Mann füttert Kühe, die in einem Laufstall mit Stroh stehen
Bildrechte: BR/Christoph Schneider

Nebenerwerbslandwirt Christoph Stiel füttert seine Färsen

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Zukunftsangst unter Landwirten: "...dann machen wir den Hof zu"

Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Lautstark und sichtbar haben Landwirte demonstriert, wie sie eine Gesellschaft lahmlegen können. Ein unterfränkischer Bauer will aufklären und Aufmerksamkeit schaffen: für eine Branche, die zunehmend in Gefahr gerät.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"Heute ist es für einen Tag, aber wenn sich nichts ändert, bleibt der Laden bald komplett zu", sagt Landwirt Christoph Stiel. Er manövriert einen betagten Schlepper vor das "Schlemmereck" in Unterwaldbehrungen im Landkreis Rhön-Grabfeld. Vor zweieinhalb Jahren hat er das Gartenhaus aufgebaut und es als Selbstbedienungsladen eingerichtet. Darin verkauft er Wurst und Fleisch aus eigener Produktion, sowie weitere Produkte aus der Umgebung. Zum ersten Mal ist der 24-Stunden-Shop an diesem 8. Januar zu. Zwei Schlepper verbarrikadieren die Tür und den Parkplatz. Mit dieser Geste beteiligt sich Christoph Stiel aus Oberwaldbehrungen am Protest der Landwirte.

"Subventions-Bonbons" – Landwirt wehrt sich gegen Vorwürfe

Wie viele vor ihm bestätigt auch er, dass die schrittweise Aufhebung des Agrardiesels nicht das Ende für seinen Betrieb bedeuten würde. Er wehrt sich aber gegen Vorwürfe, dass die Bauern damit nur eines von vielen Subventions-Bonbons verlieren würden. Speziell im Falle des Agrardiesels bekommen die Landwirte bereits eigens gezahlte Steuerabgaben wieder zurückerstattet. "Je nach Betriebsaufstellung fallen hier fünf bis zehn Prozent Gewinn einfach weg." Christoph Stiel betreibt einen familiengeführten Hof im Nebenerwerb: ein Mastbetrieb mit 70 weiblichen Rindern, sogenannten Färsen, dazu noch 90 Hektar Grün- und Ackerflächen. 2.000 Euro würde ihn der Wegfall des Agrardiesels kosten.

Vertrauensbruch und viele Auflagen

Die Regierung hatte nach dem bundesweiten Aufschrei der Bauern zurückgerudert: die Kfz-Steuerbefreiung soll bleiben, der Agrardiesel zumindest nicht auf einmal abgeschafft werden. Dass dadurch aber kaum Ruhe eingekehrt ist in der Landwirtschaft, führt er auf eine ganze Reihe von Einschnitten zurück. Die Düngeverordnung, die Flächenstilllegung - alles verbunden mit haufenweise Bürokratie. "Und immer wieder trifft es am härtesten genau die Betriebe, die eigentlich jeder haben will", beklagt er: Familienbetriebe mit überschaubarem Tierbestand und Direktvermarktung.

Dazu kommt, dass die jüngsten Entscheidungen quasi über Nacht und ohne Einbezug von Verbänden getroffen wurden. Für Christoph Stiel ein weiterer Vertrauensbruch zwischen Landwirten und Politikern. Aktionen wie diese nehmen Planungs- und damit auch Existenz-Sicherheit, so Stiel. Wenn es so weiter geht, lohnt es sich vor allem für Nebenerwerbslandwirte nicht mehr, "dann machen wir hier zu und gehen nur noch normal auf die Arbeit".

"Wir Landwirte sind die Sündenböcke"

Zehntausende Landwirte waren alleine in Bayern am 8. Januar auf den Straßen. Dabei ist es unschwer zu erkennen: Die Stimmung unter den Landwirten ist schlecht. Christoph Stiel beklagt, dass die Bauern oft als Buh-Männer dargestellt werden, die die Böden und das Grundwasser für nachfolgende Generationen verseuchen. "Schon in der Schule beginnt das Bauern-Bashing! Dabei haben doch gerade wir Landwirte das größte Interesse daran, unsere Böden langfristig bewirtschaften zu können." Dabei fordert er im Gegenzug auch mehr offene Türen bei seinen Kollegen. Mehr Landwirte müssten seiner Meinung nach das Berufsbild nach außen tragen und sich dabei auch kritischen Fragen stellen. Verlässliche Aussagen der Politik, eine Gesellschaft, die auf die Landwirte zugeht und andersherum – immer auf Augenhöhe. Das ist der Wunsch von Landwirt Christoph Stiel.

Stimmung am Kipp-Punkt – Protest bleibt friedlich

Auf einen friedlichen Dialog zwischen Landwirten, Politikern und Gesellschaft hofft auch Matthias Klöffel, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Rhön-Grabfeld. Er eröffnete am Montagnachmittag die Kundgebung auf dem Festplatz in Bad Neustadt an der Saale. "Wir müssen gemeinsam aufstehen, um etwas zu bewegen." Schätzungsweise 1.000 Schlepper sind teilweise schon seit den frühen Morgenstunden in Sternfahrten nach Bad Neustadt gekommen. Die Schlepper fuhren dabei oft nur in Schrittgeschwindigkeit und sorgten für massive Einschränkungen, vor allem im Schüler- und Berufsverkehr. Wie die Polizei auf Nachfrage von BR24 bestätigte, blieben aber alle Aktionen friedlich und waren ordnungsgemäß angemeldet. Einzelne spontane Versammlungen hielten sich an die angeordneten Auflagen. Untersucht werde laut Polizei ein Fall, bei dem eine Ampel an einem Galgen hängend an einem Traktor montiert war.

Bauernverband: Miteinander statt gegeneinander

Stellvertretend für den Bauernverband fordert Klöffel eine neue Grundhaltung der Gesellschaft und der Politik zu ihren Bauern. Auch wenn er, ähnlich wie Christoph Stiel, die Art und Weise der Ankündigung der aktuellen Maßnahmen der Regierung kritisiert, hält er es für sinnvoller, den Dialog zu suchen, als den Bruch zu provozieren. Wie der BBV-Präsident Günther Felßner bei der Kundgebung in München, distanzierte sich auch Matthias Klöffel in Bad Neustadt von Extremismus und illegalen Aktionen. "Es geht nur Miteinander." Eine Forderung an beide Seiten, die Politik und die Landwirte. Denn wichtig sei es, bei all dem Unmut den Bogen nicht zu überspannen, "weil wir den Verbraucher auf unserer Seite brauchen".

Bildrechte: BR/Christoph Schneider
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Ausgeschlemmt: Selbstbedienungsladen als Protest mit Schleppern versperrt

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!