Studentinnen und Studenten vor der Technischen Universität München (2018)
Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Joko

Menschen vor der TU München (aufgenommen im Jahr 2018)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Studiengebühren: Die Campus-Maut kommt wieder – für manche

2007 wurden in Bayern Studiengebühren eingeführt – und 2013 nach Protesten wieder abgeschafft. Nun will die TU München einen Teil der Studentenschaft mit mehreren Tausend Euro pro Semester zur Kasse bitten. Viele Studierende kritisieren das Vorhaben.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Sechs Jahre lang hatte es in Bayern allgemeine Studiengebühren gegeben, ehe sie zum Wintersemester 2013/2014 wieder abgeschafft wurden. Dem vorausgegangen war ein harter politischer Kampf: Mit einem Volksbegehren wollten die politische Opposition und zahlreiche Unterstützer aus der Hochschullandschaft die 2007 von der CSU-Regierung eingeführten Studiengebühren kippen. Ganz vorne mit dabei: Michael Piazolo, damals Landtagsabgeordneter der Freien Wähler und Hochschulprofessor. Das Volksbegehren war erfolgreich, am 25. Februar 2013 titelte der Deutschlandfunk: "Bayern schafft die Campus-Maut ab".

Genau zehn Jahre später – Piazolo sitzt inzwischen längst als Kultusminister in der Landesregierung – beginnt das Aus der Studiengebühren zu wackeln. Nur ein bisschen wackelt es bisher, denn das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz von 2022 erlaubt auch weiterhin keine allgemeinen Studiengebühren – für manche Studierenden aber doch.

Nicht-Europäer sollen bezahlen

Das macht sich die Technische Universität München (TUM) zunutze. Ab dem Wintersemester 2024/2025 sollen einige Studentinnen und Studenten dort für ihr Studium bezahlen. 2.000 oder 3.000 Euro soll ein Semester im Bachelorstudium kosten, 4.000 oder 6.000 Euro ein Semester im Masterstudium. Dabei treffen die neuen Gebühren ausschließlich Studierende, die nicht aus der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum stammen. Chinesen, Thailänder, Angolaner und Briten sollen zahlen, Portugiesen, Slowenen und Norweger nicht.

TUM-Präsident Thomas Hofmann begründet das mit steigenden Studierendenzahlen bei zugleich fehlenden finanziellen Mitteln: "Wir sind im internationalen Wettbewerb gefordert, die Lehrqualität, die wir den Studierenden zukommen lassen, zu erhöhen. Dafür braucht es neue Mittel, und daran sollen sich die Studierenden beteiligen." Die zusätzlichen Mittel will die Uni in die Lehre investieren, aber auch in zusätzliche Räume, die die Studierenden als Orte des Lernens und des Austauschs nutzen können.

Zahlreiche Ausnahmen bei Studiengebühren

Bei den Studierenden kam die Idee zunächst nicht gut an. Zwar klagen Studentenvertreter über marode Hörsäle und schlechte Betreuungsquoten, Studiengebühren sind für viele aber nicht der richtige Weg, um diese Probleme zu lösen. "Wir haben das grundsätzlich nicht unterstützt", sagt Isabella Hennessen von der Studierendenvertretung an der TUM, "wir sehen aber auch, dass wir relativ viel für die Studierenden erreichen konnten."

Dazu zählt laut Hennessen die Stipendiatenquote, nach der bis zu ein Fünftel der Betroffenen keine Studiengebühren zahlen müssen oder diese erstattet bekommen. Aber auch, dass die Gelder ausschließlich in die Verbesserung der Lehre fließen sollen – Maßnahmen, die auch inländischen Studierenden zugutekommen.

Die Uni-Leitung verweist ebenfalls darauf, dass eine ganze Reihe von Studierenden von den Gebühren ausgenommen sein wird. Dazu zählen die erwähnten EU-Bürger ebenso wie Menschen, die ein deutsches Abitur haben oder, die starke Bindungen an Deutschland haben, weil sie schon lange im Land leben oder hier Familie haben. Dass sie keine Studiengebühren zahlen müssen, ist dabei keine entgegenkommende Entscheidung der Uni. Das bayerische Hochschulinnovationsgesetz schreibt diese Ausnahmen vor.

