Oktoberfest-Besucher feiern im Bierzelt
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Menschen, die dicht gedrängt laut singen und schreien, haben beste Chancen, sich mit vielerlei Atemwegsinfekten zu infizieren.

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"Wiesn-Grippe": Wenn dem Oktoberfest die Erkältungswelle folgt

Die Wiesn geht, die Erkältung kommt: Das ist nicht nur eine individuelle Erfahrung vieler Oktoberfest-Besucher, sondern lässt sich auch belegen. Kein Wunder, im Bierzelt herrschen ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Atemwegsinfekten.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach dem Oktoberfest hustet und niest halb München. Dieses Phänomen war schon vor der Corona-Pandemie unter den Namen "Wiesn-Grippe" und "Wiesn-Katarrh" bekannt. Nicht nur aus persönlicher, aber zufälliger und deshalb nur anekdotischer Erfahrung.

Die "Wiesn-Grippe" (nicht zu verwechseln mit der echten Grippe, der Influenza) ist auch wissenschaftlich belegt: Zahlen des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2017 zeigten: Um die 41. Kalenderwoche, also kurz nach der Wiesn, steigt in München und Umgebung die Zahl akuter Erkrankungen der Atemwege deutlich an, im Gegensatz zum Rest der Republik. Das ging aus Meldungen ausgewählter Arztpraxen aus ganz Deutschland hervor, die das Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewertet hatte, berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung.

Gesundheitsreferat: Immer Erkältungswelle nach Oktoberfest

Das Münchner Gesundheitsreferat bestätigt die Beobachtung, dass es im Gefolge der Wiesn immer zu einer Erkältungswelle kam, die nach wenigen Wochen wieder abflaute. "Da es sich bei den in Frage kommenden wesentlichen zugrundeliegenden Erregern außer der Grippe jedoch nicht um meldepflichtige Erreger handelte, liegen keine konkreten Zahlen für München hierzu vor."

Das Gesundheitsreferat verweist ebenfalls auf die seit Jahren durchgeführten bundesweiten Untersuchungen des RKI zum Verlauf des Auftretens akuter Atemwegsinfektionen. Diese zeigten, dass die Welle der Atemwegserkrankungen im bayerischen Raum tendenziell ein paar Wochen früher beginnt als anderswo. Eine plausible Erklärung hierfür dürfte das Oktoberfest sein.

Volksfeste sind ein Paradies für Erkältungskeime

Dass im Zusammenhang von Volksfesten die Zahl der Atemwegserkrankungen steigt, ist wenig überraschend. Wenn tausende Menschen dicht an dicht in einem Bierzelt singen, tanzen und gegen den Lärm anschreien, sind das hervorragende Bedingungen für Krankheitserreger, die sich über die Atemluft ausbreiten. Zudem kommen zur Wiesn Menschen aus aller Welt nach München, die nicht nur einen großen Durst auf Bier, sondern auch Keime mitbringen, die bisher hier unbekannt sind.

2022 war nach zwei Jahren Unterbrechung wieder Oktoberfest. Es war das erste, bei dem auch das Coronavirus Gelegenheit hatte, sich auszubreiten. Im vergangenen Jahr wurde noch eifrig getestet und es war zu sehen, dass während und kurz nach dem Oktoberfest rund um München die Corona-Zahlen in die Höhe schossen. Das ist wenig erstaunlich, denn das Coronavirus verbreitet sich wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen über die Atemluft, auch wenn es deswegen noch lange kein vermeintlich harmloses Schnupfenvirus ist.

Eineinhalb Wochen nach Beginn des Oktoberfestes 2022 stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in München um knapp 77 Prozent auf 424,9. Das war deutlich mehr als der bayernweite Anstieg von 43,1 Prozent oder der bundesweite von 29,4 Prozent zu jener Zeit.

Mehr Daten wegen Corona im Jahr 2022

2022 gingen auch nach anderen Volksfesten in Erlangen, Landshut und Weißenburg-Gunzenhausen die Corona-Fallzahlen nach oben.

2023 wird es jedoch nicht möglich sein, vergleichbar exakte Infektionszahlen zu bekommen. 2022 gab es noch eine Vielzahl an täglich aktualisierten Daten für die Corona-Lage in einzelnen Städten und Landkreisen. Das ist inzwischen nicht mehr der Fall. Die Daten des Bundesgesundheitsministeriums zu Inzidenz und Hospitalisierungen für ganz Bayern zeigen aktuell keine größeren Auffälligkeiten. Auf München lässt sich daraus allerdings nur bedingt rückschließen.

Immerhin das Abwassermonitoring im Rahmen des Verbundprojekts Bay-VOC beinhaltet Corona-Zahlen für die Landeshauptstadt. Die aktuellen Daten dort stammen vom 28. September und zeigen mit + 37,1 Prozent einen klaren, wenn auch nicht extremen Anstieg. Dieser hat allerdings bereits Anfang des Monats begonnen. Ob er sich aktuell beschleunigt, ist aus den relativ wenigen Datenpunkten schwer zu sagen. Inzwischen erreicht die Viruslast wieder Werte in ähnlicher Dimension wie bei der letzten eher kleineren Corona-Welle zu Jahresbeginn.

Grafik: Viruslast im Abwasser von München

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SARS-CoV-2 Viruslast im Abwasser von München

In Bayern wird an mittlerweile 24 Standorten zweimal in der Woche das Abwasser auf Bestandteile des Coronavirus untersucht. Damit sei ungefähr ein Drittel der Bevölkerung abdeckt, sagt der Molekularbiologe Peter-Luis Plaumann, der die Proben im Labor des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen (LGL) analysiert. Das gebe einen guten Eindruck vom Infektionsgeschehen, vor allem, weil auch suburbane und ländliche Regionen abgedeckt seien.

Im Moment wird beim Abwassermonitoring nur auf SARS-CoV-2 getestet. Für die Zukunft ist aber geplant, das Abwasser auch auf Influenza-Viren und RSV, ein weit verbreitetes Erkältungsvirus, zu testen. Das soll dann an insgesamt 30 Standorten geschehen.

Neben dem Nutzen des Abwassermonitorings sieht der Virologe Oliver Keppler vom Pettenkofer-Institut in München aber auch die Grenzen der Methode: "Sie erlaubt keinen Rückschluss auf die Krankheitsschwere, die Zahl der infizierten Menschen oder den Ort der Übertragung des Infektionserregers. insbesondere die Krankheitslast muss in der ärztlichen Versorgung beurteilt werden."

Dieser Artikel ist erstmals am 4. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

Im Video: Das Wetter bleibt warm - und trug viel zur Rekord-Wiesn bei

 Sommerliches Wetter sorgte für hohe Besucherzahlen auf der Wiesn
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Sommerliches Wetter sorgte für hohe Besucherzahlen auf der Wiesn

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