Ein alter Mensch fasst sich mit der Hand an den Hinterkopf (Perspektive von hinten).
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Neues Medikament in den USA: Hoffnung für Alzheimer-Patienten?

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Neues Medikament in den USA: Hoffnung für Alzheimer-Patienten?

In den USA wurde ein weiteres Medikament entwickelt, dass das Fortschreiten der Krankheit Alzheimer verlangsamen soll. Zeitnah soll dort die Zulassung beantragt werden. Experten sprechen von einem großen Fortschritt, warnen aber vor Nebenwirkungen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Immer wieder tauchen Meldungen zu neu entwickelten Alzheimer-Medikamenten auf, die betroffenen Patienten versprechen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Im Januar zum Beispiel war in den USA das Medikament Leqembi zugelassen worden, das im Gehirn der Patienten auf die sogenannten Amyloid-Plaques zielt, die die Nervenzellen im Gehirn zerstören. Leqembi wurde vom US-Unternehmen Biogen zusammen mit dem japanischen Pharmaunternehmen Eisai entwickelt und enthält den Antikörper Lecanemab.

Jetzt zieht der US-Pharmakonzern Eli Lilly nach. Er will noch in diesem Quartal die Zulassung für Donanemab bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Auch dieser Wirkstoff soll in einem frühen Stadium das Fortschreiten der Krankheit Alzheimer verlangsamen können. Experten sprachen von einem "wirklichen Fortschritt". An beiden Medikamenten aber gibt es wegen Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Blutungen auch viel Kritik.

Wie wirkt das Medikament gegen Alzheimer?

Wer an Alzheimer leidet, verliert mit fortschreitender Erkrankung seine geistigen Fähigkeiten. Im Gehirn eines Alzheimer-Patienten zeigen sich sogenannte Plaques. Das sind Klumpen aus einem Eiweiß, das Wissenschaftler Beta-Amyloid nennen. Solche Ablagerungen von Eiweißen im Gehirn, Jahre bevor erste Symptome auftreten, sind charakteristisch für Alzheimer, die häufigste Form von Demenz.

Laut Prof. Dr. Christian Haass, Leiter der Abteilung für neurodegenerative Erkrankungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), sind diese Eiweißklumpen auch der Auslöser der Alzheimer-Erkrankung. Der Antikörper Donanemab zielt - ebenso wie Lecanemab - im Gehirn der Patienten genau auf diese Amyloid-Plaques. Es soll die abgelagerten Plaques entfernen, anstatt nur die Ablagerung neuer oder das Wachstum bestehender Plaques zu verhindern.

Wie die neuen Medikamente funktionieren

Wie das funktioniert, erklärte Experte Haass im BR-Interview anhand des im Januar zugelassenen Medikaments Leqembi, nämlich wie bei einer Impfung. "Man stellt gegen das [Beta-]Amyloid künstliche Antikörper her und impft mit denen [...]. Diese gehen ins Gehirn und erkennen die Plaques und setzen sich auf die Plaques drauf. Dann werden diese Plaques von Immunzellen im Gehirn erkannt [...] und diese Immunzellen des Gehirns fressen die Plaques dann regelrecht auf und fressen sie weg", beschreibt Haass die Wirkungsweise des Medikaments Leqembi, was auf den neuen Wirkstoff Donanemab übertragbar ist. Allerdings könnten bereits abgestorbene Nervenzellen mit dieser Methode nicht repariert werden, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Möglich sei aber, den Patienten mittels der neuen Medikamente auf dem Stand zu halten, wie er zur Behandlung in die Klinik komme, so Haass.

Ergebnisse der Studie zum Alzheimer-Wirkstoff Donanemab

1.700 Teilnehmer nahmen an der 18-monatigen sogenannten Phase-III-Studie teil. Laut Ergebnis der Studie verlangsamte sich die klinische Verschlechterung der Erkrankung bei den Patienten und Patientinnen, die Donanemab einnahmen, um 35 Prozent (im Vergleich zur Placebogruppe). Zudem waren sie zu 40 Prozent weniger beeinträchtigt, Aktivitäten des täglichen Lebens durchzuführen. Eine ausführliche Darstellung der Studiendaten in einem wissenschaftlichen Fachjournal mit Peer Review wird in den kommenden Monaten erwartet.

Durchbruch in der Alzheimer-Forschung

Schon bei der Zulassung des Medikaments Leqembi im Januar sprach Christian Haass von "einem ganz großen Durchbruch" für die Alzheimer-Forschung. Für ihn ist die Reduzierung von Amyloid der richtige Ansatz, Alzheimer zu verlangsamen: "Die Ergebnisse der Pressemitteilung zu Donanemab schauen wirklich sehr gut aus. Donanemab ist nun der zweite anti-Aβ-Antikörper, der ganz klar den Gedächtnisverlust verlangsamt", sagt Haass. Sicherlich sei mit Blick auf die Nebenwirkungen und eine bessere Wirksamkeit der Therapie noch vieles zu verbessern, so Haass weiter, aber die Reduzierung von Amyloid sei sicherlich der richtige Ansatz, um die Krankheit zumindest zu verlangsamen. "Und eines sollte jetzt nun auch endlich mal klar sein, die Amyloid-Hypothese ist keine Hypothese mehr, sondern ein Fakt!"

Studienergebnisse: "wirklicher Fortschritt für die Patienten"

Auch Prof. Dr. Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln bestätigt, dass die Studienergebnisse zu Donanemab ein "wirklicher Fortschritt für die Patienten" seien. Grundsätzlich sei die Wirkung von Donanemab und Lecanemab vergleichbar. Beide Anti-Amyloid-Antikörper hätten in einer Phase-III-Studie Wirksamkeit gezeigt. "Damit wird dieses Therapieprinzip überzeugend gestärkt und man kann von einem kausalen Behandlungsansatz gegen die Alzheimer-Krankheit ausgehen. Inwiefern sich die einzelnen Antikörper gegen Amyloid in Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen relevant unterscheiden, wird eine genaue Analyse der Studiendaten und hoffentlich der Einsatz in der Versorgung ab dem nächsten Jahr zeigen", sagte Jessen.

Kritik: Neue Medikamente "kein Gamechanger"

Trotz aller Zuversicht gibt es auch verhaltene Stimmen: "Auch Donanemab ist leider kein Gamechanger für die Betroffenen, aber möglicherweise ein nächster Schritt in die richtige Richtung", sagt Dr. Linda Thienpont, Wissenschaftliche Leiterin, Alzheimer Forschung Initiative e.V.. Das Mittel könne die Alzheimer-Krankheit weder heilen noch stoppen, aber auch wie Lecanemab zumindest den kognitiven Abbau verlangsamen. "Im Vergleich zu Lecanemab (27 Prozent) konnte Donanemab (36 Prozent) den kognitiven Abbau etwas stärker verlangsamen, aber dieser Effekt wurde teuer erkauft: Die Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Hirnblutungen (ARIA) waren stärker als bei Lecanemab, und es sind sogar zwei Menschen daran gestorben, möglicherweise sogar ein dritter", so Thienpont.

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