Baufahrzeuge baggern Schnee aus Depot
Bildrechte: picture alliance / SZ Photo | RoHa-Fotothek Fürmann

Schneedepot in der "Chiemgau Arena" in Ruhpolding

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Snowfarming–Schnee von gestern für die Athleten von morgen

Anfang des Jahres produzieren die Schneekanonen Material für den nächsten Winter. Das, in aller Kürze, ist Snowfarming. Auch in Bayern nutzt man die Schneedepots, schon lange in Ruhpolding, in Oberstdorf schon bald. Sie müssen aber gut überlegt sein.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Klimatisch gesehen liegt das Nordic Zentrum in Oberstdorf sehr gut, um möglichst lange den Skibetrieb zu ermöglichen. Von vergangenem November bis in den März hinein konnte man dort, im Stillachtal, Langlaufen – dank des Kunstschnees. Florian Speigl, Geschäftsführer des Nordic Zentrums, nennt es "gutes Schneemanagement".

Das Nordic Zentrum ist ein Bundesstützpunkt des Deutschen Skiverbands. Mitten auf dem Gelände liegt neben der Rollerbahn eine gähnend leere Kiesfläche. In ein paar Wochen entsteht hier zum zweiten Mal ein Depot für rund 5.000 Kubikmeter Schnee.

Kostspieliger Testlauf und Zwangspause im Sommer

Oberstdorf hatte im vergangenen Jahr den ersten Versuch gestartet, rund 60.000 Euro wurden dafür investiert, sagt Speigl. Und man war mehr als zufrieden mit dem Ergebnis: Wie geplant konnte noch vor Wintereinbruch die erste Trainingsloipe für die DSV-Sportlerinnen und -Sportler präpariert werden.

Dann folgte in diesem Sommer eine Zwangspause, die weitere Finanzierung des Depots galt es zu klären. Das sei nun erledigt, die Gemeinde als Träger der Sportstätte und der Skiverband hätten die Fortsetzung genehmigt. Nun werde ab Januar, sofern es kalt genug wird, neuer Schnee für die Saison 2024/2045 produziert, so Speigl:

"Es ist ökonomischer, als die Athleten irgendwo auf Gletscherskigebiete hochzuschicken oder mit Flugzeugen hinzubringen." Florian Speigl, Geschäftsführer Nordic Zentrum Oberstdorf

Dort, wo sie zuhause sind, sollen sie auch trainieren können. Ähnlich argumentiert Alois Reiter, Leiter der Chiemgau Arena in Ruhpolding. Bei den Schneedepots geht es ihm zufolge nicht darum, die Saison künstlich zu verlängern. Einziges Ziel in Ruhpolding und Oberstdorf ist es, dass insbesondere die DSV-Athleten, aber auch Vereine, zu Beginn des Winters auf Schnee trainieren können. Das sei dann und immer häufiger das weiße Band auf grüner Wiese, räumen sie ein.

Schneedepots muss man sich leisten wollen

Dass sich ein Schneedepot für den Freizeit- und Urlaubssportler kaum rechnet, musste hingegen die Westallgäuer Gemeinde Scheidegg erkennen. Man wollte es aber wenigstens mal versucht haben, sagt Bürgermeister Ulrich Pfanner. Aber schon nach nur einem Testlauf ist die Idee wieder begraben worden: zu teuer, zu arbeitsintensiv bei zu schlechtem Endergebnis. Über die Hälfte des deponierten Schnees war in Scheidegg über den Sommer 2019 wieder weggeschmolzen.

Weil das sogenannte Snowfarming also nicht infrage kam, wurde umdisponiert: Heute ist das Loipennetz kräftig verkürzt, die Gemeinde konzentriert sich auf die höher liegenden Gebiete zwischen 900 und 1.000 Meter und hofft auf Naturschnee. Solange der nicht fällt und keine Loipen gespurt werden können, will man den Familien und Gästen Outdoor-Alternativen wie den Skywalk anbieten.

