Wochenlange Dürre ließ im Sommer 2022 im Rhein immer weniger Wasser fließen.
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Die Pegelstände auf dem Rhein erreichen 2022 nach wochenlanger Trockenheit historische Tiefststände und beeinträchtigen die Schifffahrt schwer.

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Klima-Rückblick 2022: Niedrigwasser, Ernteausfall, Erderwärmung

2022 ist ein Jahr der Klimarekorde - leider im negativen Sinne. Der Weltklimarat stellt fest, dass die meisten Nationen zu wenig für den Klimaschutz tun. Zugleich sind die Folgen des Klimawandels rund um den Globus immer stärker spürbar.

++++ Januar ++++

Teure Naturkatastrophen

Die Kosten von Naturkatastrophen steigen: Der Rückversicherer Munich Re veröffentlicht seine Naturkatastrophen-Schadensstatistik für das Vorjahr 2021. Mit Gesamtschäden von weltweit 280 Milliarden Dollar war es nach dem Rekordjahr 2017 das zweitteuerste Naturkatastrophenjahr bisher. Die Folgen des Starkregens in Rheinland-Pfalz und Saarland im Juli 2021 (darunter die Flutkatastrophe im Ahrtal) allein schlagen mit 54 Mrd. zu Buche. Große Schäden gab es auch in den USA durch Tornados und Hurrikans, darunter die mit 65 Mrd. Dollar teuerste Naturkatastrophe des Jahres, der Hurrikan Ida.

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Katastrophaler Starkregen: Die Ruine eines von der Flutkatastrophe im Ahrtal zerstörten Wohnhauses in Altenburg.

++++ Februar ++++

IPCC-Bericht: Klimawandel bedroht Menschen und Erde

Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC) warnt: Durch Folgen und Risiken des Klimawandels sind über 3 Milliarden Menschen auf der Welt „hochgradig gefährdet“. Das ist eine seiner Schlussfolgerungen im zweiten Teil seines aktuellen Sachstandsberichts, einem Überblick über den Stand der Forschung zum Klimawandel, Klimafolgen und den Möglichkeiten der Anpassung. Gefährdet seien Menschen nicht nur durch Stürme, Dürren oder steigende Meeresspiegel. Sondern auch aufgrund gesellschaftlicher Verwundbarkeiten, wenn der Zugang zu sauberem Trinkwasser immer schwerer werde. Gleichzeitig stellt der Weltklimarat fest: Die meisten Staaten tun viel zu wenig für Anpassung an den Klimawandel, es gebe ein Ungleichgewicht in der Klimafinanzierung. Viel zu wenig Geld fließe bisher in Anpassungsmaßnahmen.

++++ März ++++

Deutschland verfehlt Klimaziele für 2021

2020 wähnte man sich noch auf der sicheren Seite: Deutschland übertraf - eine Begleiterscheinung der Corona-Pandemie - seine Klimaziele. Für 2021 folgt nun der Katzenjammer: Der Expertenrat für Klimafragen mahnt, dass Deutschland seine Klimaziele 2021 nicht erreicht hat. Das Gremium, war im Jahr 2020 in Folge des Bundes-Klimaschutzgesetzes installiert worden, um die Einhaltung der Klimaschutzpläne unabhängig zu überprüfen. Der Prüfbericht für 2021 zeigt: Sowohl im Gebäudesektor als auch im Verkehrssektor hat Deutschland die selbst gesetzten Emissionsgrenzen überschritten. Die zuständigen Ministerien müssen daraufhin Sofortprogramme entwerfen, mit denen sie gegensteuern. Die beurteilt der Expertenrat aber sehr unterschiedlich: Der Gebäudesektor könnte damit tatsächlich auf Kurs kommen. Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor allerdings sei "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch".

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Sanierungen mit Wärmedämmung und Solarpanelen wie bei dieser Realschule können helfen, die Klimabilanz im Gebäudesektor zu verbessern.

++++ April ++++

Weltklimarat fordert Erderwärmung zu stoppen

Wie kann der Klimawandel gemildert werden? Der Weltklimarat IPCC liefert im dritten Teil seines sechsten Sachstandsberichts einen Leitfaden für die Weltgemeinschaft, was zu tun ist, um der Erderwärmung Einhalt zu gebieten. Dazu gehört Treibhausgase (vor allem CO2) zu vermeiden, indem weniger fossile Brennstoffe verwendet werden. Zudem muss eine erneuerbare Elektrifizierung stattfinden. Schließlich könnte "Carbon Capture" (Kohlenstoff-Abscheidung) helfen, also Methoden, die der Atmosphäre Treibhausgase entziehen und "einlagern". Das gelingt laut IPCC-Bericht zum Beispiel durch Aufforstung, die Hoffnung liegt aber vor allem auf neuen, noch nicht erprobten Technologien. Und auch wir Verbraucher können etwas tun, etwa durch weniger Fleischverzehr, Mobilität ohne Auto und geringeren Konsum. Der Höhepunkt des weltweiten CO2-Ausstoßes müsse, so der IPCC, spätestens 2025 erreicht sein. Aktuell aber steigen die weltweiten Emissionen immer noch weiter an, wenn auch inzwischen langsamer als bisher.

