09.12.2021: Bayerns Ministerpräsident Söder spricht im Landtag während einer Plenarsitzung vor und zu den Abgeordneten.
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09.12.2021: Bayerns Ministerpräsident Söder spricht im Landtag während einer Plenarsitzung vor und zu den Abgeordneten.

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Corona, Ampel & Co: Was Bayerns Politik 2022 beschäftigt

Immer wieder Corona, dazu die neue Bundesregierung und ein ins Blickfeld rückender Wahltermin: Die bayerischen Landtagsfraktionen starten unter teils neuen Vorzeichen ins Jahr 2022. Was wichtig wird - eine Analyse.

Die Corona-Pandemie geht in ihr drittes Jahr - und wirbelt weiter auch den politischen Terminkalender in Bayern durcheinander. Die traditionelle Winterklausur der CSU-Landesgruppe Anfang Januar? Verschoben auf Anfang Februar, wegen mehrerer Corona-Fälle. Das eigentlich dreitägige Treffen der Landtags-Grünen in Bayreuth Mitte des Monats? Vorerst eingedampft auf einen Tag digitale Klausur, mit abgespecktem Programm.

Andere Fraktionen halten an ihren Präsenzveranstaltungen fest. Das wollten auch die Freien Wähler (FW) - aber nur bis Dienstagabend. Dann teilte die Fraktionsspitze mit: Es gab mehrere positive PCR-Tests bei Abgeordneten und Mitarbeitern, Klausur abgesagt und verschoben. "Die aktuelle Corona-Lage wird uns beschäftigen", hatte FW-Fraktionschef Florian Streibl vor der Absage mitgeteilt. "Doch der Bürger hat uns auch mit der Lösung vieler anderer landespolitischer Aufgaben betraut. Darauf wollen wir uns im neuen Jahr verstärkt konzentrieren." Die Klausur soll nun im Frühjahr nachgeholt werden.

Den von Streibl skizzierten Spagat versuchen die meisten Landtagsfraktionen bei ihren traditionellen Wintertreffen: Die Pandemie nicht ignorieren, aber den Blick endlich weiten. Was in Sachen Corona-Politik wichtig ist, welche Rolle die neue Machtverteilung im Bund für Bayern spielt, wie die Fraktionen sich Richtung Landtagswahl 2023 aufstellen - ein Überblick.

Corona und kein Ende?

Aktuell steht die Corona-Lage wieder im Mittelpunkt. Die Infektionszahlen steigen - und auch wenn die Omikron-Variante wohl oft mildere Verläufe mit sich bringt, warnen viele Experten nachdrücklich vor der schieren Menge an Neuinfektionen und den Folgen. Beschäftigen wird die Pandemie-Politik alle Fraktionen - aber mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Während die AfD weiter Fundamental-Opposition betreibt, gibt es bei Grünen, SPD und FDP Zwischentöne. Und die CSU steht möglicherweise vor einem moderaten Kurswechsel.

Denn bisher rühmte sich Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seiner vergleichsweise strengen Corona-Linie, marketinggerecht verpackt im Slogan "Team Vorsicht und Umsicht". Seit kurzem rechnet sich Söder allerdings auch dem "Team Augenmaß" zu. Beispiel: Bayerns vorläufige Ablehnung von 2G plus in der Gastronomie, eigentlich bundesweit vorgesehen, im Freistaat aber besonders vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga vehement bekämpft. Andererseits ist Bayern in einigen Bereichen strenger als andere Bundesländer - Clubs und Bars sind zu, bei Kulturveranstaltungen müssen drei von vier Plätzen frei bleiben, es herrscht eine weitreichende FFP2-Maskenpflicht.

Söders angedeutete leichte Anpassung (ob nun rhetorisch oder inhaltlich) könnte auch einem gewissen Grummeln in der CSU-Landtagsfraktion geschuldet sein. In deren Programm für die Klausurtagung in der kommenden Woche taucht das Wort Corona zwar kein einziges Mal auf, die Pandemie-Politik dürfte aber durchaus für Gesprächsstoff sorgen - etwa rund um den Vortrag der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, Professorin an der Uni Erlangen-Nürnberg: "Chancen und Risiken der aktuellen Wirtschaftspolitik". Erfahrungsgemäß ist auch gut möglich, dass Söder in seiner Rede vor den Abgeordneten die eine oder andere Corona-Neuerung bekanntgibt.

AfD gegen alle Corona-Maßnahmen

Die AfD-Fraktion stellt die Corona-Politik dagegen in den Mittelpunkt ihres Treffens kommende Woche. Bemerkenswert ist, dass die Abgeordneten überhaupt zusammenkommen - vergangenen Winter fiel die AfD-Klausur aus, weil die Fraktion zerstritten war. "Es wurde und wird weiterhin massiv in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen, wobei Ministerpräsident Söder in Bayern ein besonders restriktives Corona-Regime verfolgt", teilt Fraktionschef Christian Klingen mit. "In den letzten Monaten kristallisierte sich immer mehr heraus, dass die Corona-Maßnahmen überzogen und eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen sind."

