Ein grüner Tretschlepper für Kinder mit Anhänger steht in einer Menschenmenge. Protestplakate von Landwirten sind daran befestigt.
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Etwa 100 Kinder waren mit Tretschleppern auf der Bauerndemo in Bad Neustadt an der Saale

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"Instrumentalisiert"? Debatte um Kinder auf Bauerndemo

Bei der Bauerndemo in Bad Neustadt an der Saale am Montag war auch eine separate Kinderaktion angemeldet. Videos davon gingen viral, die Kommentarspalte wirft immer wieder eine Frage auf: Ist das angemessen oder schon Instrumentalisierung?

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Ein Konvoi aus knapp 100 Kindern auf Spielzeug-Trettraktoren bahnte sich am Nachmittag des 8. Januar seinen Weg vom Markt- zum Festplatz im unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale. Viele der Miniaturtraktoren waren wie die großen Vorbilder auf der Bauerndemo mit Protestplakaten versehen, wie "Eines sollst du nie vergessen, ohne Bauern gibt’s kein Essen!".

Die Kinder, größtenteils zwischen drei und zehn Jahre alt, wurden von den bereits versammelten Demonstranten mit Beifall empfangen. Die Kinder lachten, freuten sich über den Beifall – und jedes wurde mit einer Bratwurst für die Teilnahme belohnt.

Diskussionen im Netz: Sollten Kinder aktiv an Demos beteiligt sein?

Nach der Demo verbreiteten sich schnell mehrere Videos von der langen Schlange an Kindertraktoren mit ihren Schildern auf Facebook und X, ehemals Twitter. Zehntausende Male wurde die Videos geteilt und hundertfach kommentiert. Die Meinungen liegen zwischen "mega" und "Diese Kinder sind die Zukunft für Deutschland" bis "nicht akzeptabel" und dem Vorwurf der "Instrumentalisierung" der Kinder. Eine Userin schreibt, sie sei zwiespältig: "Sieht süß aus, aber werden hier die Kinder nicht auch als Mittel zum Zweck missbraucht? Die Eltern wissen, was und warum etwas auf den Plakaten steht. Aber wie viel davon verstehen die Kinder?"

Insgesamt hebt sich die wiederkehrende Frage aus dem Buchstabenwust ab, zu der sich die Geister scheiden: Ist es ein Spiel für die Kinder, das zeigt, für welche Generation der Landwirte etwas auf dem Spiel steht – oder werden Kinder, die sich mit unter zehn Jahren noch kein differenziertes Meinungsbild über wegfallende Agrarsubventionen konstruieren können, instrumentalisiert?

Bauernverband weist Vorwurf der Instrumentalisierung von sich

Die Kinderaktion wurde als separate Veranstaltung ordnungsgemäß angemeldet, also neben der Bauerndemonstration der Erwachsenen, bestätigt Jan Schubert, Polizeichef in Bad Neustadt an der Saale. Grund dafür war, dass sie mobil und nicht stationär verlief. Wie die eigentliche Kundgebung sei aber auch diese störungsfrei verlaufen. Zu keiner der Protestformen äußerte er Bedenken.

Der Kreisverband Rhön-Grabfeld des Bayerischen Bauernverbandes weist in Person von Geschäftsführer Michael Diestel den Gedanken der Instrumentalisierung der Kinder klar von sich: "Es sollte einfach ein Spaß für die Kinder sein, mehr nicht." Bei 1.000 Schleppern und Demonstrierenden sei die Botschaft der Landwirte ohnehin deutlich angekommen, "da hätte es gar keine Kinder gebraucht."

Er verstehe aber, dass diese Bilder in diesem Rahmen auf diese Art bei manchem so ankommen könnten, "das war aber nicht beabsichtigt." Von derart vielen Kindern sei Diestel sogar selbst überrascht gewesen.

Sozialpsychologin: "Von freier Entscheidung kann man nicht sprechen"

Clara Schließler, Sozialpsychologin und Forscherin am Else-Frenkel-Brunswick-Institut für Demokratieforschung der Universität Leipzig, sieht einen Unterschied darin, ob man einem Kind einfach eine Bratwurst verspricht, ohne zu erklären, worum es inhaltlich geht. Oder ob das Kind die Betroffenheit der eigenen Familie und des Hofes spüre und verstehen könne, dass es bei den Protesten um Anliegen geht, die den Eltern wichtig sind.

"Von freier Entscheidung kann man bei einem sechsjährigen Kind, das da mitdemonstriert, zwar nicht sprechen, weil die Grundlagen für eigene politische Meinungsbildung noch nicht entwickelt sind. Aber es ist in dem Sinne auch keine freie Entscheidung, wenn Kinder in die Kirche mitgenommen werden und dort Sternsinger werden", sagt Schließler. Von Instrumentalisierung würde sie deshalb noch nicht sprechen.

Kind auf der Bühne: "Ohne Bauern keine Zukunft"

Und was haben die Kinder selber gesagt? Für ein Gruppenbild kamen viele von ihnen nach der Traktorfahrt auf die Bühne der Kundgebung. Der Versuch von Kreisobmann Matthias Klöffel, eines der Kinder zu fragen, was es denn von den aktuellen Zuständen halte, wurde mit einem langen ratlosen "Ääääh …" beantwortet. Ein Mädchen daneben rief aber laut "Ohne Bauern keine Zukunft" ins Mikrofon, was mit lautem Jubel goutiert wurde. So schnell wie die Kinder auf die Bühne gekommen sind, so schnell waren sie danach auch wieder aus dem Blickfeld verschwunden. Anschließend begann die offizielle Kundgebung der "erwachsenen" Bauern.

Im Video: Tausende Traktoren auf Bayerns Straßen

Demonstrierende Landwirte am 8.1.24 auf dem Münchner Odeonsplatz
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Demonstrierende Landwirte am 8.1.24 auf dem Münchner Odeonsplatz

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