeitszeit von Lehrern hänge auch etwas von ihrem Organisationstalent ab.

Das bayerische Kultusministerium beantwortet die BR24-Frage, wie es die Arbeitszeit der Lehrer kalkuliert so:

"Die Unterrichtspflichtzeit ist für die Lehrkräfte der verschiedenen Schularten und innerhalb einer Schulart nach Fächern unterschiedlich festgesetzt (Regelstundenmaß). Dabei wurde vor allem berücksichtigt, dass die Vor- und Nachbereitungen je nach Schulart und Fach unterschiedlich ins Gewicht fallen." Zoran Gojic, stellvertretender Pressesprecher des bayerischen Kultusministeriums

Ferien ist nicht gleich Urlaub

Wie andere Beamte haben Lehrer (auch angestellte Lehrer) Anspruch auf 30 Tage Urlaub. "Bei Professoren und Lehrern ist der Erholungsurlaub durch die unterrichtsfreie Zeit abgegolten", heißt es in der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung. Unterrichtsfreie Zeit sind in Bayern die Ferien: Sechs Wochen im Sommer, eine Woche um Allerheiligen, zwei Wochen an Weihnachten, eine Woche Frühjahrsferien, zwei Wochen an Ostern und zwei Wochen an Pfingsten. Insgesamt also 14 Wochen.

Unterrichtsfrei bedeutet allerdings nicht Urlaub: Manche der oben genannten Aufgaben und zusätzlich etwa die Vorbereitung des neuen Schuljahres müssen Lehrkräfte in den Ferien erledigen. Außerdem kann der Schulleiter anordnen, dass Lehrer auch in den Ferien zum Dienst antreten müssen, etwa für Nachprüfungen, Lehrer-Auftaktkonferenzen oder Mitarbeitergespräche mit dem Schulleiter. Gerd Nitschke, Vizepräsident des BLLV, schildert BR24, welche Aufgaben in den Ferien anfallen:

"In den Faschingsferien schreiben wir Zwischenzeugnisse oder feiern die Überstunden der Lernentwicklungsgespräche (etwa 25 Minuten je Schüler) ab, in den Pfingstferien schreiben wir Jahreszeugnisse. Meine Kollegen haben jetzt in den Weihnachtsferien die Formulare für die Lernentwicklungsgespräche überarbeitet und das Medienkonzept weiterentwickelt."Gerd Nitschke, Vizepräsident des BLLV
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In Nürnberg demonstrierten im Februar Lehrer gegen die geplante Mehrarbeit, die das bayerische Kultusministerium beschlossen hat.

Lehrer sollen im Durchschnitt genauso lang arbeiten wie andere Beamte

Das Kultusministerium sieht die Mehrarbeit von Lehrern in Unterrichtswochen durch die höhere Anzahl an Ferienwochen – acht Wochen mehr als andere Beamte – ausgeglichen:

"Die Gesamtarbeitszeit für Lehrkräfte entspricht im Jahresmittel durch mehr Arbeitszeit in Unterrichtszeiten und weniger Arbeitszeit in den Ferien der durchschnittlichen Arbeitszeit der sonstigen Beamten." Zoran Gojic, stellvertretender Pressesprecher des bayerischen Kultusministeriums

Nach den Berechnungen des BLLV arbeiten Lehrer im Jahresdurchschnitt aber länger als andere Beamte: Die 52,5-Stunden-Woche fällt an etwa 40 Schulwochen im Jahr an. Macht 2.100 Stunden pro Jahr. "Umgerechnet auf 46 Arbeitswochen kommt ein normaler Grundschullehrer auf 45,6 Stunden Arbeitszeit in der Woche", sagte Nitschke zu BR24.

Statt 40 Schulwochen gibt es in Bayern aber nur 38 Schulwochen, der BLLV setzt hier also den Faktor zu hoch an. Darüber hinaus handelt es sich bei den BLLV-Angaben zur Arbeitszeit von Lehrern um Schätzungen. Auch Gerd Nitschke räumt ein, dass es bei Lehrern keine Zeiterfassung gibt.

Niedersächsische Grundschullehrer arbeiten 45 Stunden pro Schulwoche

Die Universität Göttingen hat 2015 und 2016 die Arbeitszeit von niedersächsischen Lehrern untersucht – auf der Basis von Stunden, die Lehrer während eines ganzen Schuljahres mit einer App erfasst haben – sowohl in der Schulzeit als auch in den Ferien.

Herausgekommen ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden und 6 Minuten. Rechnet man die Arbeit in den Ferien zusätzlich mit ein, ergibt sich eine Arbeitszeit von 47 Stunden und 58 Minuten. Anders ausgedrückt: Bei niedersächsischen Grundschullehrern lag der Anteil der Ferienarbeitszeit an ihrer Jahresarbeitszeit im Jahr 2016 bei 5,2 Prozent. Die Ferien sind also weitestgehend frei, auch für (Grundschul-)Lehrer.

Auf das Kalenderjahr 2016 hochgerechnet arbeiteten niedersächsische Grundschullehrer 1.842 Stunden und damit insgesamt 50 Stunden (oder knapp drei Prozent) mehr als Beamte mit 40-Stunden-Woche.

Da jedes Bundesland eigene Lehrpläne hat, sind die Ergebnisse der Göttinger Forscher nicht 1:1 auf Bayern übertragbar. Bei den Grundschulen sind die Unterschiede jedoch geringer als bei weiterführenden Schulen. In beiden Ländern dauert die Grundschule vier Jahre, auch die Unterrichtspflichtzeit für Grundschullehrer ist mit 28 Stunden identisch.

Fazit

Bayerische Lehrer müssen auf dem Papier genauso viel arbeiten und haben genauso viel Urlaubsanspruch wie andere Beamte auch. Wegen der Ferien verteilt sich die Arbeitszeit der Lehrer aber anders. Ihre sechs Wochen Urlaub sind durch die 14 Wochen Ferien abgegolten. Manche ihrer Tätigkeiten wie Korrekturen oder Vorbereitung des Unterrichts müssen Lehrer innerhalb der Ferien erledigen. Wie eine Studie der Universität Göttingen zeigt, macht die Ferienarbeitszeit von niedersächsischen Grundschullehrern nur etwa fünf Prozent der Jahresarbeitszeit aus. Der Großteil der Ferien ist also für Lehrer frei.

Das bayerische Kultusministerium kalkuliert damit, dass Lehrer im Jahresmittel genau so viel arbeiten wie andere Beamte: In der Schulzeit mehr und in der Ferienzeit weniger. Der BLLV geht hingegen davon aus, dass Lehrer aufs Jahr gesehen deutlich mehr arbeiten als andere Beamte. Die Studie der Universität Göttingen kommt zu dem Schluss, dass Grundschullehrer in Niedersachsen geringfügig mehr arbeiten als andere Beamte.

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