Das Jugendparlament in Aschaffenburg im Jahr 2019 (Archivbild)
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Jugendparlamente: Wie läuft es in Bayern?

In der Politik mitreden und sie mitgestalten, das wünschen sich viele Jugendliche. Möglich ist das grundsätzlich über Jugendvertretungen. In 120 bayerischen Kommunen gibt es sie. Doch ihre Situation vor Ort ist sehr unterschiedlich.

Wendy Asamoah verteilt Tablets und Stifte an neun Jugendliche. Sie hat ein Treffen für junge Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen oder Identitäten organisiert. In regelmäßigen Abständen treffen sie sich. Das Safe Space Café bietet den Jugendlichen einen geschützten Raum. An diesem Tag wollen sie ein Logo für ihre Gruppe entwerfen.

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Die Mitglieder des Ingolstädter Jugendparlaments haben das Projekt gestartet. Wendy ist eine von 25 jungen Parlamentarierinnen und Parlamentariern - alle zwischen 14 und 21 Jahre alt. Erst seit knapp einem Jahr gibt es die Jugendvertretung in Ingolstadt: "Am Anfang war es anstrengend, weil man nicht wusste, was man machen soll, aber jetzt läuft es super. Mir macht es einfach nur Spaß. Vor allem mit dem Event hier habe ich schon den Eindruck, dass ich was bewegen kann", erzählt die 19-Jährige. Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind mit der Arbeit zufrieden. Doch dafür haben sie viel getan.

Ingolstädter Jugendparlament gut gestartet

Als vor über einem Jahr die Entscheidung fiel, in Ingolstadt ein Jugendparlament zu gründen, gab es über 100 Kandidatinnen und Kandidaten für 25 Parlamentssitze. Eine gute Auswahl für die Wahlberechtigten. Voraussetzung für die Wahl war, dass sowohl Kandidaten als auch Wähler in Ingolstadt leben, oder dort eine Ausbildung machen und zwischen 14 und 21 Jahre alt sind.

Über 15 Prozent der Wahlberechtigten stimmten schließlich ab. Im Vorfeld hatten die Verantwortlichen eine eigene Homepage erstellt, Werbung über Social Media gemacht und Gespräche an Schulen geführt. So informieren sie auch jetzt über die Arbeit ihres Parlaments.

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Die Stadt hat sie zudem mit einem Etat von 30.000 Euro ausgestattet. Damit wollen die jungen Parlamentarier viele Projekte für die Ingolstädter Jugend umsetzen - wie beispielsweise einen Finanzworkshop oder Trinkwasserspender im Park. Oder eben das Safe Space Café, das bei den Jugendlichen gut ankommt: "Ich finde es super, dass es das gibt, weil viele noch sehr unsicher sind und hier haben wir einen sicheren Raum", erzählt ein Mädchen. Ein Junge meint, dass das Jugendparlament eine echte Chance sei, sich in der Politik zu engagieren. Von dem Ingolstädter Parlament haben sie über die Schule oder Freunde erfahren.

Große Unterschiede in Bayern

So gut wie in Ingolstadt läuft es nicht überall in Bayern. Schon bei der finanziellen Ausstattung der Vertretungen gibt es große Unterschiede. Vielerorts stehen zwischen 2.000 und 5.000 Euro zur Verfügung. Oft fehle das Interesse der Jugendlichen, berichtet Parlamentarierin Veronika Droth aus Fürstenfeldbruck.

Oft wissen die jungen Menschen gar nicht, dass es eine Jugendvertretung gibt: "Ich glaube, wir sind noch nicht ganz präsent in den Köpfen der Jugendlichen. Wir müssen ihnen noch klar machen, dass wir ihr Ansprechpartner für die Stadt sind", meint sie. Dafür wollen die Fürstenfeldbrucker Parlamentarier künftig eine Art Büro direkt an einem Gelände haben, das der Jugend zur Freizeitgestaltung dient. So wollen sie direkt sichtbar sein und klar machen: Auch junge Menschen haben in der Politik eine Stimme.

Gute Erfahrungen haben die jugendlichen Vertreter in Erlangen mit den Schulen gemacht. Dort gehen sie regelmäßig hin und machen auf die Arbeit des Jugendparlaments aufmerksam. Denn Jugendvertretungen können etwas bewirken.

Projekte für die Jugend verwirklichen

Über die Jugendvertretungen haben die Jugendlichen die Chance, Projekte, die ihnen am Herzen liegen, zu verwirklichen. "Einmal gibt es die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, dieser wird dann an die Stadt übergeben und an die zuständigen Ämter", berichtet Aron Gabriel vom Jugendparlament in Ingolstadt. Darüber hinaus können sie mit ihrem Etat auch eigenständig Projekte finanzieren.

Von den Kommunen fühlen sich die weitaus meisten ernst genommen, berichten junge Parlamentarier aus Neuendettelsau, Erlangen und Mühldorf - das sei ein wichtiger Aspekt, findet der Bayerische Jugendring (BJR). Essentiell für den Erfolg der Jugendparlamente sei es, dass die Rahmenbedingungen stimmten.

Es sei wichtig, dass junge Menschen selbst und unabhängig von Politik und Verwaltung über Rahmenbedingungen, Arbeitsweisen und Themen entscheiden könnten. So kann es gelingen, dass sich Jugendparlamente über Jahrzehnte erfolgreich halten, wie in Moosburg, Pfaffenhofen an der Ilm oder Erlangen. Doch gerade in den vergangenen Jahren haben einige Vertretungen aufgegeben.

120 Jugendvertretungen in Bayern

Derzeit gibt es 120 Jugendvertretungen in Bayern, rund 90 sind laut BJR aktiv in den Kommunen. Rund 20 haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Arbeit wieder eingestellt. Grundsätzlich sei es normal, dass es bei einem Teil dieser Gremien ein Kommen und Gehen gebe, meint der BJR. Junge Menschen verlassen den Wohnort oder die Themen vor Ort ändern sich.

Doch auch die Corona-Pandemie hat wohl eine Rolle gespielt. So konnten etwa während der Lockdown-Phasen beispielsweise Neuwahlen nicht in Präsenz stattfinden, viele Parlamente konnten aber auch nicht digital wählen. Aufwind versprechen sich viele von dem kürzlich gegründeten Dachverband, der die engagierten Jugendlichen vernetzen soll.

Dachverband will mehr Aufmerksamkeit schaffen

Dieser Dachverband war lange Thema, bis es schließlich klappte. Die jungen bayerischen Parlamentarier haben ihn im Frühjahr gegründet, um allen Jugendvertretungen im Freistaat eine Stimme zu geben, um auch landesweite Projekte umzusetzen und ihre Forderungen gemeinsam bei der Politik vorzubringen.

"Wir sind dafür da, um eine Lobby zu sein für die Jugendvertretungen. Wir wollen auf das Thema aufmerksam machen und zeigen, dass Jugendliche wichtige Bausteine in der Kommunalpolitik sein können", sagt der Ingolstädter Aron Gabriel, der zum Vorsitzenden des Dachverbands gewählt wurde.

Auch der BJR unterstützt den Dachverband. Zum einen berät er ihn fachlich, zum anderen hilft er auch finanziell. Man wolle dem Dachverband eine Chance bieten, sich langfristig zu etablieren, um den Jugendlichen bayernweit die Gelegenheit zum Austausch untereinander zu geben.

Bildrechte: BR/ Daniela Olivares
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Ein "Safe Space Café" in Ingolstadt - ein Projekt des Jugendparlaments.

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