++++ Mai ++++

Hitzewellen in Indien und Pakistan

In Indien und Pakistan herrscht eine extreme Hitzewelle. Zum Teil müssen Menschen dort Temperaturen bis zu 50 Grad ertragen. Große Hitze in den Wochen vor dem Monsun ist in der Region normal. Aber 2022 baut sich die Hitzewelle schon außergewöhnlich früh im Jahr auf, schon im März waren an vielen Wetterstationen in Indien Hitzerekorde gemeldet worden. Indien und Pakistan zählen im Mai schon mindestens 90 Menschen, die an Hitzschlag gestorben sind. Einige Bundesstaaten in Indien müssen Ernteeinbußen von bis zu 35 Prozent verkraften. Solche Hitzewellen sind durch die Klimaerwärmung dreißigmal so wahrscheinlich geworden wie früher, zeigen Forscher in einer Klimastudie.

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Ein ausgetrockneter Teich in Neu-Delhi, Indien, während der anhaltenden Hitzewelle.

++++ Juli ++++

Rekordhitze in Europa

In Europa erreicht ein außergewöhnlich heißer und trockener Sommer seinen ersten Höhepunkt. Erstmals werden in der Norddeutschen Tiefebene Temperaturen über 40 Grad gemessen. Auch aus Großbritannien gibt es diesen Rekordwert erstmals zu melden. Für Großbritannien ist die Hitzewelle im Juli sehr ungewöhnlich. Eine Analyse von Klimawissenschaftler zeigt: Eine ähnliche atmosphärische Konstellation hätte zwar auch eine Hitzewelle ausgelöst, aber die wäre um 4 Grad kühler ausgefallen. Italien beschließt den Dürrenotstand, auch Teile Spaniens und Portugals sind so trocken wie seit tausend Jahren nicht mehr.

++++ August ++++

Ernteeinbußen durch Dürre

Bayern und weite Teile Mitteleuropas leiden weiter unter Hitze und Dürre. Auf rund 17 Prozent der Fläche in Europa ist der Zustand alarmierend, meldet die Europäische Dürrebeobachtungsstelle. Besonders bei Mais, Soja und Sonnenblumen gäbe es große Ernteeinbußen. Der August ist in Deutschland der zweitwärmste Augustmonat seit Aufzeichnungsbeginn. Die niedrigen Pegelstände am Rhein machen der deutschen Binnenschifffahrt zu schaffen. Auch Süddeutschland spürt die Folgen des Niedrigwassers.

Jahrhundertflut in Pakistan

Ein Rekordmonsun führt in Pakistan zu dramatischen Überschwemmungen. Schon die ersten Monsunwochen im Juni und Juli brachten außergewöhnlich viel Regen. Der August ist der nasseste seit 1961, in einigen Provinzen der nasseste August seit Beginn der Aufzeichnungen. Eine starke Gletscherschmelze lässt die Flusspegel zusätzlich steigen. Die Überschwemmungen fordern rund 1.700 Todesopfer, Millionen von Menschen verlieren ihre Häuser, große Ackerflächen werden zerstört. Pakistan ist eines der zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder, was auch diese Flutkatastrophe wieder unterstreicht.

Erstmals Regen statt Schnee am kältesten Punkt Grönlands

Sogar in Grönland gibt es einen Wärmerekord: Auf dem höchsten und kältesten Punkt des grönländischen Eisschildes fällt zum ersten Mal Regen. Normalerweise schneit es dort nur. Wie die steigenden Temperaturen vor Grönland auch das Ökosystem verändern, zeigen Forscher in einer Studie zu Buckelwalen: Sie kommen vermehrt vor die Küste, um dort Fisch und Krill zu jagen. Das Futter für die ursprünglich dort heimischen Tiere wird knapper.

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Der Klimawandel hat tiefgreifende Auswirkungen auf Grönland, da sich Gletscher und die grönländische Eiskappe zurückziehen.

