Ministerpräsident Söder im Hofgarten vor der Staatskanzlei in München, aufgenommen am 10.07.19.
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Ministerpräsident Söder im Hofgarten vor der Staatskanzlei in München, aufgenommen am 10.07.19.

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Bienen, Wälder, Solardächer: Markus, der Grüne?

Vor der Corona-Krise setzte Markus Söder besonders auf vermeintlich grüne Themen. Mit der zuletzt verkündeten Fotovoltaik-Offensive nimmt er diesen Faden wieder auf. Wie steht es um die Ergrünung des Ministerpräsidenten und CSU-Chefs? Eine Analyse.

Da standen sie also, der Ministerpräsident und der Baum. Es war im vergangenen Sommer, Corona war eine mexikanische Biermarke und keine weltweite Pandemie - und Markus Söder hatte den Umwelt- und Klimaschutz längst als neues Thema ausgemacht. Im Hofgarten vor der Staatskanzlei in München umarmte er für die Pressefotografen behutsam eine Platane, und weil Söder das Spiel mit den Bildern perfektioniert hat, war das natürlich eine sehr bewusste Annäherung.

Die Botschaft war klar: Die CSU und der Freistaat, allen voran der Parteichef und Ministerpräsident, haben den Ernst der Lage beim Klimaschutz endgültig erkannt. Und tatsächlich gab es in Bayern im vergangenen Jahr politische Entscheidungen, die teils für großes Erstaunen sorgten. Die auch für die eigene Fraktion überraschende Übernahme des erfolgreichen Artenschutz-Volksbegehrens samt des von Söder in Kauf genommenen Unmuts bei vielen Landwirten. Die Ankündigung, bis 2023 insgesamt 30 Millionen neue Bäume im Freistaat zu pflanzen, fünf Millionen Setzlinge mehr als ursprünglich vorgesehen. Der Plan, mehr Windräder in den Staatsforsten aufzustellen - um nur einige Beispiele zu nennen.

Söder: Klimaschutz als "Jahrhundertaufgabe"

Fast konnte man meinen - um Söders Faible für das Science-Fiction-Epos "Star Trek" aufzugreifen - die Grünen hätten heimlich den Kommandostab in der Staatskanzlei übernommen. Aber natürlich war das Gegenteil richtig. Söder hatte schlicht für sich erkannt, dass der Klimawandel die vielleicht größte Herausforderung der kommenden Jahre (und wohl des kommenden Bundestagswahlkampfs) darstellen dürfte. Und in seiner Rolle als CSU-Chef war ihm auch nicht entgangen, dass bei der Landtagswahl 2018 rund 190.000 Menschen nicht mehr wie früher seine Partei, sondern die Grünen gewählt hatten.

Was aber hat sich im vergangenen Jahr inhaltlich getan? Das bayerische Artenschutz-Paket wird umgesetzt, zuletzt haben die Initiatoren ein gemischtes Fazit gezogen. Während manche mehr Maßnahmen zur Förderung des Bio-Absatzes fordern, registrieren andere schon jetzt mehr Waldnaturschutz sowie mehr Blühflächen im Freistaat - und damit bessere Lebensbedingungen zum Beispiel für Wildbienen. Ärger gibt es unter anderem über die von CSU und Freien Wählern beschlossenen Kriterien für Streuobstwiesen als Biotope. Ob die bayerischen Maßnahmen reichen, um die Artenvielfalt zu retten? Für ein abschließendes Fazit ist es zu früh.

Bäume: Grüne kritisieren "vollmundige Ankündigung"

Das gilt auch für die angekündigte Wald-Offensive. Bäume wachsen langsam - und von den fünf Millionen Extra-Setzlingen, die Söder bis 2023 angekündigt hat, ist bisher keiner gepflanzt. Im Herbst soll es losgehen, nach der mittlerweile abgeschlossenen Klärung der "förderrechtlichen Voraussetzungen" durch die EU-Kommission, wie es zuletzt aus dem bayerischen Forstministerium auf BR-Anfrage hieß.

Für die Landtags-Grünen kommt die Aufforstung zu langsam in Schwung. "Wenn zwischen vollmundiger Verkündung und Beginn der Umsetzung einer Söder-Maßnahme mehr als ein Jahr vergeht, sind Reden und Handeln nicht mehr im Einklang", sagte Fraktionschef Ludwig Hartmann vor einigen Wochen dem BR. Nun legte er nach: Ohnehin dürfte die Zahl der "durch die Klimaüberhitzung" verlorenen Bäume deutlich über den zusätzlich geplanten liegen. Die Staatskanzlei teilte dagegen auf BR-Anfrage mit: Das Bäume-Programm sei im Zeitplan. Und im Sommer würden "grundsätzlich keine Bäume gepflanzt, da sie sonst vertrocknen würden".

