Bei einer Razzia führen vermummte Polizisten Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug.
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Vor einem Jahr: Bei einer Razzia führen vermummte Polizisten Heinrich XIII Prinz Reuß (r) zu einem Polizeifahrzeug.

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Anklage gegen Verschwörer-Gruppe um Prinz Reuß erhoben

Sie sollen geplant haben, das demokratische System mit Gewalt zu stürzen: Vor einem Jahr flog das "Reichsbürger"-Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß bei einer Razzia auf. Das Gründungstreffen fand in Franken statt. Nun wurde Anklage erhoben.

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Es handelt sich um das größte Anti-Terror-Verfahren in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen Mitglieder des Netzwerks sogenannter Reichsbürger um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß erhoben. Ihnen werden die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder die Unterstützung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen, wie die Behörde am Dienstag in Karlsruhe mitteilte.

Die mutmaßlichen Verschwörer sollen einen Staatsstreich geplant haben, um das politische System der Bundesrepublik zu beseitigen und einen neuen Staat nach dem Vorbild des Kaiserreichs von 1871 zu errichten.

Insgesamt 27 Beschuldigte müssen sich verantworten

Drei Oberlandesgerichte sollen sich mit den Anklagen befassen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entscheidet den Angaben zufolge unter anderem darüber, ob es die Anklagen gegen Reuß, die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann und acht weitere Beschuldigte zulässt. Acht Anklagen gibt es zum Oberlandesgericht München, neun vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Ein Verfahren gegen die insgesamt 27 Beschuldigten an einem Ort wäre logistisch nicht möglich gewesen.

Auch Ex-Bundeswehr-Oberst angeklagt

In Frankfurt soll sich auch der ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder aus dem niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau verantworten. In der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft heißt es, der frühere Oberst aus dem Bayerischen Wald gehörte zu den Gründungsmitgliedern der terroristischen Vereinigung. Gemeinsam mit anderen Angeschuldigten habe er Liegenschaften des Deutschen Bundestags in Berlin ausgekundschaftet und aktive Soldaten der Bundeswehr, darunter zwei Generale, für die Ziele der "Reichsbürger" gewinnen wollen. Außerdem – so die Anklage – habe er Waffen und Ausrüstung für den Staatsstreich gekauft und im Januar 2022 den Entwurf einer Erklärung verfasst, mit der die Bundesregierung nach dem geplanten Staatsstreich für abgesetzt erklärt werden sollte.

Gründungstreffen der Verschwörer-Gruppe in Franken

Nach Informationen des gemeinsamen Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten (NN) sind unter den Beschuldigten vier Männer aus Franken: Peter W. aus Hohenmirsberg in der Gemeinde Pottenstein, Thomas T. aus Buch am Wald im Landkreis Ansbach, Tomas M. aus Kirchehrenbach im Kreis Forchheim und Harald P. aus dem Landkreis Schweinfurt, der beruflich oft im Kreis Weißenburg-Gunzenhausen unterwegs war. Die Gründungsversammlung der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung fand demnach im Juli 2021 im Landkreis Ansbach statt, zuhause bei Thomas T., einem der Verhafteten.

Nach Angaben von Ermittlern nahm T., der aus dem Rockermilieu stammt, an mehreren Koordinierungstreffen der Gruppe teil, übernahm die Leitung des selbsternannten Ressorts "Transkommunikation" und absolvierte ein Schießtraining. Zudem soll der Unternehmer die im Auftrag von Heinrich XIII. Prinz Reuß beschafften Satellitentelefone an weitere Verschwörer verteilt haben, um eine abhörsichere Kommunikation der mutmaßlichen Terroristen zu ermöglichen. Schlussendlich sollte auch der Mann aus dem Landkreis Ansbach an dem Angriff auf den Bundestag teilnehmen, so die Ermittler.

Geheimdienstoperationen in Oberfranken

Nach Informationen des BR/NN-Rechercheteams waren die Ermittler vor allem über Peter W. auf die Gruppe um Prinz Reuß gestoßen. Denn W. war bereits vor über eineinhalb Jahren in den Blickpunkt von Terrorfahndern gerückt, als eine Gruppe von weiteren Reichsbürgern und Corona-Maßnahmen-Gegnern aufflog, die mutmaßlich Sprengstoff-Anschläge geplant hatten und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen wollten. Etliche Operationen verschiedener Sicherheitsbehörden und Geheimdienste fokussierten sich in Folge auf den ehemaligen Elite-Soldaten.

Peter W. aus Pottenstein hatte zuletzt in der Fränkischen Schweiz als Survival-Trainer gearbeitet und sich auf seiner Internetseite gerne in Tarnflecken-Kleidung gezeigt. Er nannte sich dort "international ausgebildeter Einzelkämpfer und Jagdkommandoführer" und bot "Krisenvorsorge" an.

Ex-Soldat aus Pottenstein organisierte Schießtrainings

Für die mutmaßliche Terrorgruppe soll er aktive Soldaten der Bundeswehr für Vorhaben der Vereinigung rekrutiert haben. Den Ermittlern zufolge soll er unter anderem mit Harald P. die Liegenschaften des Bundestages ausgekundschaftet haben. Des Weiteren hat W. laut Bundesanwaltschaft ein Schießtraining für mehrere Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe organisiert, "aus dessen Kreis die Einsatzkräfte für den geplanten Angriff auf den Deutschen Bundestag ausgewählt werden sollten". Schließlich beschaffte Peter W. den Ermittlern zufolge erhebliche Mengen an Ausrüstung und Uniformteilen und besaß eine Schusswaffe ohne waffenrechtliche Erlaubnis.

Razzia gegen "Reichsbürger"-Netzwerk vor einem Jahr

Das mutmaßliche Netzwerk war bei einer bundesweiten Razzia am 7. Dezember 2022 aufgedeckt worden. Seine Mitglieder sollen geplant haben, das demokratische System mit Gewalt zu stürzen. Ein Kommando von bis zu 16 Personen habe Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Handschellen abführen sollen, hieß es im März dieses Jahres in einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH).

Einer der Beschuldigten hatte laut BGH nach dem Stand der Ermittlungen in Berlin schon die Örtlichkeiten ausgekundschaftet, Fotos gemacht und eine Namensliste von Politikern, Journalisten und anderen Personen des öffentlichen Lebens erstellt.

Terrorvereinigung wollte offenbar politisches System stürzen

Die ebenfalls festgenommene frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann habe "verschiedene Mitglieder der Vereinigung über Anwesenheitszeiten von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern" informiert. Außerdem habe sie geplant, das Reichstagsgebäude gemeinsam mit einem anderen Beschuldigten zu betreten.

Bei der Razzia am 7. Dezember waren 25 Männer und Frauen festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft führte in dem Komplex zwischenzeitlich 61 Personen als Beschuldigte.

Audio: Terrorverdächtiger auf "Reichsbürger"-Kongress in Bayern

In diesem Hotel in Wemding treffen sich am Freitag Anhänger der Reichsbürger-Bewegung.
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In diesem Hotel in Wemding treffen sich am Freitag Anhänger der Reichsbürger-Bewegung.

Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde am 13.12.2023 um weitere Details zu Beschuldigten aus Bayern ergänzt.

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