Sir Simon Rattle war in den vergangenen Tagen in Bayern unterwegs.
Bildrechte: BR/Astrid Ackermann

Sir Simon Rattle war in den vergangenen Tagen in Bayern unterwegs.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Symphonischer Hoagascht: Simon Rattle unterwegs in Bayern

Sonst dirigiert Sir Simon Rattle die großen Orchester dieser Welt. In den vergangenen Tagen stand er aber vor vier bayerischen Blasmusikgruppen. Sie treten nächstes Jahr mit ihm und dem BR-Symphonieorchester auf. Aufgeregt war Rattle trotzdem.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Sir Simon Rattle war in den vergangenen Tagen in Bayern unterwegs. Nicht aber in Konzerthäusern, sondern in kleinen Kirchen, Schulen, Gemeinde- und Pfarrsälen. Die Idee: Um seine neue Heimat kennenzulernen, soll Rattle Blasmusik kennenlernen. Es sei zum Teil auch Egoismus gewesen, erzählt er auf dem Weg nach Memmingen. Denn er habe sehen wollen, was Bayern für ein fantastisches Land sei.

Deshalb hat das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) zu Rattles Amtsantritt als neuer Chefdirigent die Aktion "Symphonischer Hoagascht" ins Leben gerufen. Und auch das Profi-Orchester soll so näher an die Menschen herankommen - durch gemeinsames Musizieren und eine Mischung aus traditioneller Blasmusik und Klassik.

Memmingen: Herzliche Begrüßung für den Stardirigenten

Ankunft in Memmingen: Die Brass Band Unterallgäu steht vor einem Traditionswirtshaus und begrüßt Rattle mit einem Klang, der ihn an seine musikalischen Wurzeln in Liverpool erinnert. "Ich habe Sir Simon Rattle am Anfang gar nicht gesehen", erzählt Leiter Michael Fischer, der mit dem Rücken zum ankommenden BR-Bus steht, "doch an den Augen der Musikerinnen und Musiker habe ich es dann gemerkt." Er nimmt den Stardirigenten als menschlich und zugänglich wahr - wie einen Kumpel. Bevor Rattle aber selbst die Brass Band dirigiert, steht ihm noch eine besondere Herausforderung bevor.

Sir Simon Rattle hobelt Spätzle

In einem Kochkittel, auf den sein Name aufgestickt wurde, steht Rattle in der Küche des "Weber am Bach" in Memmingen und schaut Koch Herbert Breckel dabei zu, wie man Spätzle hobelt. "Das kann aber gefährlich werden", befürchtet Rattle. Doch als er den Teigschlitten über den Hobel zieht und die leuchtendgelben Spätzle in das Wasserbad fallen, lobt ihn der Chefkoch: "Als hätten Sie nie etwas anderes gemacht!" Rattle erwidert hingegen, dass Dirigieren leichter sei. Seine handgemachten Spätzle genießt er trotzdem sichtlich.

Bildrechte: BR/Astrid Ackermann
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Sir Simon Rattle hobelt Spätzle.

Traktorfahren in Marktoberdorf

Am nächsten Tag geht es für Rattle gleich wieder ins Allgäu, zum Jugendblasorchester Marktoberdorf. Dort dirigiert er ein Stück, das viele der jungen Musikerinnen und Musiker erst zum dritten Mal spielen. Die konzentrierte Arbeit und Wärme des Jugendorchesters habe ihn beeindruckt, erzählt er hinterher - fast wie eine ganz neue Familie. Auch hier steht neben der Musik noch ein weiterer Programmpunkt für Rattle an: Auf einem Oldtimer-Traktor darf er durch die Lindenallee fahren - zumindest auf dem Beifahrersitz. Er selbst habe nämlich nie fahren gelernt, erzählt er lachend. Die Musiker spielen dazu in Tracht auf dem angehängten Heuwagen.

