Vor die Linse gegangen: einer der Luchse, die der Lohberger Jäger Heinrich Moser dank seiner Fotofallen dokumentieren kann.
Bildrechte: Privat/Heinrich Moser

Vor die Linse gegangen: einer der Luchse, die der Lohberger Jäger Heinrich Moser dank seiner Fotofallen nachweisen kann.

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Schutz vor Verkehr – und illegaler Jagd? Luchs-Projekt gestartet

Im Lamer Winkel im nördlichen Bayerwald leben so viele Luchse wie nirgends sonst in Bayern. Zugleich sorgen sich Naturschützer um die einst ausgerottete Wildkatze. Ein neues Projekt will die Bevölkerung sensibilisieren. Manche Jäger sind skeptisch.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Ein Pfotenabdruck entlang des Waldweges, der hinaufführt zum Bramersbacher Platz. Den Rastplatz im bewaldeten Lamer Winkel, dem nördlichen Ausläufer des Bayerwaldes an der Grenze zu Tschechien, steuert an diesem Samstagvormittag auch eine Gruppe Naturbegeisterter um Sybille Wölfl an. Halt macht die Biologin bei bestimmten Abdrücken, die offenkundig ein Tier dem regenfeuchten Waldboden einverleibt hat. Nur welche sind das?

Sybille Wölfls Mitstreiter aus Nah und Fern sollen lernen, Spuren zu lesen. Sie könnten ein Hinweis sein auf den hier längst wieder heimisch gewordenen Luchs, um den es Biologin Wölfl und den sieben anderen Teilnehmern geht.

Projekt soll Bevölkerung für den Luchs begeistern

Sie machen mit beim Projekt "Luchs-Radar", das die Biologin vom Verein "Luchs Bayern" mit Sitz in Waldmünchen im Kreis Cham in der Oberpfalz jüngst gestartet hat. Es soll Interessierte aus der Bevölkerung für den Luchs und dessen Schutzmöglichkeiten sensibilisieren. "Denn wir haben Grund zur Besorgnis", sagt Wölfl. Ihr zufolge gab es zuletzt vor allem mehr Jungluchse, die durch Verkehrsunfälle versehentlich getötet werden. "Das korrespondiert natürlich auch mit der Zunahme, die wir in der Population haben."

Zu wenige Weibchen: Gefahr von Inzucht

Doch die Zunahme läuft schleppend, sagt Wölfl. In dem 10.000 Quadratkilometer großen Luchs-Gebiet von Ostbayern nach Tschechien bis hinunter nach Österreich, in dem der Lamer Winkel mit seinen 100 Quadratkilometern nur einen kleinen Bruchteil ausmacht, gebe es gerade mal 33 Weibchen bei rund 200 Luchsen insgesamt. Für eine stabile Population ohne Gefahr von Inzucht seien 165 Luchsinnen die Zielgröße. "Deshalb ist jedes einzelne Tier wichtig", sagt Wölfl mit Nachdruck.

Der Jäger und der Luchs - Gegner?

In diesen Worten schwingt mit, was Wölfl gemeint hat, wenn sie einmal öffentlich vom "Bermudadreieck für Luchse" gesprochen hat: Einzelne Tiere würden auf unnatürliche Weise verschwinden. Für Wölfl ist klar: Der Luchs ist dem ein oder anderen Jäger - "sicher eine Minderheit" - ein Dorn im Auge. Die Wildkatze im Revier hat es schließlich auch aufs Rehwild abgesehen. "Und der ein oder andere wird das Problem auf seine Weise lösen."

Fakt ist: Im deutschlandweit bislang einzigen Fall einer mutmaßlich illegalen Luchstötung, der zu einem Gerichtsverfahren führte, saß ein Jäger aus dem Lamer Winkel auf der Anklagebank. Im ersten Anlauf kam es zu einer Verurteilung. Nach einer Revision wurde das Urteil jedoch wieder aufgehoben, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Tat schon verjährt war. Die wenigen anderen polizeilichen Ermittlungen in Bayern wurden eingestellt, ohne dass überhaupt ein mutmaßlicher Täter ermittelt werden konnte.