Schneedepots – ein Muss bei internationalen Wettkämpfen?

Um international bei Wettkämpfen mithalten zu können, sehen Florian Speigl und Alois Reiter keine Alternative zum Snowfarming. Nur durch Schneedepots werden Trainingsanlagen schon im frühen Winter möglich, die Athletinnen und Athleten können nur so unter echten Wettkampfbedingungen trainieren. In Oberstdorf wird für die Langläufer eine 900 Meter lange Loipe präpariert, in Ruhpolding entsteht für die Biathleten eine Zwei-Kilometer-Schleife mitsamt Schießstand und Start-/Zieleinlauf. Sobald es kalt genug ist, wird Anfang des Jahres das über 15.000 Kubikmeter fassende Schneedepot mit Schneekanonen aufgefüllt.

Umweltschützer: Fast wie "Champagner in den Gulli zu kippen"

Was die einen für unverzichtbar halten, gefällt Umweltschützern wiederum gar nicht. Sie sehen Energie und Wasser in Trinkwasserqualität unnütz verschwendet. Michael Finger vom Bund Naturschutz in Oberstdorf beispielsweise bemängelt, es handele sich um ein Luxusprodukt für eine kleine Zielgruppe, es sei fast wie "Champagner in den Gulli zu kippen".

Schneit es im Dezember, würden auch tatsächlich überwiegend hochklassige Sportler die Anlagen nutzen, räumt Alois Reiter ein. In milden Wintermonaten ohne Schneefall sieht das schon wieder anders aus. Im vergangenen Dezember hat die Chiemgau Arena die Besucher einmal gezählt. Laut Alois Reiter waren vom 1. bis zum 30. Dezember 2022 rund 5.000 Menschen auf der künstlich angelegten Loipe in der Arena unterwegs. Von Skiclub-Kindern bis hin zu den Spitzenathleten konnten alle quasi vor der Haustür trainieren. Gerade für den Nachwuchs hält er deshalb die nur durch Schneedepots möglichen Loipen für unverzichtbar.

Nachwuchsförderung hängt eng an dezentralen Trainingsorten

Depots gibt es nicht nur an den bayerischen Stützpunkten Ruhpolding und Oberstdorf, sondern auch in Oberhof in Thüringen oder am Notschrei im Schwarzwald. Auf die Frage 'Braucht es an jedem Stützpunkt ein eigenes Schneedepot, man könnte doch die Zahl der Trainingsorte reduzieren?', antworten Speigl und Reiter: Könnte man machen, aber letztlich gibt es zu viele Athletinnen und Athleten, als dass alle an einem Ort trainieren könnten. Außerdem würde dann der Reiseverkehr wieder neue Emissionen verursachen. Von den Kosten ganz zu schweigen. Und den Kindern ist damit wieder nicht geholfen. Also doch die dezentrale Lösung.

Schneedepots sind kein bayerisches Produkt

In Ruhpolding will man Mitte November mit dem Präparieren der Loipe anfangen, sofern es kalt genug dafür ist. Ähnlich will es Oberstdorf handhaben. Die Wettkampfsaison rückt näher. Andernorts wird übrigens schon längst auf künstlich angelegten Loipen trainiert, sagt Alois Reiter: Beispielsweise in Obertilliach in Osttirol, in Kontiolahti in Finnland oder auch in Schweden werden Loipen durch Schneedepots ermöglicht: "Das ist jetzt kein bayerisches Produkt, weil bei uns der Winter nix mehr wird. Sondern auch im hohen Norden wird jetzt bereits gelaufen, auf Schnee vom letzten Jahr."

Also: Schneedepots braucht es für den Wettkampfsport, damit die deutschen Athletinnen und Athleten im Langlauf, in der Nordischen Kombination und im Biathlon mit der internationalen Konkurrenz mithalten können – für den Breitensport lohnt sich die Investition aber nicht. Schön finden es trotzdem alle, wenn es schneit und man auf Naturschnee laufen kann, auch die Profis.

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