Gebäude des Instituts für Infektionsmedizin und Zoonosen in Oberschleißheim
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Am Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen wird erforscht, wie sich die Übertragung von Krankheiten zwischen Tier und Mensch vermeiden lässt.

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Universität München eröffnet neues Zentrum für Mikrobiologie

Am Campus der Veterinärmediziner in Oberschleißheim ist das Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen eröffnet worden. Unter Hochsicherheitsbedingungen werden hier künftig Erreger untersucht, die möglicherweise auf den Menschen überspringen können.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der Weg ins Herz des neuen Zoonose-Zentrums ist gesäumt von Schleusen. Sicherheitsschleusen, um genau zu sein. In einer davon steht Eckart Thein, Koordinator für Tierschutz und Versuchstierkunde der LMU München. Es handelt sich um eine Luftdusche, eine Art Aufzug, der jetzt an beiden Seiten offen ist. In jeder Ecke befinden sich sechs Düsen übereinander.

Drei Minuten Luftdusche gegen Keime von außen

Wenn die Schleuse arbeitet, sind die Türen geschlossen – aus den Düsen kommt gefilterte Luft. "Die Luft, die aus den Düsen kommt, ist gefiltert und steril, bläst die Oberflächen ab. Den ganzen Körper von oben bis unten. Alle Erreger, alle Staubpartikel. Und erst nach drei Minuten öffnet die innere Tür und Sie können den Bereich wieder verlassen", erläutert Thein.

In Zukunft werden hier Labormitarbeiter von 24 Düsen drei Minuten lang partikelfrei geblasen. Wohlgemerkt, nachdem sie schon mehrere Schleusen hinter sich gebracht, sich zweimal komplett umgezogen haben und mittlerweile aussehen wie Astronauten: mit Overall, Handschuhen, Haube, Maske und Respirator.

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Der LMU-Koordinator für Tierschutz und Versuchstierkunde Eckart Thein in der Luftdusche.

Viren, Bakterien und Pilze werden in der Mikrobiologie erforscht – das ist nichts Neues. Aber seit sich in der breiten Öffentlichkeit die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass solche Erreger auch neu entstehen, und auch mal vom Tier auf den Menschen überspringen können, erfährt das Fach viel mehr Aufmerksamkeit. Deshalb soll sich das neue Zentrum auch in besonderem Maße dem Kampf gegen Zoonosen widmen.

Reinhard Straubinger, Lehrstuhlinhaber für Bakteriologie und Mykologie und Dekan der tierärztlichen Fakultät, versucht aber dennoch den Ball flach zu halten: "Wir arbeiten schon immer mit Zoonosen. Das ist für die Tiermedizin nichts Neues. Ganz früher, als wir noch viele Pferde hatten, da hatten wir zum Beispiel den Rotz, eine Zoonose, aber die ist halt nicht unter dem Begriff gelaufen."

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Ein Blick ins Innere des Gebäudes des Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen

Mehr Kontakte von Mensch und Tier erhöhen Gefahr von Zoonosen

Dennoch hat sich etwas Grundlegendes geändert, das ist der Welt spätestens seit der Corona-Pandemie bewusst geworden. Die Zahl der Menschen wächst, sie dringen immer weiter in die Lebensräume von Tieren vor, mit denen sie bislang wenig zu tun hatten. Irgendwann springt dann vom Tier eine Krankheit über, die man bisher nicht gekannt hat.

Zwar muss man nicht davon ausgehen, dass das die Regel ist – im Gegenteil, es ist die Ausnahme. Weil es aber so viele Krankheiten gibt und weil sich die Erreger durch die Evolution ständig verändern und anpassen, kommt es auch immer häufiger zu solchen Übersprüngen.

Was besonders gefährlich ist: Der Erreger, zum Beispiel ein Virus, trifft auf eine neue Art – in dem Fall den Menschen, die empfänglich ist, aber noch keine Chance hatte, eine ausreichende Immunantwort auszubilden. Wenn der Infizierte jetzt nicht sofort tot umfällt und das Virus stattdessen auch noch auf andere Menschen übertragbar ist, kann es zur Ausbreitung einer neuen Krankheit kommen: zu einer Epidemie oder sogar zu einer Pandemie. Beim Coronavirus war all das der Fall.

