Drei Frauen im weißen Kittel stehen in dem Gang eines Krankenhauses.
Bildrechte: BR24/Ulrike Nikola

Die Onkolotsinnen Kerstin Sap, Elke Putzek-Holzapfel und Manuela Ambrusch begleiten Patientinnen und Patienten an der Uniklinik Erlangen.

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Onkolotsen: Hilfe im Kampf gegen Krebs

Wer an Krebs erkrankt, steht nach der Diagnose meist unter Schock. Es folgt eine Therapie mit Höhen und Tiefen. An der Uniklinik Erlangen stehen den Patienten dabei speziell geschulte Onkolotsen zur Seite. Sie ist damit Vorreiter in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Es sind zahlreiche Untersuchungen und Informationen, die auf Barbara Wirth einprasseln: Blutabnahme, Ultraschalluntersuchung, Aufklärungsgespräche für die Anästhesie sowie die Operation und vieles mehr. Die Patientin steht in der Präoperativen Ambulanz der Frauenklinik am Uniklinikum Erlangen. Erst vor kurzem hat die 67-Jährige die Diagnose Gebärmutterhalskrebs bekommen. Ein großer Schock und gleichzeitig ein riesiger organisatorischer Berg an Terminen und Formalitäten, vor dem sie steht. "Ich habe eigentlich keinen Überblick, denn ich bin absoluter Laie und hatte bisher nie was mit Krankheit zu tun. Für mich ist alles neu und beängstigend", sagt sie.

Unterstützung durch Onkolotsinnen

Die Patientin wird deshalb von Elke Putzek-Holzapfel begleitet. Sie ist eine der sechs Onkolotsinnen an der Uniklinik Erlangen. Die examinierte Krankenschwester hat dazu eine spezielle berufsbegleitende Qualifizierung gemacht und kümmert sich um Frauen mit Genitalkrebs. Sobald die Krebsdiagnose feststeht und die Patienten davon erfahren, erhalten sie gleichzeitig das Angebot, sich während der Therapie von einer Onkolotsin oder einem Onkolotsen begleiten zu lassen.

Dies werde ganz unterschiedlich angenommen, erklärt Elke Putzek-Holzapfel. Manche wenden sich nur zwei- oder dreimal an sie, andere häufiger über einen längeren Zeitraum. Sie begleitet die Patientinnen auf Wunsch zu den Untersuchungen und Arztgesprächen, ist vor und nach der OP für die Menschen da, steht ihnen während der Chemotherapie oder anderen Behandlungen zur Seite – je nach Bedarf.

Praktische Hilfe und seelischer Beistand

Onkolotsen nehmen sich die Zeit für persönliche Zuwendung oder tiefergehende Gespräche, was sonst im Klinikalltag häufig zu kurz kommt. Manchmal sind es auch nur kleine Gesten, die viel bewirken. Sei es, dass sie bei langen Wartezeiten etwas zu trinken besorgen oder die Therapie-Empfehlungen der Ärzte nochmal wiederholen. Denn bei einer Krebsdiagnose stehen viele Menschen erst einmal unter einem Schock und brauchen Zeit, bis sie alles aufnehmen und verarbeiten können. Elke Putzek-Holzapfel und ihre Kolleginnen stehen den Patienten daher für alle ihre Fragen und Ängste zur Verfügung.

"Wenn die Patienten kommen, sind sie verunsichert und wissen nicht, was auf sie zukommt. In solchen Momenten fühlen sie sich wie ein Ball und sie wissen nicht, wo sie aufschlagen werden. Deswegen sage ich zu den Patienten immer: Wir machen jetzt einen Schritt nach dem anderen." Onkolotsin Elke Putzek-Holzapfel

Die Patientin Barbara Wirth nimmt die Unterstützung der Onkolotsin während der Therapie gerne an. Sie fühlt sich dabei an ihre Kindheit erinnert, als ihre Mutter für alles sorgte. Ähnlich empfindet sie die Arbeit der Onkolotsin: "Sie hat den Überblick und hält die Fäden in der Hand, so dass ich mich nicht um alles selber kümmern muss. Das hat auch etwas sehr Tröstliches", sagt Barbara Wirth. Es dauert meist eine gewisse Zeit, bis sich die Betroffenen auf die Therapie einlassen und ihre Todesangst verlieren – ob bei einem Hirntumor, Magen- oder Brustkrebs oder einer anderen lebensbedrohlichen Erkrankung.

