Eine Wildtierkamera hat die Mufflons an einem Salzleckstein eingefangen. Ursprünglich stammen die standorttreuen Tiere aus Korsika und Sardinien.
Bildrechte: Wolfgang Schölch

Eine Wildtierkamera hat die Mufflons an einem Salzleckstein eingefangen. Ursprünglich stammen die standorttreuen Tiere aus Korsika und Sardinien.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Abschießen oder laufen lassen – was tun mit ausgebüxten Tieren?

Drama um zwei Ziegen, die im Landkreis Kitzingen ausgebüxt sind. Obwohl der Eigentümer versuchte, sie anzulocken und einzufangen, mussten die Ziegen abgeschossen werden. Doch wer entscheidet, ob Tiere in freier Wildbahn leben dürfen oder nicht?

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Über ein halbes Jahr haben die zwei Ziegen aus Tiefenstockheim im Landkreis Kitzingen ihre Freiheit in vollsten Zügen genossen. Am Ende wurde die Bahnstrecke zwischen Mainbernheim und Willanzheim den freiheitsliebenden Ziegen zum Verhängnis. Weil sie sich auf den Schienen rumgetrieben und ausgeruht und somit den Bahnverkehr gefährdet haben.

Die Gemeinde sah sich somit zum Handeln gezwungen und stellte einen Antrag beim Landratsamt, die Ziegen abschießen zu dürfen. Was mit Einverständnis des Besitzers dann auch so geschah. Denn der Ziegenhalter muss dem Abschuss zustimmen, einfach so darf die Jagdbehörde die Tiere nicht töten.

  • Zum Artikel: Takine und Wasserbüffel lockten mehr als 1,1 Millionen Menschen

Besitzer wollen Tieren lebend zurück

"Aus naturschutzfachlichen Gründen ist der Abschuss einer Ziege sicherlich kein großes Problem," sagt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Aber man müsse stets abwägen und zunächst versuchen, die Tiere lebend wieder einzufangen, vielleicht auch mit Hilfe eines Betäubungsgewehrs. Da sei auch im Interesse des Besitzers, der seine Tiere gerne lebend wieder zurück haben möchte. "Also da bin ich doch eher positiv gestimmt, dass man da nicht vorschnell voreilig zum Gewehr greift. Das ist dann wirklich der letzte Ausweg", fügt Jodl hinzu.

Wilde Mufflons leben bei Kleinrinderfeld

Keine Ziegen, aber dafür eine wilde Schafart aus dem Mittelmeerraum hat sich in der Gegend um Kleinrinderfeld und Kirchheim im Landkreis Würzburg angesiedelt. Seit gut 20 Jahren beobachtet Jäger und Naturschützer Wolfgang Schölch die Mufflonherde, die von einem naheliegenden Gutshof getürmt ist. Einfangen? Unmöglich. Jetzt leben die Tiere statt auf Korsika und Sardinien in unterfränkischen Wäldern. Zwischenzeitlich war die wilde Schafherde auf rund 200 Tiere angewachsen und damit wurde sie zum Problem. Denn die Tiere verbeißen und schälen die Bäume, erklärt Wolfgang Schölch: "Wenn man in einem Wald, der schon stark durch Rehe verbissen wird, noch ein Mufflon duldet, dann potenziert man möglicherweise den Verbiss und gefährdet natürlich Waldverjüngung, man gefährdet dann auch den Lebensraum als solchen."

Mufflons als jagdbares Wild eingeschleppt

Bereits im 18./19. Jahrhundert haben Adelige die Mufflons nach Deutschland gebracht, vor allem aber in den Norden. Einzig aus dem Grund, sie zu jagen. Doch nicht heimische Tierarten sollen sich nach Möglichkeit hier gar nicht breit machen, besonders nicht, wenn sie dem hiesigen Lebensraum zu Leibe rücken – im Falle der Mufflons mit Hufen und Zähnen. Also schritt das Landratsamt in Form der Unteren Naturschutzbehörde und des Jagdbeirates ein, da es Beschwerden der privaten Waldbesitzer und Förster im Staatswald gab. Seitdem dürfen, nein, müssen die Mufflons – da sie zum jagdbaren Wild zählen – abgeschossen werden, um den Bestand klein zu halten. Einen Abschussplan, also eine vorgegebene Zahl an Mufflons, die geschossen werden sollen, gibt es jedoch nicht. Darüber dürfen die Jäger selbst entscheiden. Etwa 60 bis 80 Tiere dürften es momentan noch sein.