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Wissenschaftliche Arbeit in einem Labor im neuen Zentrum für Mikrobiologie

Zurück nach Oberschleißheim: Es gibt hier die ganz normalen Labore mit weißen Tischen, Pipetten, Zentrifugen und Massenspektrometern. Auch hier kann man die Fenster nicht öffnen, die Luft wird gefiltert, alle Ecken an Tischen und am Boden sind so verfugt, dass sich kein Staub, keine Flüssigkeit halten kann.

Das Herzstück des Neubaus aber ist die Tierhaltung. Vor allem Mäuse, Ratten und Schweine sollen hier ab dem Frühjahr gehalten werden – unter so sterilen Bedingungen wie möglich. Kein Pfleger, keine Virologin darf hier einen Keim hereintragen. Deshalb die vielen Schleusen, die "Raumanzüge", die Luftduschen.

Tiere leben unter keimfreien Bedingungen

Thein steht jetzt vor einer Wand mit Käfigen aus bräunlich-durchsichtigem Kunststoff, jeder etwas größer als eine Schuhschachtel. "Die Käfige sind luftdicht, Zuluft kommt nur durch einen Filter hinein. Dieser Käfig ist komplett isoliert und hat eine eigene Atmosphäre. Der kriegt gefilterte Luft hier durch diese Öffnung hinein. Und die Luft, die rausgeht, wird wieder gefiltert."

Die Mäuse im Käfig sollen tatsächlich annähernd keimfrei leben, damit tatsächlich nur die Auswirkungen dieses einen Erregers erforscht werden, den man auch erforschen will - und nicht die Komplikationen eines beliebigen Schnupfenvirus, das ein Mitarbeiter trotz aller Schleusen möglicherweise doch mitgebracht hat.

Noch wichtiger ist: Nichts darf die Stallungen hier verlassen. Sie stehen unter der zweithöchsten möglichen biologischen Sicherheitsstufe S3. Selbst wenn zum Beispiel solch ein Käfig (Fachbegriff IsoCage) aus irgendeinem Grunde undicht wird, müssen die Erreger im Haus bleiben. "Es kann nichts rein, es kann nichts raus. Wir haben einen doppelten Schutz. Wir haben den Käfig als Schutz. Und wir haben den gesamten Raum im Unterdruck. Das heißt, selbst wenn ein Käfig auf den Boden fiele, selbst dann kann den Raum nichts verlassen", sagt Thein.

Nichts darf ohne Desinfektion nach draußen

Auch die Ställe für die Schweine – in denen sie mehr Platz haben als in der konventionellen Schweinezucht – sind maximal abgeschirmt. Die LMU rechnet damit, hier bei Bedarf und möglichen neuen Zoonosen auch andere Tiere zu halten. Sie will aber nicht nur kommende Krankheiten erforschen, sondern auch ganz "normale" Diagnostik betreiben, da das Zentrum zur Tierklinik der LMU gehört.

Alle Labore, vor allem jedoch die Stallungen, stehen unter Unterdruck, der mit jeder Schleuse stärker wird, damit alles im Zweifelsfall nach innen gesaugt wird. Kein Mensch, kein kaputter Computer, keine Gewebeprobe, kein totes Tier kann die Stallungen verlassen, ohne vollständig desinfiziert zu werden.

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Luftfilter sorgen dafür, dass keine Keime das Labor verlassen können.

Auch wenn ein Feuer ausbrechen sollte, laufen die Unterdruckpumpen weiter. Selbst Feuerwehrleute, die in einem solchen Fall schnell hineinmüssen, dürfen nur nach kompletter Dekontamination wieder hinaus. So wundert es nicht, dass der Technikkeller des Instituts, mit allen Pumpen und Filtern, eine größere Grundfläche hat als das ganze Gebäude darüber.

73,4 Millionen Euro hat das neue Zentrum mit seiner aufwändigen Technik, wie Fugen, Schleusen, Autoclaven und Filtern bislang gekostet. Die ersten Mäuse, Ratten und Schweine werden voraussichtlich im Frühjahr einziehen.

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Blick in den Technikkeller des Instituts für Infektionsmedizin und Zoonosen

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