Dass Amphibien, zu denen Frösche, Kröten, Salamander, Molche und tropische Blindwühlen gehören, unter der Pilzerkrankung Chytridiomykose leiden können, ist schon länger bekannt. Nicht aber, wie aggressiv sie wütet und dass sie bereits ganze Arten dahingerafft hat: Innerhalb von fünfzig Jahren hat die kurz auch Chytrid genannte Krankheit die Bestände von mehr als 500 Amphibienarten rund um den Globus dezimiert. Neunzig Arten gelten in der freien Natur bereits als ausgestorben.
Museum für Naturkunde an Studie zum Amphibiensterben beteiligt
Ein Team um Ben Scheele von der Australian National University in Canberra, Australien, hat die Daten aus Roten Listen, Fachliteratur und Gesprächen mit Amphibienexperten aus aller Welt zusammengetragen und am 29. März 2019 in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht. Auch das Museum für Naturkunde Berlin war an der umfangreichen Studie beteiligt.
Chytridiomykose wird von einem Pilz ausgelöst
Die Krankheit ist heimtückisch. "Sie wird durch einen Chytridpilz verursacht, der wahrscheinlich aus Asien stammt, wo lokale Amphibien resistent gegen die Krankheit zu sein scheinen", erklärt Ben Scheele. Batrachochytrium dendrobatidis heißt der Chytridpilz, der 1998 entdeckt wurde und eigentlich zu einer Gruppe von harmlosen Boden- und Wasserpilzen gehört. Er reiste jedoch mit Menschen und Tieren um die Welt und entwickelte sich weiter. Der Pilz greift die Haut der Amphibien an. Das wird ihnen deshalb zum Verhängnis, weil ihr Stoffwechsel über die Haut abläuft. Vereinfacht gesagt vergiften sich die befallenen Tiere selbst.
Große Amphibien in Feuchtgebieten sind besonders gefährdet
Der Chytridpilz übertragt sich für die Amphibien unbemerkt übers Wasser und befällt viele verschiedene Arten. Zwar scheinen einige Arten Resistenzen gegen die Krankheit zu entwickeln. Aber selbst die Arten, die nicht erkranken, nutzt der Pilz als Überlebensraum. Insgesamt zeigt sich die Chytridiomykose bei 6,5 Prozent der wissenschaftlich beschriebenen Amphibien. Die Forscher haben festgestellt, dass es vor allem bei den Arten starke Populationsrückgänge gibt, die einen großen Körper haben, in ständig feuchten Gebieten leben und eng mit dem Lebensraum Wasser verbunden sind. Die Wissenschaftler schreiben, dass es nahezu unmöglich sei, den Pilz wieder zu eliminieren, sobald er einmal in einem Ökosystem vorhanden ist.
Auch unserem Feuersalamander setzt ein Chytridpilz zu
Chytrid wurde bislang bereits in rund sechzig Ländern nachgewiesen. Die schlimmsten Auswirkung zeigten sich bislang bei den Froschlurchen und Schwanzlurchen in Mittel- und Südamerika sowie in Australien. In den übrigen Erdteilen ist der Pilz zwar vorhanden, löst aber nur bei wenigen Arten die Krankheit aus. Neben Batrachochytrium dendrobatidis ist bislang noch ein zweiter Chytridpilz bekannt: Batrachochytrium salamandrivorans. Er wurde erst 2013 entdeckt - und befällt unsere Feuersalamander.
"Die Globalisierung und der Handel mit Wildtieren sind die Hauptursachen dieser globalen Pandemie und ermöglichen die weitere Ausbreitung von Krankheiten." Ben Scheele, Umweltwissenschaftler, Australian National University, Canberra, Australien
Chytridpilz gehört zu den gefährlichsten invasiven Arten
Die beispiellose Zahl von verschwindenden Amphibienarten macht den Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis laut der Forscher zu den gefährlichsten invasiven Arten überhaupt. Viele der untersuchten Arten zeigen selbst zehn bis zwanzig Jahre nach dem Auftauchen des Chytridpilzes noch andauernde Bestandsrückgänge. Für die Wissenschaftler ist Chytrid die Krankheit, die bislang zum größten Verlust an Biodiversität geführt hat. Der australische Wissenschaftler Ben Scheele geht davon aus, dass hochvirulente Wildtierkrankheiten inklusive der Chytridpilze zum derzeitigen globalen Massenausterben von Tieren und Pflanzen nachhaltig beitragen.
"Die Krankheit hat weltweit viele Amphibienarten zum Aussterben gebracht, darunter wirklich bemerkenswerte Arten." Ben Scheele, Umweltwissenschaftler, Australian National University, Canberra, Australien
Menschen verbreiten Amphibien - und damit den Chytridpilz
Die Forscher warnen davor, dass sich die Chytridiomykose noch weiter in der Welt ausbreitet und plädieren dafür, das Sammeln sowie den Handel mit wilden Tieren einzudämmen. Damit der Mensch dem Chytridpilz nicht noch bei der Verbreitung hilft.
Resistenzen erforschen und Schutzmaßnahmen entwickeln
Die Aufgabe der Forscher ist es nun, die resistenten Amphibienarten genauer zu untersuchen. Wenn sie wissen, warum der Pilz manchen Arten nichts anhaben kann, könnten sie diese Strategie eventuell auf andere Arten anwenden. Auch müssen die Experten die Amphibienarten identifizieren, die künftig am ehesten von der Krankheit betroffen sein könnten, und vorbeugende Schutzmaßnahmen treffen. In Australien zum Beispiel gibt es bereits Schutzprogramme und neu entwickelte Techniken zur Wiederansiedlung von verschiedenen Amphibienarten.
"Die Haltung und Zucht in Menschenobhut wird die letzte Chance für viele Arten zum Überleben sein." Mark-Oliver Rödel, Wissenschaftler, Museum für Naturkunde Berlin