Bildrechte: Wolfgang Schölch
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Etwa 60 Mufflons grasen bei Kleinrinderfeld im Landkreis Würzburg. Die wilden Schafe sind vor rund 20 Jahren von einem nahen Gutshof entlaufen.

Geschützte Wildtiere sind ein Sonderfall

Bei anderen Tieren ist das nicht so einfach, weil sie unter Artenschutz stehen. Etwa bei den Maulwürfen, die mehrere Fußballplätze im Landkreis Würzburg in Buckelpisten verwandelt haben. Hier müssen andere Maßnahmen greifen. Für sie ist die Höhere Naturschutzbehörde zuständig, die bei der Bezirksregierung, in diesem Fall der Regierung von Unterfranken, angesiedelt ist. Dort können Anträge gestellt werden, die Maulwürfe zu beseitigen. Was meist sehr aufwändig und teuer für den Antragssteller werden kann, da man auch hier zunächst versucht, die Maulwürfe zu vergrämen oder umzusiedeln. Wie viele Menschen deshalb eigenständig handeln, um die kleinen Meistergräber loszuwerden, das ist ungewiss. Wer erwischt wird, muss mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro rechnen.

Bibern geht es an den Pelz

Ähnlich ist es bei den Bibern, die nicht nur per Bundesnaturschutzgesetz, sondern sogar europarechtlich geschützt sind. In der Oberpfalz sind seit geraumer Zeit Biberhasser am Werk, die Jagd auf die geschützten Tiere machen. Denn immer wieder bauen oder untergraben die fleißigen Tiere dort Dämme, wo es nicht sein soll, und gefährden so etwa die Teichwirtschaft. "Dann sind die Naturschutzbehörden dabei und müssen vielleicht auch entsprechende Pläne entwickeln, wie geht man mit der Art um, mit dem Individuum gerade jetzt vor Ort oder muss man eventuell sogar zum Abschuss greifen", erklärt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Auf alle Fälle wird ein Biberberater der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt hinzugezogen.

Ausgleichszahlungen statt Abschuss

In Ausnahmefällen dürfen sie umgesiedelt werden, zum Beispiel, wenn der Biber sich in einer Kläranlage breit macht. Eine überflutete landwirtschaftliche Fläche reicht nicht aus – dafür gibt es Ausgleichszahlungen, wenn der Biber dort Schäden anrichtet. Zum Abschuss kommt es tatsächlich nur in äußerst seltenen Fällen und nur unter ganz bestimmten Bedingungen. So dürfen die Biber etwa nicht im Wasser geschossen werden.

Streit um Wolfs-Abschuss Oberbayern

Mindestens genauso kontrovers diskutieren Landwirte und Tierschützer die Zukunft des Wolfes in Bayern. Mindestens 26 Wölfe sind derzeit Bayern heimisch, und die Zahl steigt seit Jahren an. Das streng geschützte Tier breitet sich aus - vom Bayerischen Wald und der Rhön bis ins Allgäu. Einen Angriff eines Wolfes auf einen Menschen gibt es seit der Wiederansiedlung des Wildtieres in Deutschland nach Behördenangaben nicht. Denn der Wolf gilt als menschenscheu. Der Wolf, der Anfang 2022 in Oberbayern für Schlagzeilen gesorgt hatte, weil er in Siedlungsnähe Schafe, Ziegen und Wildtiere gerissen oder verletzt hatte, musste letztendlich sterben, obwohl sich die Gerichte lange nicht einig waren, ob der Daumen für den Wolf nach oben oder nach unten zeigen darf.

Wolf verendet in Tschechien

Den Wolfsrüden mit dem Gencode "GW2425m" hatte die Regierung von Oberbayern per Allgemeinverfügung Ende Januar zum Abschuss freigegeben. Sie begründete die Abschussgenehmigung mit der Gefahr durch den Wolf für die öffentliche Sicherheit und den Menschen. Dagegen hatte unter anderem der Bund Naturschutz geklagt und Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht befand, dass der Wolf sich Menschen nicht in einer arttypischen Weise genähert habe, also leben dürfe. Das Tier wurde dann auch nicht erschossen, sondern starb bei einem Verkehrsunfall: es wurde in Tschechien überfahren aufgefunden – und zwar genau an dem Tag, an dem die Abschuss-Freigabe erfolgt war.