Möckenlohe: Eigene Lieder für Sir Simon Rattle geschrieben

Eine Überraschung erwartet Rattle im oberbayerischen Eichstätt: Dominik Harrer, Dirigent der Blaskapelle Möckenlohe, schreibt die meisten Stücke für seine Kapelle selbst oder arrangiert Volksmusik aus der Region. Für Rattle hat er extra zwei Lieder komponiert, den Marsch "Sir Simon" und die "Simmerl-Polka". Bei den Uraufführungen ist der Stardirigent sichtbar gerührt: "Wie ein frühes Weihnachten", bedankt er sich hinterher.

Büchlberg: Musizieren im Steinbruch

In Büchlberg im Kreis Passau empfangen die Ulrichsbläser Sir Simon Rattle mit einem Ständchen im Steinbruch und spazieren mit ihm durch die Wälder. Schon auf dem Weg geht es um Musik. "Rattle hat sich richtig vorbereitet. Er hat mir ganz viele Fragen zu dem Stück gestellt, das er später dirigieren soll", erzählt Dirigent Josef Maderer. Das zeigt sich bei der anschließenden Probe. Rattle geht sehr genau auf Details ein, bricht immer wieder ab, singt seine Idee von Melodien und Rhythmen vor. Die 40 Musikerinnen und Musiker sind glücklich über die intensive Arbeit.

Simon Rattle dirigiert bayerische Blasmusikgruppen.
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Simon Rattle dirigiert bayerische Blasmusikgruppen.

Rundum positives Fazit zu den Kennenlernen

Das gegenseitige Kennenlernen war für alle Beteiligten ein Erfolg. Rattle selbst bezeichnet es als unglaubliche Erfahrung, auf so offene Menschen zu treffen, die ihre Musik teilen wollen. "Ich hoffe, ich habe ihnen gezeigt, dass ein Dirigent nicht autoritär sein muss", sagt er.

Und auch das Feedback der Laienmusikerinnen und -musiker ist durchweg positiv: "Ich bin total geflasht, weil der so gut dirigiert und sich so gut vorbereitet hat", erzählt beispielsweise Stephan Schmidt von der Brass Band Unterallgäu. Andrea Bittl von der Blaskapelle Möckenlohe gesteht, dass sie sehr aufgeregt gewesen sei, das Spielen mit Rattle habe dann aber total viel Spaß gemacht. "Eine Probe, die nachwirkt", sagt Lorenz Geiß von den Ulrichsbläsern Büchlberg. Und Lizanne Hauser vom Jugendblasorchester Marktoberdorf will sich in Zukunft noch mehr mit Musik auseinandersetzen, weil Rattle sie so inspiriert habe.

So geht's weiter im Projekt

Bis zum großen Abschlusskonzert im Juli üben die Blasmusikgruppen zunächst die vorgesehene Symphonie von Hector Berlioz, die 35 Minuten lang und recht anspruchsvoll ist. Im Frühjahr bekommen sie außerdem die Noten von Lorenz Dangel, der extra für die besondere Besetzung - ein Symphonieorchester und vier Blaskapellen - ein eigenes Stück schreibt. Er hat die Musikgruppen bereits im Juli kennengelernt und Inspiration für seine Komposition gesammelt. Im Juni stehen dann Registerproben, zusammen mit Musikern des BRSO, an, und im Juli die Proben mit allen Beteiligten im Münchner Showpalast.

Die vier Blasmusikgruppen, die am Symphonischen Hoagascht teilnehmen, hat eine Jury aus über 100 Bewerbungen ausgewählt. Alle anderen Gruppen lud das BRSO im September zu einer Arbeitsprobe mit Sir Simon Rattle in die Isarphilharmonie ein.

Bildrechte: BR/Astrid Ackermann
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Sir Simon Rattle probte mit Blasmusikern aus Büchlberg, Benningen, Möckenlohe und Marktoberdorf für den Symphonischen Hoagascht im Juli 2024.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!