Wenig Windkraft, viel Solarenergie?

Bei den angekündigten Windrädern im Staatswald lautet der aktuelle Status ebenfalls: in Vorbereitung. Momentan soll eine Analyse mögliche Standorte klären - 100 neue Windräder in den Staatsforsten hatte Söder bis Ende 2021 angekündigt. Ob sie bis dahin wirklich stehen, halten Experten für fraglich. Ohnehin halten Windkraft-Befürworter in Bayern der CSU einen anderen großen Kritikpunkt entgegen: die umstrittene 10H-Regel, wonach Windräder den zehnfachen Abstand ihrer Höhe zur Wohnbebauung einhalten müssen.

Söder wiederum präsentierte zuletzt weitere Maßnahmen zum Klimaschutz. Mit dem Slogan "Bayern ist Sonnenland" kündigte er eine Photovoltaik-Offensive für den Freistaat an. Der ehrgeizige Plan greift eine langjährige Grünen-Forderung auf: Schon kommendes Jahr soll es im Freistaat eine Photovoltaik-Pflicht für gewerbliche Neubauten geben, ab 2022 wohl auch für private Häuslebauer. Laut der Staatskanzlei will Bayern bis 2025 den Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung auf rund 70 Prozent steigern.

Das von Söder für Bayern angekündigte "modernste Klimaschutzgesetz in Deutschland" dauert derweil noch. Zuletzt hatte der Gemeindetag einen ambitionierteren Gesetzentwurf als den bisherigen gefordert. Entschieden ist dagegen: Der Nationalpark Bayerischer Wald soll nach dem Willen der Staatsregierung erweitert werden. Einem dritten Nationalpark in Bayern - wie ihn die Grünen und viele Umweltschützer fordern - hat Söder schon länger eine Absage erteilt.

Viele Maßnahmen, viele Zuständigkeiten

Weil der CSU-Chef und Ministerpräsident vor der Corona-Krise viele Maßnahmen und Ideen beim Klimaschutz präsentiert hat, ist ein vollständiger Zwischenstand nicht ganz leicht. Das von ihm (und vorher auch von anderen) geforderte Verbot von Einwegplastik? Wurde von der Bundesregierung auf den Weg gebracht, auch als Reaktion auf einen EU-Beschluss. Ein früherer deutscher Kohle-Ausstieg als im Jahr 2038 ist dagegen vorerst vom Tisch. Und das Ziel, Klimaschutz als Staatsziel in die bayerische Verfassung zu schreiben? Scheitert laut der Staatsregierung an der Opposition - die umgekehrt das gleiche sagt.

Ohnehin hätten entsprechende Sätze in der Verfassung vor allem einen symbolischen Wert. Wobei Symbolik beim Klimaschutz durchaus auch zur Strategie der Söder-Regierung gehört. Zwischenzeitlich verging fast keine Woche, ohne dass Redaktionen dazu eingeladen wurden, bayerischen Ministern beim Säen von Blühstreifen beizuwohnen, etwa an Bundesstraßen. Auch die von Söder angekündigte Umrüstung der bayerischen Regierungsflotte auf E-Autos dürfte in erster Linie als Zeichen gedacht sein.

Naturschützer zuletzt unzufrieden

Und klar: Nicht alle Akteure stimmt die Klimaschutz-Politik der Staatsregierung zufrieden. Grünen-Fraktionschef Hartmann erklärte auf BR-Anfrage: "Für uns Grüne ist Umwelt- und Klimaschutz seit jeher Herzenssache, für die CSU eher notwendiges Übel - und für Markus Söder ein politisches Spielfeld, auf dem er Wählerstimmen erobern will." Harsche Kritik gab es Ende des vergangenen Jahres auch vom Bund Naturschutz. Der Vorwurf: Söder betreibe bis auf das durch das Volksbegehren "erzwungene Interesse" am Artenschutz lediglich Symbolpolitik.

In der CSU-Landtagsfraktion gibt es dagegen keinen offenen Widerspruch. Der "Münchner Merkur" berichtete zuletzt lediglich von "ersten leisen Stimmen", das Thema Klimaschutz vielleicht doch nicht so ehrgeizig anzugehen. Davon offenkundig unbeirrt klingt Söder innerparteilich wieder wie im vergangenen Jahr. Auf dem virtuellen Parteitag der Oberbayern-CSU erklärte der Parteichef am Donnerstag: "Noch gefährlicher als Corona ist das, was wir im Ökologischen erleben mit dem Klimawandel." Deshalb dürfe man das Thema "nicht ideologischen Gruppen überlassen", betonte er. "Sondern es muss unser Kernthema sein."

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