Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm, beide Landtagsabgeordnete der AfD, wurden von der AfD Bayern als Spitzenkandidaten-Duo für die Landtagswahl am 8. Oktober gewählt.
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Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm, Landtagsabgeordnete der AfD, wurden von der AfD Bayern als Spitzenkandidaten-Duo gewählt.

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AfD-Spitzenkandidaten: "Rechte Hardliner auf Stimmenfang"

Mit Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm schickt die AfD zwei Rechtsaußen als Kandidaten in den Wahlkampf. Beide fallen mit radikalen Äußerungen auf, die nicht im AfD-Wahlprogramm stehen. Ein Porträt.

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Die Kulisse wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit: Unter einem gläsernen Kronleuchter und neben einer alten Nähmaschine stellt die bayerische AfD Ende Juli ihr Programm für die Landtagswahl vor, mit dem sie die Zukunft gestalten will. Der Grund für den skurrilen Ort der Pressekonferenz: Die Verantwortlichen hatten erst wenige Stunden vor dem im Landtag angesetzten Termin erfahren, dass Parteiveranstaltungen im Parlament nicht abgehalten werden dürfen. Darum geht es provisorisch in den in die Jahre gekommenen Frühstückraum eines Münchner Hotels. Dort sitzen neben dem AfD-Landesvorsitzenden Stephan Protschka die beiden Personen, die der AfD im Herbst ein Rekordergebnis bescheren sollen: Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm.

Radikale Sprüche, die verfangen sollen

Beide zeigen beim Presse-Vorstellungstermin schnell, was sie vom eigenen Wahlprogramm halten: nicht viel. Ebner-Steiner umreißt mit scharfen Tönen ihre Vorstellung einer resoluten Migrationspolitik: Alle abgelehnten Asylbewerber binnen eines halben Jahres aus Bayern hinauswerfen. Martin Böhm spricht über getrennte Grundschulklassen - Muttersprachlern und Kindern mit Sprachproblemen. Beide Forderungen sind im Wahlprogramm der AfD nicht zu finden.

Um rhetorische Grenzen scheren sich die zwei eher weniger: Auch bei einem Wahlkampfauftritt in München ließ Ebner-Steiner ihrer Abneigung gegen Migranten freien Lauf: Die Spitzenkandidatin bezeichnete Flüchtlinge als "Asylforderer", die nur nach Deutschland kämen, um monatliche Geldleistungen, Wohnungen, Krankenversicherung und Kabelfernsehen für "Null eigene Leistung" zu erhalten. "Es kommen keine Facharbeiter, sondern ein Heer von Habe- und Taugenichtsen", rief Ebner-Steiner wütend ins Mikro. Der Saal grölte. Böhm wiederum attackierte im Landtag wiederholt die anderen Parteien und nannte deren Politiker "elende Heuchler".

Zwei Vertraute von Björn Höcke

Migration, Bildung, Kulturkampf - die radikalen Sprüche sollen verfangen und der AfD diesmal mehr bringen als die 10,2 Prozent aus 2018. Die Niederbayerin und der Oberfranke: Beide Kandidaten kommen aus dem völkisch-nationalen Lager rund um den rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke aus Thüringen. Mehr noch: Beide pflegen eine enge Beziehung zu Höcke. Böhm nennt Höcke nur "Björn", Ebner-Steiner fuhr mit dem Thüringer Parteichef schon in den gemeinsamen Wanderurlaub.

Ebner-Steiner - das bekannte Gesicht der bayerischen AfD

Die Deggendorfer AfD-Landtagsabgeordnete hat vier Kinder und ist gelernte Bilanzbuchhalterin. Ihre politische Laufbahn hat bereits Auf und Abs erfahren: Mehrmals scheiterte sie bei der Kandidatur um den Landesvorsitz, im Landtag führte sie beim erstmaligen Einzug der AfD 2018 die Fraktion – erst mit Markus Plenk, der bald Fraktion und Partei verließ, später mit Ingo Hahn. Eine glückliche Hand hatte sie auf dem Posten im wahrsten Sinne des Wortes nicht: Einmal schlug sie während einer Fraktionssitzung zu Corona-Zeiten voller Wut über ihren Kollegen Ulrich Singer, den heutigen Fraktionschef, derart heftig gegen die Plexiglasscheibe, dass diese zerbrach und Singer an der Hand verletzte. Unter Ebner-Steiner spaltete sich die Fraktion immer stärker in zwei verfeindete Lager, fünf Abgeordnete traten insgesamt aus der Fraktion aus. 2021 wurden sie und Hahn als Fraktionschefs dann abgewählt. In Ihrem Bezirksverband Niederbayern, dem sie vorsteht, ist die 44-Jährige bei der AfD-Basis beliebt: Regelmäßig fuhr sie in Deggendorf zweistellige Ergebnisse ein.

Böhm: Vom stillen Strippenzieher zum vordersten Wahlkämpfer

Anders verlief der Aufstieg bei Martin Böhm: Der Landtagsabgeordnete blieb lange im Hintergrund und zog von dort die Strippen für das radikale Flügel-Lager. In der neu gegründeten Fraktion verzichtete er auf Posten und Vorsitze, suchte sich mit dem Europa-Ausschuss eine eher unscheinbare Aufgabe. Lange Zeit sah es auch so aus, als zielte der 59-Jährige auf ein AfD-Mandat im EU-Parlament. Dann wurde der gelernte Hausverwalter im Oktober 2021 in den Landesvorstand der AfD gewählt. In seiner Heimat Oberfranken machten die Mitglieder den Coburger zum Bezirkslistenführer. Das Netzwerk des radikalen Lagers unterstützte auch seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl. Böhm gilt als loyaler Anhänger des formal aufgelösten Flügels.

Enger Schulterschluss mit anderen radikalen AfD-Vertretern

Wo die Reise der AfD mit den beiden Spitzenkandidaten hingehen könnte, wurde beim ersten gemeinsamen Wahlkampfauftritt im oberfränkischen Mödlareuth an der Grenze zu Thüringen deutlich: Gemeinsam mit Björn Höcke und in Anwesenheit des aus der Partei ausgeschlossenen Rechtsextremen Andreas Kalbitz gab das Duo den Startschuss für den Wahlkampf. Der Slogan der gemeinsamen Veranstaltung lautete: "Thüringen und Bayern – wir heizen ein!" Dieser Kurs ist in der bayerischen AfD umstritten: Nur etwas mehr als 50 Prozent der anwesenden Mitglieder gaben dem Spitzenduo auf dem Parteitag bei der Wahl ihre Stimme.

Im Video: Tagesgespräch: Ist die AfD für Sie eine Alternative?

Ein Kreuz auf einem Stimmzettel bei der "AfD".
Bildrechte: BR/Julia Müller
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