Symbolbild: Halbmond auf dem Minarett einer Moschee
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Symbolbild: Halbmond auf dem Minarett einer Moschee

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Judenhetze? Vorwürfe gegen Würzburger Moschee

Antisemitismus-Experten und der Verfassungsschutz erheben nach BR24-Recherchen schwere Vorwürfe gegen eine Würzburger Moschee. Diese habe in einem Facebook-Post gegen Juden gehetzt. Die Moschee spricht von einem Missverständnis.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Am 13. Oktober dieses Jahres, keine Woche nach den Gräueltaten der islamistischen Terrorgruppe Hamas im Süden Israels, bei denen rund 1.200 Menschen getötet und 240 Menschen verschleppt wurden, veröffentlicht die Islamisch-Bosnische Gemeinschaft Würzburg auf ihrer Facebook-Seite einen Text, der die Vernichtung von Juden zum Inhalt hat. Der Post liegt BR24 vor. Teile sind auf Arabisch, ein anderer ist auf Bosnisch.

Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus von Posting beunruhigt

"Gott lass in Al-Quds keine Fahne der Juden hissen", heißt es dort. Außerdem wird Gott angerufen, "die feindlichen Zionisten und ihre Helfer und Komplizen zu bestrafen". An anderer Stelle steht: "Gott zähle sie und töte sie und lass niemanden davon freikommen."

Annette Seidel-Arpacı, Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Bayern (Rias), beunruhigt dieser Post zutiefst. Es handele sich um ein Bittgebet, das die Vernichtung von Juden durch Gott fordere. Es würde explizit von Juden sowie von Zionisten gesprochen. Man müsse sich das einmal durchdenken, so Seidel-Arpacı. In einer Moschee im unterfränkischen Würzburg werde einige Tage nach den grausamen Taten in Israel für die Vernichtung von Juden gebetet – und dies werde dann "ganz offen online zur Schau gestellt".

Europäische Rabbinerfrauen verurteilen Posting

Entsetzt zeigt sich auch die Rabbinerfrau Yemima Mizrachi, die in Israel als eine der einflussreichsten Frauen gilt. Zudem engagiert sie sich auch hier in Bayern gegen Antisemitismus. Zwar könne man bei Rassismus keinen Dialog führen, denn er entstehe ohne jeden Grund, so Rebbetzin Yemima im Gespräch mit BR24. Auf die Frage, was sie demjenigen sagen würde, der diesen Post verbreitet hat, antwortet sie: "Ich würde der Person gar nichts sagen. Denn Worte sind hier zwecklos. Aber allein, wenn die Person mein Gesicht sähe, das würde etwas bewirken. Wenn ich die Person treffen würde und sie könnte mein Gesicht sehen, dann würde sie mich nicht so sehr hassen."

Yemima Mizrachi war zuletzt in München. Dort ist der Sitz der Europäischen Rabbinerkonferenz. Gemeinsam mit anderen Rabbinerfrauen aus Europa setzt sie sich für Religionsfreiheit und den interreligiösen Dialog ein, um der wachsenden Radikalisierung in Politik und Gesellschaft entgegenzutreten.

Islamisch-Bosnische Gemeinschaft in Würzburg wiegelt ab

Midhat Celic, Vorstand der Islamisch-Bosnischen Gemeinschaft in Würzburg, versucht den Post auf Anfrage von BR24 zu erklären: "Wir haben festgestellt, dass dieser unter Umständen missverstanden werden könnte, und es ist uns ein Anliegen, dies zu klären." Es sei wichtig zu betonen, dass der besagte Beitrag in keiner Weise antisemitisch gemeint sei. Man distanziere sich ausdrücklich von jeglicher Gewalt gegenüber Menschen und setze sich für Toleranz und Respekt in der Gemeinschaft ein. "Wir wollen lediglich auf die Situation in Palästina und Israel aufmerksam machen", so Celic. Unerwähnt lässt Celic, dass die Moschee den mehrmals gelikten Post erst nach der Anfrage von BR24 gelöscht hat.

Die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland e.V. (IGBD) will den Fall überprüfen und in "ein internes Verfahren zur Feststellung einer möglichen Verantwortlichkeit einführen". Man gehe davon aus, es handele sich um einen Einzelfall. Dieser spiegele nicht die Ansichten der IGBD oder unserer Mitglieder wider.

Eingangsbereich der  Islamisch-Bosnischen Gemeinschaft in Würzburg.
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Eingangsbereich der Islamisch-Bosnischen Gemeinschaft in Würzburg.