++++ September ++++

Gletscherschmelze in Europa

Wie die steigenden Temperaturen den Alpengletschern zusetzen, zeigen zwei Meldungen vom September: Der Südliche Schneeferner, einer der drei Gletscher auf der Zugspitze, verliert seinen Status als Gletscher. Weil das Eis dort sich nicht mehr bewegt, gilt es nur noch als sogenanntes Toteis. Schon lange rechnen Geoforscher damit, dass die bayerischen Gletscher nach und nach verschwinden. Doch das Ende des Südl. Schneeferners kam schnell, der warme Sommer und Saharastaub hatten ihm zugesetzt. Auch aus der Schweiz kommen dramatische Nachrichten zu schwindenden Gletschern. Im Jahr 2022 sind die Gletscher dort stärker geschmolzen als je zuvor. Rund drei Kubikkilometer Eis hätten sie verloren, rechnet die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT vor. Seit den 1930er Jahren haben die Schweizer Gletscher schon die Hälfte ihrer Gletschermasse verloren.

++++ Oktober ++++

UN-Klimagipfel enttäuscht

Der UN-Klimagipfel in Sharm El-Sheikh endet mit weitgehend enttäuschenden Ergebnissen. Zwar gibt es Erfolge bei Finanzierungsfragen: So beschließen die Vertragsstaaten einen Fonds einzurichten, um Klimaschäden auszugleichen, außerdem gibt es ein Sofortprogramm für gesteigerte Klimaschutzaktivitäten. Doch weder legen sich die Länder auf ehrgeizigere CO2-Einsparungen fest, noch gibt es ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Das bedeutet auch: Laut aktuellem Emissions-Gap-Report des UN-Umweltprogramms bleibt eine große Umsetzungslücke: Würden die Länder nur umsetzen, was sie bisher an CO2-Einsparungen angekündigt haben, dann könnte das die Erderhitzung nur auf 2,4 Grad begrenzen. Geht man davon aus, was die einzelnen Länder an Klimapolitik aktuell umsetzen, dann würde das sogar nur für eine Begrenzung auf 2,8 Grad reichen.

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Die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer (r.) und Vanessa Nakate protestieren in Sharm El-Sheikh gegen die Nutzung fossiler Energieträger.

Dass Ankündigungen alleine nicht reichen, zeigt auch die erste Zwei-Jahres-Bilanz des Expertenrates für Klimafragen in Deutschland. Der Expertenrat analysiert die Klimaschutzmaßnahmen, die die Bundesregierungen in den vergangenen zwei Jahren umgesetzt haben. Das Ergebnis: Deutschland wird die selbstgesteckten Klimaziele für 2030 nicht erreichen, wenn es bei den bisher beschlossenen Maßnahmen bleibt. Die Politik müsse sich klare und verbindliche Emissionsobergrenzen geben.

++++ November ++++

Klimaproteste der "Letzten Generation"

Die Diskussion um die Klimaproteste der Gruppe "Letzte Generation" spitzt sich zu. Seit dem Frühjahr hatte die Gruppe mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen unzureichenden Klimaschutz in Deutschland protestiert: Sitzstreiks auf Straßen, Festkleben an der Fahrbahn, Manipulieren von Ölpipelines oder Bewerfen berühmter Gemälde mit Kartoffelbrei. Mit sehr kleinen Gruppen schaffen sie es, den Verkehr auf Autobahnen oder Verkehrsknotenpunkten nachhaltig zu stören. Es entsteht eine heftige öffentliche Diskussion darüber, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf. Nachdem in Bayern mehrere Aktivisten für bis zu 30 Tage in Präventivgewahrsam genommen werden, spitzen sich die Protestaktionen der "Letzten Generation" zu. In Berlin und München blockieren sie im November und Dezember auch die Landebahnen der Flughäfen.

++++ Dezember++++

Neues Klimaschutzgesetz in Bayern

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des ersten Klimaschutzgesetzes in Bayern hat die Staatsregierung das Regelwerk nachgebessert. Demnach soll Bayern ab 2040 klimaneutral werden – fünf Jahre früher als es die Bundesregierung für Gesamtdeutschland anstrebt. Es listet rund 150 Maßnahmen vom Ausbau der Windkraft, über mehr Ladesäulen für E-Autos bis hin zum Pflanzen von 30 Millionen Bäumen. Verbindliche Emissionsgrenzen allerdings auf dem Weg zum Klimaneutralitätsziel setzt es sich nicht. Zudem ist der Wirkungsradius eines Landesgesetzes im Klimaschutz begrenzt, viele Weichenstellungen in der Klimapolitik geschehen auf Bundesebene.

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