Polizei erkennt keine Problematik

Laut Polizeioberrätin Inge Roith, in Straubing zuständig für das Sachgebiet für Ordnungs- und Schutzaufgaben und damit auch bei Wildtierkriminalität im Einsatz, gibt es "aktuell keine Problematik hinsichtlich illegaler Nachstellungen, die polizeilich bekannt geworden wäre". Auf diesen Nachsatz kommt es der Polizistin an: Polizeiliches Bekanntwerden setzt schließlich voraus, dass es jemanden gibt, der als Zeuge oder Mitwisser Meldung machen kann oder will.

Der Luchs als "notwendiges Übel"

An diesem sonnigen Samstagmorgen begegnet die "Luchs-Radar"-Gruppe um Sybille Wölfl jedenfalls niemandem sonst im Wald. Unter ihnen ist auch Jungjäger Mario. Für seine Zunft "kann und will" er seine Hand nicht ins Feuer legen. "Ich weiß nur, dass es Jäger gibt, die den Luchs als Gegner sehen. Ich denke aber, dass das Gros der Jägerschaft nicht schießen würde und es einfach als notwendiges Übel sieht, dass der Luchs da ist."

Demgegenüber hat sich die Lamer Jägerschaft zuletzt bei der zuständigen Jagdbehörde dafür eingesetzt, dass die Abschusszahlen fürs Rehwild nach unten hin gelockert werden. Die vorgegebenen Abschusszahlen waren durch den "Mitjäger Luchs" einfach nicht mehr zu erfüllen. Der ausgebliebene Abschuss sollte dann im nächsten Jahr zusätzlich erfolgen, was erst recht nicht möglich war.

Licht ins Dunkel von Bestandszahlen bringen

Auch andernorts sollten die Jagdbehörden den "Faktor Luchs" einberechnen, zumal mancherorts Bußgelder bei Nichterfüllung der Abschussforderungen drohen, sagt Heinrich Moser. Obwohl der Luchs es dem Jäger aus Lohberg in den vergangenen fünf Jahren vereitelt hat, ein Reh zu erlegen, habe er Sympathie für die Wildkatze, die buchstäblich bis vor seine Haustür im Lamer Winkel komme. Im Revier, in dem er auf Jagd geht, hat er aus privater Tasche in rund 70 Fotofallen investiert. Er macht es vor allem deshalb, um Licht ins Dunkel der vagen Bestandszahlen zu bringen. "Ich ärgere mich einfach, wenn gesagt wird, es gibt so wenige Luchse, sodass ins x-te Schutzprojekt Gelder fließen, wovon der Luchs noch keinen Euro gesehen oder gespürt hat."

Allein in diesem Jahr seien ihm zwölf verschiedene Luchsjunge vor die Kameras gelaufen – in der Tendenz nähmen die zeitlichen Abstände, in denen Luchs X vor Kamera Y laufe, zu. Der Jäger führt das darauf zurück, dass es selbst für die Luchse im Lamer Winkel immer schwieriger werde, Rehe im Revier zu finden. "Ein Vorschlag wäre, dass man Tiere fängt, umsiedelt, wo noch Luchshabitat ist, so Lücken schließt, was dann auch dem Austausch der Genetik zugute käme", sagt Moser. Dann könne sich perspektivisch vielleicht auch der Rehwildbestand im Lamer Winkel erholen.

Engagement der Tierschützer überflüssig?

Ein Vorschlag, den auch der Lamer Hegeringleiter Toni Späth für diskutabel hält. Stattdessen kurzen Prozess machen? Der Jäger winkt ab. "Der Luchs ist eine dem Jagdrecht unterliegende Art, aus. Amen." Das Engagement der Tierschützer hält der Jäger trotzdem für überflüssig. "Wenn jeder im Hinterkopf behält, was für Wildarten er in seinem Spektrum hat, denen gegenüber er ja zur Hege verpflichtet ist, dann brauchen wir den ganzen Zirkus, der da veranstaltet wird von einer Naturschutzorganisation oder wem auch immer, der meint, missionarisch tätig zu werden, überhaupt nicht." Dem Luchs, ist Späth überzeugt, sei am besten geholfen, wenn man ihn in Ruhe lasse.

So gelassen sehen das Sybille Wölfl und ihre Naturschützer nicht. Was sie im Wald lernen, soll den Exkursionsteilnehmern das Rüstzeug geben, die Stimme zu erheben – für den Luchs und seinen Schutz.

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