Das neuartige Coronavirus verbreitet sich rasend schnell. Die Dunkelziffer ist hoch.
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Warum die Dunkelziffer bei Corona so hoch ist

Warum die Dunkelziffer bei Corona so hoch ist

Anfangs grassierte das Coronavirus in China unentdeckt. Experten glauben, dass die Dunkelziffer im Januar enorm hoch war und sich Covid-19 ungebremst verbreiten konnte. Bis jetzt sind viele infiziert ohne es zu wissen - auch in Deutschland.

Das neuartige Coronavirus verbreitet sich rasend schnell. Alle paar Tage verdoppeln sich die Fallzahlen. Doch hinter den offiziellen Ansteckungszahlen verbergen sich weit mehr Infizierte. Wie viele, weiß niemand genau.

Die Übersichtskarte zu den aktuellen Coronavirusfällen in Bayern finden Sie hier.

Corona-Fallzahlen sind nur Schätzungen

Alle Fallzahlen sind nur ungefähre Schätzungen. Genaue Daten fehlen. Sie werden meist erst im Nachhinein erhoben und können bei einer weltumspannenden Pandemie nie vollständig sein.

"Dadurch, dass wir so einen rapiden, exponentiellen Anstieg von Neuinfektionen gerade sehen, müssen wir davon ausgehen, dass wir sehr viel mehr Infizierte haben. Also die Dunkelziffer sehr viel größer ist." Hendrik Streeck, Professor für Virologie an der Universität Bonn

Repräsentative Stichproben gibt es nicht

Um genaue Daten zu haben, müsste man eine repräsentative Stichprobe quer durch alle Bevölkerungsschichten durchführen. Dann könnte man genauer ermitteln, wie viele Bürger gesund und wie viele mit dem neuartigen Corona-Virus angesteckt sind. Die Dunkelziffer wäre dann kleiner und die Bevölkerung hätte mehr Sicherheit.

"Man hat keine repräsentative Schätzung. Man müsste 5.000 Leute zufällig auswählen und die dann testen. Dann hätte man eher eine Chance, das hochzurechnen, aber diese Kapazität hat man nicht." Helmut Küchenhoff, Leiter des Statistischen Beratungslabors an der LMU München

Berechnungen der Corona-Pandemie erfolgen meist erst im Nachhinein

Forscher um Rhiyun Li vom Imperial College in London und Jeffrey Shaman von der Columbia Universität in New York haben in einer Science-Studie vom 16. März 2020 die Entwicklung der Fallzahlen aus 375 Städten in China im Nachhinein erstellt. Sie wählten den Zeitraum 10. bis 23. Januar 2020, also gleich zu Beginn des Ausbruchs. Dem Modell zufolge könnten mehr als 80 Prozent aller Infektionsfälle im Januar in China unerkannt geblieben sein. Auf jeden nachweislich Infizierten kamen also ungefähr sechs unentdeckte Fälle.

"In einigen Gesellschaften kommen zu Beginn einer Epidemie vielleicht zehn unentdeckte Fälle auf einen nachgewiesenen, in anderen sind es fünf. Wir können uns über die genaue Zahl streiten. Im Großen und Ganzen läuft es aber auf diese Größenordnung hinaus, darauf deuteten auch andere Studien hin." Jeffrey Shaman von der Columbia Universität in New York

Corona-Tests im großen Maßstab führen zu verlässlichen Daten

Ziel der Science-Studie war auch, herauszufinden, wie sich die Infizierten-Zahlen nach dem 23. Januar bis zum 8. März entwickelt haben - also in der Zeit als immer mehr Menschen getestet wurden. Das Ergebnis: Die Zahl der nicht entdeckten Infizierten hat sich in etwa halbiert.

"Ich würde mich selber nicht aus dem Fenster lehnen im Moment zu sagen, dass wir eine zehnfach höhere Durchseuchungsrate haben oder ähnliches. Ich glaube, das kann man sehr schwer schätzen und sehr schwer vorhersagen, wie viele eigentlich infiziert sind in Deutschland." Hendrik Streeck, Professor für Virologie an der Universität Bonn

Auch die Sterblichkeit bei Corona ist nur ein Schätzwert

Neben der Frage, wie viele Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind, gehen auch die Schätzungen bei der Sterblichkeit auseinander. Manche Experten sprechen von einem Prozent, andere von fünf Prozent.

"Die Sterblichkeit errechnet sich aus Todesfällen pro Infizierte. Da muss man Zähler und Nenner genau kennen. Es gibt bei der Sterblichkeit eine eher geringe Dunkelziffer, aber den Nenner - sprich die Zahl der Infizierten - die weiß man nicht so genau. Deshalb ist es schwer, die Sterblichkeit genau einzuschätzen." Helmut Küchenhoff, Leiter des Statistischen Beratungslabors an der LMU München

Datenquellen im Netz zur Corona-Verbreitung

Die Zahl der gemeldeten Infizierten lässt sich auf der Seite der Johns Hopkins Universität stets aktuell verfolgen. Für Deutschland veröffentlicht auch das Robert-Koch-Institut ein tägliches Update zu den absoluten Zahlen. Statistiker an der Ludwig-Maximilians-Universität zeigen auf ihren Karten im Netz, wie viele gemeldete Infizierte es pro 100.000 Personen gibt. Auf dieser Basis lassen sich Regionen und Länder gut vergleichen.

"Man stochert im Dunkeln. Jetzt versucht man allmählich, global Daten zu teilen, um die Lage auch zahlenmäßig genauer abschätzen zu können." Helmut Küchenhoff, Leiter des Statistischen Beratungslabors an der LMU München

Bei einer Pandemie wird es immer eine Dunkelziffer geben, weil nicht alle Statistiken zusammengeführt werden können. Fest steht nur so viel: Die Zahl der Infizierten dürfte in vielen Ländern ein Mehrfaches der gemeldeten Fälle betragen.

Gründe, warum es keine genauen Fallzahlen gibt:

  • Manche Infizierte bleiben weitgehend symptomfrei und wissen gar nicht, dass sie die Krankheit in sich tragen. Ihre Erkrankung erscheint in keiner Statistik.
  • Großflächige Tests wären hilfreich, aber die sind teuer, weil sie Personal, Testmaterial und Schutzkleidung erfordern. In Krisenzeiten ist das nicht machbar.
  • Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung wird getestet: Nur wer Symptome hat und gleichzeitig nachweislich Kontakt zu einem Infizierten hatte oder in einem Risikogebiet war. So fallen viele durchs Raster.