Keine Finanzierung durch die Krankenkassen

Noch gibt es – gemessen an der Zahl der Krebserkrankungen – nur sehr wenige solcher Lotsen und Lotsinnen. Obwohl der Bedarf groß ist. Doch die Kliniken bekommen dafür kein Geld von den Krankenkassen. Es sei ein gewisser "Luxus", den eine Klinik den Patientinnen und Patienten damit biete, sagt Prof. Matthias Beckmann, Chefarzt der Frauenklinik an der Uniklinik Erlangen. "Erst wenn in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden kann, dass die Onkolotsinnen zu einer Verbesserung des Überlebens oder einer besseren Lebensqualität beitragen, können Forderungen an die Krankenkassen gestellt werden", erklärt Beckmann.

Für diesen Nachweis gibt es die Onkolotsen aber noch nicht lange genug, außerdem ist ihre Anzahl mit 15 in ganz Bayern noch gering. An der Uniklinik Erlangen hat Elke Putzek-Holzapfel vor drei Jahren mit dieser Arbeit begonnen. Bislang wird sie durch die Deutsche Krebshilfe finanziert.

Qualitätssicherung an der Uniklinik Erlangen

Auch wenn es noch keine Studien gibt, so findet regelmäßig eine Befragung der Patientinnen an der Frauenklinik der Uniklinik Erlangen statt. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, was ihnen geholfen hat, mit der Erkrankung besser zurechtzukommen. "Dabei schneiden die Onkolotsinnen sehr gut ab, was aber auch verständlich ist. Denn sie kümmern sich sehr gut um die Patienten und das kommt bei den Betroffenen gut an, vor allem bei denen, die keine Familie in der Nähe haben", stellt Prof. Beckmann fest.

Bisher haben an der Frauenklinik der Uniklinik Erlangen vor allem Patientinnen mit einer Genitalkrebserkrankung das Angebot erhalten, dass sie bei der Therapie von einer Onkolotsin begleitet werden. Denn für sie gebe es insgesamt weniger Unterstützung, weniger Netzwerke und kaum eine Lobby, so Beckmann.

Weniger Verständnis bei seltenen Tumorerkrankungen

Mit 4.500 Neuerkrankungen pro Jahr liegt beispielsweise Gebärmutterhalskrebs weit zurück hinter dem Brustkrebs mit jährlich 70.000 neuen Fällen. Je seltener oder unbekannter eine Erkrankung ist, umso so schwerer ist es, eine entsprechende Selbsthilfegruppe zu finden oder auch Gehör und Verständnis.

Doch unabhängig von Fallzahlen steckt hinter jeder Krebserkrankung ein individuelles Schicksal. Deshalb gibt es das Angebot der Onkolotsinnen nun auch für Brustkrebspatientinnen an der Uniklinik Erlangen – trotz schwieriger Finanzierung. Sie helfen mit Informationen weiter, ob Adressen von Selbsthilfegruppen, Anlaufstellen für begleitende Sport- und Ernährungsangebote und vieles mehr. Doch ihre große Stärke ist vor allem die menschliche Begleitung.

Das Angebot ist ausbaufähig

In Bayern sind insgesamt 15 ausgebildete Onkolotsen tätig, deutschlandweit sind es rund 300. Die Sächsische Krebsgesellschaft ist die einzige Anbieterin mit einem regelmäßigen Ausbildungs-Angebot für Onkolotsen, auf Basis einer Prüfungsordnung. Bei der Weiterbildung liegt der Fokus darauf, dass die Onkolotsen befähigt werden, Patienten und deren Familienangehörigen zu helfen und während der Erkrankung einen optimalen Weg durch die Versorgungsangebote zu finden.

Darüber hinaus gibt es die Ausbildung zum sogenannten Patienten-Coach durch Dr. Manfred Welslau von der Onkologie Aschaffenburg. Er legt den Fokus ebenfalls auf die Unterstützung des Patienten, um die geplante Therapie optimal durchführen zu können, Ängste zu nehmen und Sicherheiten zu geben.

Positive Erinnerungen an eine schwere Zeit

Für die Patientin Barbara Wirth liegt die Gebärmutterhalskrebs-Therapie mittlerweile mehrere Monate zurück und sie ist nun tumorfrei. Die schwere Zeit ist endlich vorbei und sie ist selbst überrascht, wie schnell sie die schweren Stunden vergessen hat. Im Gedächtnis bleiben ihr vor allem die positiven Erlebnisse und menschlichen Begegnungen.

Barbara Wirth ist allen dankbar, die ihr während der Krebstherapie geholfen haben. Bei den Nachsorgeuntersuchungen trifft sich auch immer noch mit der Onkolotsin Elke Putzek-Holzapfel. Aufgrund ihrer Erfahrung würde sie allen Krebs-Patienten und -Patientinnen eine Lotsin oder einen Lotsen wünschen.

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