Oğuz Alp Duran etwa würde nicht unter diese Regelungen fallen.

Der 22-Jährige studiert Elektrotechnik an der TUM – das ist sein Glück, denn für jene, die bereits mitten im Studium sind, gilt ebenfalls eine Ausnahme. Würde er sein Studium erst im kommenden Jahr beginnen, müsste er zahlen, er spricht von einer Katastrophe: "Das wäre das Ende meiner Träume in Deutschland gewesen", sagt er.

Müssen bald alle wieder zahlen?

Zwar stamme er aus einer Mittelschichtfamilie in der Türkei, aber selbst mit Studentenjob und einem Stipendium reiche es gerade mal so für zum Leben in München. Die zusätzlichen Studiengebühren könnten sich auch die meisten seiner Landsleute nicht leisten, vermutet er.

Duran könnte noch auf eine Studiengebührenbefreiung hoffen, die die Uni für besonders gute Studierende und für Studierende aus einem sozial herausfordernden Umfeld erwägt. Manche seiner deutschen Kommilitonen befürchten, dass das alles nur der Anfang ist und die Studiengebühren durch die Hintertür auch für deutsche Studierende zurückkommen. Bisher wird das durch die Gesetzeslage verhindert.

Internationales Ansehen durch Gebühren

Der Anspruch der TU München, als Exzellenzuniversität international ganz vorne mit dabei zu sein, geht offenbar Hand in Hand mit der Einführung von Studiengebühren: "Im internationalen Umfeld ist es auch so, dass das Studium als eine Lebensinvestition betrachtet wird", sagt TUM-Präsident Hofmann, "und wenn Sie heute in die USA oder nach Asien gehen, dann hören Sie überall, dass in Deutschland das Studieren kostenfrei ist und vielleicht auch gar nicht so gut sein kann – denn was nichts kostet, ist auch nichts wert."

Studiengebühren als Image-Faktor? Oğuz Alp Duran hat dafür nur ein verständnisloses Lachen übrig.

Er hätte mit seinem Schulabschluss die Chance gehabt, sagt Duran, an der besten Uni seines Landes zu studieren. Trotzdem habe er sich für Deutschland entschieden. Die Bedingungen seien hier so viel besser als anderswo. Die maroden Hörsäle, die andere Studierende kritisieren, sind ihm gar nicht so wichtig: "Es sind nicht die Mittel, die man benutzt, sondern die Informationen, die man erwirbt. Mit denen kann man sich weiterentwickeln. Und nicht mit einem besseren Hörsaal."

Andere Unis, andere Strategien

Nachvollziehen kann Duran allerdings, dass die Unis jene ausländischen Studenten nicht komplett finanzieren wollen, die nur für den Abschluss hierherkommen und danach wieder das Land verlassen. Denn so gehen Deutschland nicht nur gut ausgebildete junge Menschen verloren, sondern auch das Geld, das in ihre Bildung investiert wurde. Das betrifft nicht nur die TUM.

Dass alle anderen bayerischen Unis beim Thema Studiengebühren nachziehen, ist aber aktuell nicht geplant. So schließt die Uni Erlangen-Nürnberg Studiengebühren für Ausländer explizit aus. Man sehe es als Auftrag, Menschen aus anderen Kulturkreisen und politischen Systemen zu zeigen, wie in Deutschland Wissenschaft und Demokratie funktioniere, sagte Erlangens Uni-Präsident Joachim Hornegger dem BR bei einem Interview bereits im Juli: "Deshalb haben wir uns entschieden, keine Studiengebühren zu erheben, um diesen Pfad weiterhin aufrechtzuerhalten."

Es gibt also künftig mehrere Wege für junge Menschen, zum Studium nach Bayern zu kommen. Der Wettbewerb um die schlausten Köpfe aus dem Ausland ist offenbar noch nicht entschieden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!