Antisemitismusexperte: Ein Posting "voller Gewalt"

Der Pädagoge Burak Yilmaz, der die Bundesregierung bei Fragen zu Antisemitismus berät und der 2018 für sein Engagement gegen Antisemitismus das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, ist über das Posting der Moschee "sehr schockiert". Wenn in dieser Rede, in der die Gemeinde auf ein Feindbild eingeschworen wird, wenn es dort Vernichtungsfantasien gibt – und man Gott darum bittet, Israel zu zerstören, dann ist diese Rede voller Gewalt und vermittelt Vorurteile, die wiederum zu Gewalt führen können", so Yilmaz.

Es werde ein "jüdisches Feindbild markiert, und dieses Feindbild wird religiös begründet", erklärt der Pädagoge. Über das jüdische Feindbild werde versucht, "muslimische Identität" zu stiften. Der Grund, warum man Gott um Bestrafung bittet, der liegt Yilmaz zufolge darin, "dass Gott die maximale Zerstörung anrichten kann, und zwar so, dass nur noch Schutt und Asche übrig bleibt. Also keine Armee der Welt hat die Kraft eines Gottes, der alles erschaffen, aber auch alles zugrunde richten kann."

Bayerischer Verfassungsschutz wertet Post als antisemitisch

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet die Moschee nicht, kommentiert aber auf Anfrage das Posting. Da für die Vernichtung der Juden gebetet würde, "enthält der Post antisemitische Passagen", so ein Sprecher des Verfassungsschutzes. Als Israel bezogenen Antisemitismus bewertet das LfV auch die Aussage, es sollten die "feindlichen Zionisten" sowie ihre Unterstützer bestraft werden, wie es in dem Post heißt.

Umstrittenes Posting eines Münchner Imams

Für ein umstrittenes Facebook-Posting hatte vor einigen Wochen der Imam des Islamischen Zentrums in München gesorgt. Er hatte am 7. Oktober, dem Tag des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel, auf seiner Facebook-Seite geschrieben: "Jeder hat seine eigene Art, den Oktober zu feiern." Hinter den Post hatte er ein Smiley gesetzt.

Anfang November reagierte die Moschee und suspendierte den Imam bis zur Klärung der Vorwürfe. Zudem distanzierte sich der Vorstand des Islamischen Zentrums im Münchner Stadtteil Freimann von dem Facebook-Posting.

Am 8. November nahm der Imam selbst auf Facebook Stellung. Der Post sei in der Dynamik der sozialen Medien, hier Facebook, entstanden: "Der 6. Oktober ist in Ägypten ein Nationalfeiertag, in Erinnerung an den Krieg zwischen Ägypten und Israel vom 6. Oktober 1973." Weiter schrieb er: "Als ich am 7. Oktober bei einigen arabischsprachigen FB-Freunden gelesen habe, dass den Palästinensern etwas Großes gegen Israel gelungen sei, fiel mir der 'lustige' bzw. 'sarkastische' Satz im Arabischen ein: 'Jeder hat seine Art, den Oktober zu feiern'." Und weil der Satz als "lustig" und "sarkastisch" verstanden werden sollte, habe er einen Smiley dahinter gesetzt. "Mit Oktober feiern ist also der 6. Oktober, der Nationalfeiertag, gemeint", so der Imam. "Zu dem Zeitpunkt waren mir weder die Ereignisse des 7. Oktober noch ihre Tragweite ganz bewusst." Unter seine Stellungnahme setzte er einen Screenshot des kritisierten Posts.

Suspendierung aufgehoben

Trotz dieser fragwürdigen Erklärungsversuche hat das Islamische Zentrum Freimann die Suspendierung des Imams wieder aufgehoben. "Gemeinsam mit unserem Imam bekräftigen wir unsere Verurteilung jeglicher Angriffe auf Zivilpersonen. In bewaffneten Konflikten sind diese nach internationalem Recht und auch nach unserem Religionsverständnis nicht zulässig", teilt die Moschee auf ihrer Website mit. Die Moschee erinnert zudem an ihre Vorbildfunktion: "Daher ist es besonders wichtig, Botschaften – auch wenn sie auf unseren privaten Social Media Accounts getätigt werden – so eindeutig zu formulieren, dass keine Missverständnisse entstehen."

Niemand dürfe wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft Diskriminierung oder gar Gewalt erleiden: "Diesem müssen wir uns alle gemeinsam entschieden entgegenstellen. Zusammen mit allen Friedliebenden beten wir für Frieden und Gerechtigkeit in Palästina und Israel."

Gegen den Imam wird wegen des Postings ermittelt. Laut Generalstaatsanwaltschaft München besteht der Anfangsverdacht der Billigung von Straftaten. Ob der nachträgliche Erklärungsversuch den Imam vor Strafverfolgung schützt, bleibt abzuwarten.

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