Auch bei den Grünen geht es am 21. Januar um die Pandemie: Laut Fraktionschefin Katharina Schulze soll besonders die Situation von Kindern und Jugendlichen im Fokus stehen. "Bei der Pandemie-Bekämpfung müssen Erwachsene mehr schultern", sagt Schulze. Und die Sozialdemokraten? Mahnten die Staatsregierung zuletzt, bundesweit vereinbarte Beschlüsse in Bayern auch umzusetzen. Bleibt die FDP: Die Liberalen um Fraktions- und Landeschef Martin Hagern werben weiter für einen moderateren Corona-Kurs, betonen gleichzeitig, wie wichtig Booster-Impfungen seien. Spannend ist, ob sich die Landtagsfraktion klar in Sachen Impfpflicht positioniert - oder diese bei den Liberalen besonders heikle Debatte den FDP-Bundestagsabgeordneten überlässt.

Ampel-Träume auch in Bayern?

Es ist eine Premiere in Bayern: Erstmals sind im Landtag drei Parteien in der Opposition, die gleichzeitig die aktuelle Bundesregierung stellen. Allerdings gehen SPD, Grüne und FDP im Freistaat bisher unterschiedlich mit dieser Situation um. Die Sozialdemokraten halten ein Ampel-Bündnis durchaus für ein Vorbild für Bayern, wie Fraktionschef Florian von Brunn auf BR-Anfrage sagt. Er spricht von einer "guten Arbeitsteilung" und einem problemlosen Umgang. Tatsächlich arbeiten die drei Fraktionen auch in Bayern bereits in mehreren Bereichen eng zusammen, etwa im Untersuchungsausschuss zur Masken-Affäre oder bei gesellschaftspolitischen Fragen.

Trotzdem wollen Grüne und FDP nicht auf eine Ampel-Strategie für die bayerische Landespolitik setzen. Eigenes Profil schärfen, bestmögliches Ergebnis holen, nach der Wahl mitregieren - das ist von den Landtags-Grünen zu hören. Und FDP-Fraktionschef Hagen betonte bereits mehrfach, dass seine Partei in einigen Bereichen weiter mit der CSU mehr Schnittmengen habe. Ihre Freude über die Regierungsbeteiligung im Bund versteckt Grünen-Fraktionschefin Schulze dagegen nicht: Man werde sich bei der Kurzklausur natürlich auch die "Verzwergung der CSU mit ihrer neuen Rolle in der Opposition auf Bundesebene" anschauen, kündigt sie an.

Eigene thematische Schwerpunkte?

Jenseits von Corona wollen die Fraktionen mit eigenen Themen punkten. Die Freien Wähler wollten sich bei ihrer dann kurzfristig verschobenen Klausur mit Bildung und Pflege beschäftigen: Was tun gegen den Bewegungsmangel bei Schülerinnen und Schülern, was tun gegen den Personalmangel bei den Pflegekräften? Die SPD besinnt sich auf ihren inhaltlichen Kern: Arbeit und soziale Gerechtigkeit, Kampf gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, bezahlbares Wohnen und Mieterschutz, Gesundheitsversorgung. Bei der AfD geht es neben Corona um die "die katastrophale Energie- und Klimapolitik der CSU" und um eigene energiepolitische Vorschläge.

Während bei der FDP die Bildungspolitik im Mittelpunkt steht, liest sich das Programm der Christsozialen wie ein Best-of klassischer CSU-Themen: BND-Präsident Bruno Kahl soll über aktuelle Herausforderungen für seinen Nachrichtendienst sprechen, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die Zukunft der Europäischen Union, der Industrie-Vorsitzende Sigfried Russwurm über "Die Industrie vor neuen Herausforderungen". Eigentlich wollten sich auch die Grünen mit Wirtschaftspolitik beschäftigen, die dazu geplante Klausur mit Vorträgen und Gästen soll jetzt im April nachgeholt werden.

Landtagswahl 2023: Erste Weichenstellungen?

Mitten in die Klausuren-Zeit fällt kommende Woche eine mit Spannung erwartete Umfrage: der nächste BR-BayernTrend am 19. Januar samt Sonntagsfrage zur Landtagswahl. Während die SPD auch im Freistaat auf einen Kanzlerbonus hofft, wird sich bei der repräsentativen Umfrage auch zeigen, wie sich die neue bundesweite Oppositionsrolle der CSU auf das politische Stimmungsbild in Bayern auswirkt. Klar ist: Nach ihrem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl (31,7 Prozent) stehen die Christsozialen mit Blick auf die für die Partei extrem wichtige Landtagswahl unter Druck.

Jenseits inhaltlicher Akzente ist es bei den Klausuren für grundlegende, wahltaktische Entscheidungen noch zu früh. Spitzenkandidaten? Werden später bekanntgegeben - allerdings kann man in Bayern erst ab 40 Jahren das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen, was etwa Grünen-Fraktionschefin Schulze (36) als alleinige Spitzenkandidatin wohl ausschließt. Die SPD will sich offenbar bis spätestens Herbst und damit mindestens ein Jahr vor der Wahl festlegen, eine Lehre aus der früh ausgerufenen Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. Dass CSU-Ministerpräsident Markus Söder ein weiteres Mal antritt, gilt derweil als sicher.

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