Zwei Mädchen sitzen an digitalen Endgeräten und lernen für die Schule
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Zwei Mädchen sitzen an digitalen Endgeräten und lernen für die Schule

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BayernCloud: Digitale Traumschule oder Millionengrab?

Die BayernCloud will sämtliche schulischen Digitalangebote bündeln. Kritik daran kommt von FDP und Lehrerverband: zu teuer, zu wenig Wettbewerb und warum nicht auf Etabliertes zurückgreifen? 300 Millionen Euro will die Staatsregierung ausgeben.

Aus Macher-Sicht soll die "BayernCloud Schule" so etwas wie eine digitale Traumschule werden. Ein Angebot für Schüler, Lehrer und Eltern, mit dessen Hilfe digital gelernt, kommuniziert, zusammengearbeitet werden kann. Einiges davon ist bereits realisiert, jetzt fehlt noch die letzte Ausbaustufe: Dienstmails für Lehrer, ein Videokonferenztool und ein Cloud-Speicher - das alles unter einem Dach.

Für Martin Schmid, den Vorsitzenden des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbands, sieht eine gelungene digitale Schule anders aus. Er bezeichnet die BayernCloud sogar als "absolute Mogelpackung": "Es ist nur ein Geschenkpapier, in dem Mebis und Visavid (die bisherigen digitalen Plattformen und Anwendungen für bayerische Schulen, Anm. d. Redaktion) eingewickelt sind", erklärt Schmid. "Das Erste ist ein Tool aus dem digitalen Mittelalter, das Zweite ist ein Videotool, das unter Last zusammenbricht und auch schon gehackt wurde."

  • Zum Artikel: Bayerns Gymnasiallehrer hadern mit Digitalisierung

FDP: BayernCloud ist ein Millionengrab

Schmid ärgert sich darüber, dass der Kultusminister den Bildungssektor für ein Experimentierfeld hält. Er frage sich, warum die Kinder und Jugendlichen und auch die Lehrer nicht mit der besten digitalen Ausstattung arbeiten könnten, die es bereits gebe und mit der sie umgehen könnten - beispielsweise die Anwendung "Teams" von Microsoft. Genau diese Fragen stellt sich auch Matthias Fischbach , der bildungspolitische Sprecher der Landtags-FDP. Er befürchtet, dass die BayernCloud zu einem Millionengrab wird. So wie das bei anderen Projekten des Kultusministeriums auch der Fall gewesen sei, sagt Fischbach.

Sein Vorwurf: Das Kultusministerium schreibe im Detail etwas vor, versuche sich als Softwareproduzent. Aber alles dauere viel zu lange und koste deutlich mehr als geplant. Für den FDP-Politiker ist das Schulprojekt nur ein schlechter Kompromiss. Eine Lösung für alle Schularten und für alle Schulen zwischen Berchtesgaden und Würzburg, das könne nicht sein. Grundschulen hätten andere Anforderungen an eine derartige Plattform als Berufsschulen oder Gymnasien.

Grüne: Unterrichtsmaterialen austauschen bayernweit sinnvoll

Max Deisenhofer, Digital-Experte der Grünen im Landtag, sieht durchaus auch Vorteile der BayernCloud. In manchen Bereichen sei es sinnvoll, etwas bayern- oder deutschlandweit festzulegen. Der Satz des Pythagoras könne Schülern in Schwaben genauso erklärt werden wie Schülern in Franken, so Deisenhofer.

  • Zum Artikel: "Unsere naive Digitalisierung zerstört die Schul-Bildung"

Vorbild Dänemark

FDP-Politiker Fischbach sieht den Staat nicht in der Lage, millionenschwere IT-Projekte selbst zu stemmen. Da fehle dem Kultusministerium einfach das Expertenwissen. Fischbachs Ideal: Dänemark. Erst kürzlich habe sich der Bildungsausschuss des Landtags davon ein Bild machen können, wie im Nachbarland digital gearbeitet werde. Anstatt ein Großprojekt wie die BayernCloud komplett einem Anbieter zu überlassen, werden laut Fischbach nur Einzelanwendungen vergeben. So werde der Wettbewerb garantiert und jede Schule könne gemäß ihren Bedürfnissen bedient werden.

Kultusminister: BayernCloud ist ein Kann, kein Muss

Das Kultusministerium will die BayernCloud als ein kostenloses Angebot verstanden wissen. Wer wolle, könne sie nutzen. Wer das nicht wolle, dem stehe selbstverständlich frei, auf andere Software-Lösungen zu setzen, teilt das Ministerium mit. Das bedeutet aber auch: Wer eigene Lösungen will, der muss die über seinen Sachaufwandsträger finanzieren lassen. Gerade in der aktuellen Situation ist das aber für viele Kommunen kaum machbar.

Auch Tobias Gotthardt, der stellvertretende Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag, kann die Kritik der FDP nicht nachvollziehen. Sie entbehre jeder Grundlage, sagt Gotthardt. Man sei doch gerade dabei, eine Schnittstelle zur Wirtschaft zu schaffen. Mit dem Ziel, ein modernes digitales Schulhaus zu kreieren, sagt der Freie-Wähler-Politiker. Wichtig sei, dass Sicherheit und Qualität garantiert seien. Den Rest könne der freie Markt übernehmen. Mit einer Schnittstelle, die dafür sorge, dass man in Bayern auf die besten Angebote zurückgreifen könne.

Made in Bavaria - bitte nicht?

Den Vorsitzenden des Münchner Lehrerverbands, Martin Schmid, überzeugen diese Argumente nicht. Von der bisher angedachten Lösung des Kultusministeriums "made in Bavaria" hält er nichts. Sein Urteil fällt vernichtend aus: "Das wäre im Vergleich so, wie wenn Nordkorea anfangen würde, einen 7er BMW zu bauen. Da würde bestimmt ein fahrbarer Untersatz dabei herauskommen, aber bestimmt kein Auto, in das wir unsere Kinder gerne setzen würden."

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