160 Bürgerinnen und Bürger hat der Bundestag im vergangenen Jahr ausgelost, damit sie gemeinsam als Bürgerrat Vorschläge für eine nachhaltige und gesunde Ernährung erarbeiten. Insgesamt neun Forderungen hat dieser nach monatelangen Beratungen formuliert und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am 14. Januar vorgelegt.
Einer der Teilnehmer des Bürgerrats ist der 22-jährige Nils Kurzeder. Ihm ist es wichtig, sich gesund zu ernähren. Das war nicht immer so, sagt der junge Polizist aus Rosenheim. In der Pubertät war er übergewichtig und um die überflüssigen Pfunde wieder loszuwerden, begann er, ins Fitnessstudio zu gehen. Parallel entwickelte er ein Interesse an gesundem Essen. Inzwischen fühlt er sich wohler, wenn Essen und Sport im Einklang stehen.
Seine Erfahrungen hat Nils Kurzeder im Bürgerrat eingebracht und gemeinsam mit den anderen 160 Mitgliedern die neun Vorschläge erarbeitet, unter anderem für ein staatlich finanziertes, gesundes Mittagessensangebot für alle Kita- und Schulkinder in Deutschland.
Mediziner unterstützen Forderung nach gesunder Ernährung
Diese Forderung des Bürgerrats unterstützt auch der Kinder- und Jugendarzt Berthold Koletzko vom Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. In Skandinavien sei es selbstverständlich, dass alle Kinder von der Kita bis zum Abitur täglich ein kostenloses, qualitätsgesichertes Schulessen bekommen. Das sei auch für Deutschland unbedingt wünschenswert.
Koletzko unterstreicht die Forderung des Bürgerrats zur Verpflichtung für qualitativ hochwertiges Essen in allen Bildungseinrichtungen und begrüßt auch die Forderung des Bürgerrats ausdrücklich, dass dies ohne Kosten für die Familien abgegeben werden soll. Als Vorstand der "Stiftung Kindergesundheit" für gesundheitsfördernde Programme an Schulen und Kitas kämpft Koletzko gegen Fehlernährung und Bewegungsmangel.
Essen sich Kinder häufig mit hochkalorischen, industriellen Produkten satt, wie Pommes frites und Süßgetränken, präge das einen ungesunden Lebensstil. In Deutschland sei mittlerweile mehr als jedes fünfte Kind im Alter von 12 bis 13 Jahren übergewichtig, betont Koletzko. "Die kindliche Adipositas führt zu stark erhöhten Krankheitsrisiken im Kindes- und Erwachsenenalter zum Beispiel für Diabetes, die Zuckerkrankheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall und Schäden am Muskel- und Skelettsystem. Aber auch verschiedene Krebsarten wie zum Beispiel Darm- und Brustkrebs sind erhöht", so seine Beobachtung.
Angestrebtes Ziel: Kostenloses Mittagessen an Schulen und Kitas
Obwohl internationale Studien eine schlechtere Lebensqualität und frühere Todesfälle belegen, sind die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Schulküchen und Kantinen nicht verpflichtend. Standards für die Verpflegung in Kitas und Schule sind bislang Ländersache.
Die kommunalen und privaten Träger der Einrichtungen entscheiden über das tatsächliche Angebot, erklärt das bayerische Gesundheitsministerium. Der Freistaat bezuschusst Mittagessen aktuell nicht. Auf Antrag kann der Essenspreis für bedürftige Familien aber teilweise oder komplett übernommen werden. Die Behörde begrüßt den Vorschlag des Bürgerrats: Eine kostenfreie Verpflegung könne eine gesundheitsförderliche Ernährung erleichtern.
Schulleiter: "Kinder, die satt sind, lernen auch gut"
Diese Einschätzung teilt auch der Münchner Grundschulleiter Michael Hoderlein-Rein von der Grundschule Berg am Laim. Für das gesunde Mittagessen zahlen Familien hierzulande etwa 80 Euro pro Monat. Der Vorschlag des Bürgerrats erhöhe die Chancengleichheit, so Hoderlein-Rein: "Gerade im Ganztagsbildungsbereich ist das eine wichtige Komponente, dass das Mittagessen ernährungsphysiologisch ausgewogen ist. Mit viel Gemüse, mit Essensmöglichkeiten, die den Kindern auch schmecken."
In der Grundschule Berg am Laim essen rund 450 Kinder täglich zu Mittag und die gemeinsame Mahlzeit mit Lehrkräften sowie Erziehern komme gut an, zeigen Umfragen des Elternbeirats. Hoderlein-Rein betont, auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband setze sich für bessere Teilhabe und Entwicklung aller Kinder ein: "Wir halten es für sehr wichtig, dass das Essen kostenfrei ist für die Familien, damit wirklich alle Kinder teilnehmen können und damit nicht die Frage des Geldes am Ende ausschlaggebend wird für Bildungsgerechtigkeit. Kinder die gut gegessen haben, die satt sind, lernen auch gut und können in der Schule gut mitarbeiten."
Die Kosten dafür hat das Gesundheitsministerium schon überschlagen: Eine ausgewogene Mahlzeit mit einem Bio-Anteil von 20 Prozent regionalen Lebensmitteln könne man für rund 5,70 Euro anbieten. Auf alle bayerischen Kitas und Schulen, die Ferienbetreuung und Ganztagsangebote hochgerechnet, wären das 574 Millionen Euro jährlich.
Strategie der Ampel für "Gutes Essen für Deutschland"
Bürgerrats-Mitglied Nils Kurzeder wünscht sich deshalb eine politische Initiative: "Ich hoffe, dass die Forderung zum Mittagessen vom Bundestag ernst genommen wird, dass sie umgesetzt wird und wir so unsere Kinder in Zukunft unterstützen können." Einen ersten Schritt hat die Bundesregierung diese Woche getan. Am Mittwoch hat Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Strategie der Ampelregierung für "Gutes Essen für Deutschland" vorgelegt. Die sieht unter anderem vor, dass es in allen Kantinen und Mensen künftig gesünderes Essen geben soll. Davon würden dann auch die Kinder profitieren.
Video: Bürgerrat - Ernährung im Wandel
Video: Bundesregierung - Strategie für gesündere Ernährung
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