Kinder der Erzbischöflichen Pater-Rupert-Mayer-Volksschule in Pullach
Bildrechte: Philip Artelt / BR

Schulleiterin Astrid Arauner präsentiert stolz das Gütesiegel Demokratie

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Bayerische Schule beweist: Für Demokratie ist es nie zu früh

Klassensprecherwahlen, Lernhausforen, Pausenengel: Demokratie kann früh gelernt werden – das zeigen unter anderem die Schulen in Bayern, die nun für ihre Arbeit mit einem Gütesiegel ausgezeichnet wurden. Dieses Mal ist sogar eine Grundschule dabei.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Was ist eigentlich Demokratie? Eine schwer zu beantwortende Frage, selbst für Erwachsene. Die Grundschülerinnen und -schüler der Erzbischöflichen Pater-Rupert-Mayer-Volksschule in Pullach haben eindeutige Antworten darauf: "Das ist, wenn man zusammen mit allen Kindern und Erwachsenen abstimmt", sagt die Drittklässlerin Cecilia und ergänzt: Demokratie, das sei, wenn man eine Lösung gemeinsam finde und nicht nur eine Person alleine bestimme.

Erstaunlich einfach und richtig sind die Antworten der Kinder, die seit ein paar Jahren eine ganz besondere demokratische Bildung genießen. Schulleiterin Astrid Arauner hat die Idee einer demokratischen Früherziehung an die erzbischöfliche Schule gebracht, dafür wurden die Pullacher jetzt mit dem "Gütesiegel Demokratie" der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ausgezeichnet – als Vorbild auch für andere. Hier ist man überzeugt: Auch an staatlichen Grundschulen wäre mehr Demokratie möglich. Vorausgesetzt natürlich, die Lehrkräfte sind engagiert dabei.

Mitbestimmung ganz von Anfang an

"Hier war das nicht üblich, dass die erste Klasse Klassensprecher wählt", erzählt Astrid Arauner über ihre Anfangszeit als Schulleiterin: "Dann habe ich gesagt: 'Warum denn das nicht?' Schulkinder müssten das von der Pieke auf lernen."

Sie etablierte nicht nur Klassensprecher für alle Klassen. In der Pandemie gründete sie auch die Lernhausforen – eine Art Parlament, in das die Schülerinnen und Schüler einen Vertreter der Klasse wählen und das sich gemeinsam mit Lehrervertretern und Eltern mit größeren Schulthemen beschäftigt: Projektwochen, Baumängel der viel zu kleinen Toiletten, Gedrängel an der Tür zum Pausenhof. Was als Aktion gegen die drohende Vereinsamung und Isolation der Kinder während der Pandemie begann, hat sich zu einem echten Forum der Mitbestimmung entwickelt.

Die Kinder ernst nehmen

Man nehme die Vorschläge der Kinder ernst und stelle sie zur Diskussion, sagt Arauner, selbst wenn sie den Erwachsenen vielleicht unsinnig erscheinen. Ein Legoland-Besuch während der Pandemie zum Beispiel – eine Idee, die angesichts der Infektionsrisiken womöglich nicht die beste ist. Dennoch ist es nun an den Erwachsenen, den Vorschlag nicht sofort abzulehnen, sondern stattdessen mit den Kindern zu diskutieren und gemeinsam Alternativen zu erarbeiten.

Die Kinder zeigen Verständnis. "Etwas zusammen zu entscheiden ist nicht schwieriger, als es alleine zu entscheiden", sagt die Viertklässlerin Frieda, manchmal sei es ein bisschen blöd, weil der eigene Wunsch nicht umgesetzt werde: "Aber man hat ja zusammen entschieden und deshalb war es relativ einfach, das zu verstehen."

Rupi verteilt Essen

Stolz sind die Kinder auf Rupi, einem bunten Bollerwagen mit einem Holzaufbau. Auch Rupi ist eine Art Produkt demokratischer Entscheidungsstrukturen. "Wir hatten viele Ideen: ein Baumhaus, Küchengeräte, ein Baumwollzelt und ein Klassenzimmer im Wald", erzählt Jesper, der die zweite Klasse besucht. Und eben Rupi, den Bollerwagen.

Eigentlich hatten sich die Kinder einen richtigen Eisverkäuferwagen vorgestellt, mit Glöckchen und großem Aufbau. Rupi, der bunte Bollerwagen, ist ein Kompromiss, mit dem jetzt alle gut leben können und der das Budget von 1.000 Euro nicht gesprengt hat. Und so rollen die Kinder mit Rupi durch das Schulgebäude und über den Pausenhof und verteilen kleine selbstgemachte Leckereien.

Demokratie ist aber noch mehr. Es geht nicht nur um Entscheidungen, sondern auch um Teilhabe. Darum, die Kinder in alltägliche Prozesse und Aufgaben einzubinden. Die sogenannten Pausenengel zum Beispiel, die das Gedrängel an der Tür zum Pausenhof entzerren sollen: Nicht Lehrer übernehmen diese Aufgabe, sondern die Schülerinnen und Schüler selbst. Oder die Streitschlichter, die bei Rangeleien als Mediatoren auftreten – auch für diesen Posten melden sich Kinder freiwillig und werden speziell trainiert, wie in der Welt der Erwachsenen.

Etwas Besonderes: Gütesiegel für eine Grundschule

"Sehr einmalig" sei das, wie der demokratische Gedanke an der kirchlichen Privatschule in Pullach umgesetzt werde, sagt Tabea Schneider von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, die die Schule zwei Jahre lang bei diesem Prozess begleitet hat und am Montag das "Gütesiegel Demokratie" feierlich überreicht hat. Zwar gibt es zahlreiche demokratische Ideen und Projekte an Schulen, von Arbeitsgruppen bis zur Stärkung der Schülermitverwaltung. Aber eine Grundschule habe noch nie an diesem Programm teilgenommen.

Darüber, wo die silberne Plakette mit der Auszeichnung aufgehängt wird, haben die Kinder – natürlich – demokratisch, aber mit viel Gelächter und Geschrei entschieden: der Abstimmungsprozess, ein wildes Hin und Her, ein Hoch und Runter: Wer aufsteht, ist dafür; wer sitzen bleibt, dagegen. Chaos pur für Außenstehende, für die Kinder aber eine spielerische Lehrstunde in Demokratie. Die Plakette wird jetzt in der Eingangshalle hoch über allen Köpfen an der Balustrade angebracht.

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