Wolfshybride in der Rhön "entnommen"

Bei den Wolfshybriden, die seit letztem Jahr in der Rhön unterwegs sind, ist die Sache dagegen eindeutig. Im August waren die fünf Jungen in eine thüringische Fotofalle getappt. Im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld hatten die Wolfsmutter und ihre Welpen, die wohl aus einer Paarung der Wölfin mit einem thüringischen Haushund stammen, drei Schafe gerissen. Jetzt wurden drei der fünf jungen Tiere durch das Landesamt für Umwelt "entnommen", also abgeschossen. So will es das Bundesnaturschutzgesetz: erstens, weil die Art des streng geschützten Wolfes erhalten werden soll und zweitens, weil die Wolfs-Hund-Mischlinge zutraulicher sind als ihre reinrassigen Artgenossen und so zur Gefahr für Tier UND Mensch werden können. Denn durch die Vermischung von Hund und Wolf komme es zu genetischen Veränderungen, heißt es vom Landesamt für Umwelt. Das könne zu einer Verschlechterung des Genpools führen.

Tier muss Gefährdung darstellen

Die entscheidende Frage, die in allen Fällen zugrunde liegt, wenn über Leben und Tod von Tieren in freier Wildbahn diskutiert wird, ist: Stellt das Tier eine Gefahr dar oder nicht? Eine pauschale Antwort gibt es darauf nicht, heißt es von den zuständigen Behörden "Es ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der das jeweilige Für und Wider unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgewogen wird. Je gravierender ein drohender Schaden ist, desto niedriger sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und dementsprechend ein behördliches Einschreiten", teilt das Landratsamt Kitzingen BR24 auf Anfrage mit.

Für Haustiere gibt es eine Einfangfrist

Bei entlaufenen Haustieren, egal ob Ziege, Kuh oder Pferd, liegt es zunächst am Besitzer der Tiere, welches Schicksal sie ereilt. Denn zunächst muss dem Besitzer die Möglichkeit eingeräumt werden, die Tiere wieder einzufangen. "Das ist ja auch in dessen Interesse, seine Tiere lebend wieder zu kriegen", sagt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Dafür hat der Besitzer etwa ein halbes Jahr Zeit. "Man muss den Besitz aufgegeben haben. Wenn also ein Damhirsch aus dem Tierpark Sommerhausen ausbrechen würde, würde man zunächst mal sehen, dass man dem wieder habhaft wird, da hat man eine gewisse Zeit, und wenn der sich dann halt immer rarer macht, wenn man den nicht mehr sieht, wird irgendwann mal der Zeitpunkt kommen, wo man vielleicht die Suche aufgibt und dann wird’s sozusagen zum Wild", ergänzt Jäger und Naturschützer Wolfgang Schölch. Im Fall des Damhirsches sogar jagdbares Wild, es ist zum Abschuss freigegeben.

Schießen nur auf Antrag

Ein bisschen anders ist es bei nicht jagdbarem Wild, wie etwa den Ziegen aus dem Landkreis Kitzingen. Hier handelt die Waffenbehörde am Landratsamt im Rahmen der Schießerlaubnis nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag, in dem Fall auf Antrag der Gemeinde Mainbernheim. Für die Erteilung einer Schießerlaubnis ist das notwendige Bedürfnis entscheidend, welches seitens des Antragsstellers "glaubhaft" gemacht werden muss, heißt es aus dem Landratsamt Würzburg: "Dies kann grundsätzlich auch entlaufene Ziegen betreffen, welche Personen oder Sachwerte gefährden. Die Erteilung der Schießerlaubnis hängt dann von der Begründung des Antragstellers ab. Die Behörde hat demgegenüber die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwägen."

Entlaufene Haustiere sind nicht "jagdbar"

In der Regel ist es bei entlaufenen Haustieren also ganz einfach, egal ob Ziege, Pferd oder Kuh, lacht Wolfgang Schölch: "Bei einer Kuh, die ist natürlich kein jagdbares Wild, darf natürlich kein Jäger schießen. Da wäre es so, dass man dem habhaft werden muss und wenn es dann entlang von Straßen vielleicht eine Verkehrsgefährdung gibt, dass dann die Polizei das Tier tatsächlich dann töten würde, wenn man es nicht mehr kriegen würde und es eine Gefahr darstellen würde."

So wie bei den Mainbernheimer Ziegen, nur dass da der Jäger zum Zug kam, weil die Polizei an den Viechern scheiterte. Doch letztendlich ist es immer vom jeweiligen Fall abhängig, ob ein Tier sein Leben in Freiheit genießen darf oder ob es in Frieden ruhen muss.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!