Ein dickes Mädchen stochert am 29.08.2014 in Hamburg in seiner Nachspeise herum.
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Die Corona-Pandemie hinterlässt vor allem bei der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ihre Spuren. Das belegt eine Umfrage unter Eltern.

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Jedes sechste Kind seit Corona-Pandemie dicker geworden

Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Fast die Hälfte bewegt sich weniger als vor der Pandemie, ein Viertel isst mehr Süßigkeiten. Das zeigt eine Umfrage unter Eltern von minderjährigen Kindern.

Homeschooling, Lockdown - zu Beginn der Pandemie waren selbst Spielplätze zeitweise gesperrt. Darunter litten nicht nur die Nerven und die Geduld in vielen Haushalten, sondern auch die Gesundheit der Jüngsten. Jeder geht unterschiedlich mit der Pandemie um. Bei nicht wenigen sind psychische Probleme hinzugekommen. Aber auch körperlich haben die vergangenen Jahre Spuren hinterlassen.

Auswirkungen der Corona-Pandemie gegenüber Beginn gefestigt

Welche gesundheitlichen Probleme bei Kindern und Jugendlichen aufgekommen sind, haben die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und das Else-Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München mit einer Umfrage erfasst, deren Ergebnisse heute vorgestellt wurden.

Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im März und April 2022 insgesamt 1.004 Eltern mit Kindern im Alter von drei bis 17 Jahren befragt. Eine ähnliche Umfrage wurde bereits im September 2020 durchgeführt, die zeigt, dass sich die Auswirkungen der Pandemie verfestigt haben.

Gewichtszunahme vor allem bei Zehn- bis Zwölfjährigen stark

Demnach sind 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen während der Krise dicker geworden - im September 2020 waren es neun Prozent. Besonders auffällig ist die Gewichtszunahme bei Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren - dort ist es fast ein Drittel.

"Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen. Das ist alarmierend, denn Übergewicht kann schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen." Oberärztin an der Universitätskinderklinik Halle/Saale Susann Weihrauch-Blüher, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG

Je mehr Gewicht, desto ungesünder die Ernährung

Auffällig ist, dass vor allem Kinder, die schon vor der Pandemie von Übergewicht betroffen waren, noch dicker geworden sind - etwa jedes zweite von ihnen. Und diese Kinder sind auch maßgeblich diejenigen, die sich seit der Corona-Krise noch ungesünder ernähren.

Das sind 31 Prozent derjenigen, die schon vorher übergewichtig waren gegenüber 16 Prozent für alle Kinder. Bei den allermeisten, nämlich drei Vierteln der Kinder, hat sich die Ernährung allerdings nicht verändert.

Fast die Hälfte der Kinder bewegt sich weniger - Höhere Mediennutzung im Lockdown

Ist mangelnde Bewegung dann der Grund für die Gewichtszunahme? 44 Prozent der Kinder bewegen sich seit der Pandemie weniger, nur sieben Prozent mehr. Das fällt vor allem in den höheren Altersgruppen auf. Während sich das Bewegungsverhalten bei der Mehrheit der Drei- bis Neunjährigen nicht verändert hat, ist gerade bei den Zehn- bis 17-Jährigen auffällig, dass sich über die Hälfte von ihnen weniger bewegt. Parallel dazu hat sich bei einem Drittel der Kinder und Jugendlichen die körperlich-sportliche Fitness verschlechtert.

Hinzu kommt, dass 70 Prozent der Kinder mehr Medien nutzen als vorher, also mehr am Handy, der Spielekonsole, vor dem Fernseher oder dem PC sitzen. Eine Gefahr sehen die Experten darin, dass diese Gewohnheiten, die durch die Ausgangsbeschränkungen entstanden sind, nicht nur temporär zu sein scheinen. Die Änderung der Mediennutzung zeigt sich über alle sozioökonomischen Gruppen gleichermaßen.

Kinder aus einkommensschwachen Familien stärker betroffen

Kinder aus einkommensschwachen Familien sind generell häufiger von einem schlechteren Gesundheitszustand betroffen. Von ihnen haben fast doppelt so viele zugenommen wie Kinder aus einkommensstarken Familien.

Woran könnte das liegen? Der Umfrage nach befanden sich Eltern mit niedrigem Einkommen wesentlich seltener im Homeoffice: Es waren 46 Prozent, die zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiteten. Eltern mit hohem Einkommen waren zu 83 Prozent mindestens zeitweise im Homeoffice.

Mehr Kochen, aber auch mehr Süßigkeiten

Mehr Homeoffice führt der Umfrage nach auch zu mehr gemeinsamen Mahlzeiten und häufiger selbst gekochten Mahlzeiten. So essen 43 Prozent derjenigen, die mindestens zeitweise im Homeoffice arbeiteten, häufiger gemeinsam mit der Familie gegenüber 16 Prozent, die nicht im Homeoffice arbeiten konnten.

Bei der Frage, was die Kinder denn mehr während der Pandemie aßen, lagen Süßwaren mit 27 Prozent weit vorne, gefolgt von Knabberartikeln und Obst auf dem dritten Platz. Am meisten nahm der Konsum von Fast Food und Softgetränken ab, was auf geschlossene Restaurants während der Lockdowns zurückzuführen sein könnte.

Zuckersteuer und niedrigschwellige Therapien als Maßnahmen

Während die Ergebnisse der Umfrage Experten aufhorchen lassen, bergen sie noch eine weitere Gefahr: "Die Folgen der Pandemie müssen aufgefangen werden, sonst werden die 'Corona-Kilos' zum Bumerang für die Gesundheit einer ganzen Generation", warnt Hans Hauner, Direktor des EKFZ für Ernährungsmedizin und DAG-Vorstandsmitglied.

Daher empfehlen DAG und EKFZ für Ernährungsmedizin die sofortige Umsetzung einiger Maßnahmen. So soll eine Besteuerung von Zuckergetränken eingeführt, Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel gesetzt und eine Stärkung der Adipositas-Therapie angestrebt werden, da sie in Deutschland nicht in allen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird.

Auch sollte sie niedrigschwelliger gestaltet werden, damit sie möglichst früh greifen kann. Zusätzlich wird eine Mehrwertsteuerbefreiung für Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte empfohlen. Die Experten appellieren allerdings auch an die Eltern, die ihren Kindern mit einem gesunden Lebensstil ein Vorbild sein sollten.

Umfrage eindeutig, aber keine repräsentativen Messungen

Bei Umfragen ist jedoch immer zu beachten, dass es zu methodischen Einschränkungen kommen kann. Nicht jedes Elternteil gibt gerne zu, dass sein Kind zugenommen hat. Daher ist von einer Untererfassung bei manchen Angaben auszugehen.

Eine bundesweite Erhebung des Körpergewichts von Kindern und Jugendlichen nahm das Robert Koch-Institut zuletzt 2014 bis 2017 vor. Ähnliche Umfragen zur Gewichtszunahme während der Pandemie lassen aber vergleichbare Ergebnisse vermuten.

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