Wirtschaftsminister Habeck, Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner (Archiv)
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Unternehmen in Deutschland zahlen zu viele Steuern und Abgaben. Aber wie kann gegengesteuert werden - und wie soll das finanziert werden?

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Regierung dämpft Erwartungen in Debatte über Steuerentlastungen

Was kann der lahmenden deutschen Wirtschaft neuen Schwung verleihen? Sondervermögen, Abschaffung des Soli, Steuerentlastungen - es hagelt an Ideen. Doch es fehlt ein Konzept. Kanzler Scholz reagiert zurückhaltend.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Bundeskanzler Olaf Scholz hat zurückhaltend auf die Debatte über eine steuerliche Entlastung für Unternehmen reagiert. Scholz habe die aktuellen Wortmeldungen "aufmerksam zur Kenntnis genommen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin auf die Frage nach Äußerungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Alles Weitere wolle er aber intern in der Ampel-Regierung besprechen. Auch aus dem Finanzministerium hieß es, alle Vorschläge sollten zunächst innerhalb der Regierung beraten werden. "Dann wird ein Gesamtpaket zusammengetragen", so ein Sprecher. Zugleich wurde in Regierungskreisen auf die völlig offene Finanzierung einer Entlastung verwiesen.

Lindner-Vorstoß: Abschaffung des Soli

Mit Blick auf die lahmende Konjunktur hatten sowohl Habeck als auch Lindner mehr Hilfe für die Unternehmen gefordert - aber dazu völlig unterschiedliche Vorstellungen geäußert. Lindner schlug etwa eine völlige Abschaffung des Solidarzuschlages vor, was auch Firmen entlasten würde. Zudem hätte dies den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belasten würden.

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte den Soli-Vorstoß. "Die Abschaffung des Rest-Solis ist überfällig, der im Grund eine verkappte Unternehmenssteuer ist – zwei Drittel der Kosten tragen die Unternehmen", sagte Hüther der "Rheinischen Post".

SPD und Grüne weisen Lindners Soli-Vorschlag zurück

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken erteilte Lindners Idee eine klare Absage. "Ich bin der Auffassung, dass wir diese (...) 30 Milliarden, die dann dort fehlen würden, dass wir die im Haushalt nirgends gegenfinanzieren können", sagte Esken am Montag. "Insofern sehe ich die Tauglichkeit dieses Vorschlags nicht."

Kritik kam auch von den Grünen: In der Debatte über Instrumente zur Ankurbelung der Konjunktur müsse es vor allem um Anreize für private und öffentliche Investitionen gehen, sagte Co-Parteichefin Ricarda Lang. Die in der Bundesregierung diskutierten Mittel müssten in diesem Sinne helfen. "Eine Abschaffung des Solis würde das aus meiner Sicht nicht tun", sagte Lang. "Das würde vor allem einen Mitnahmeeffekt erzeugen. Und ich habe bisher auch noch keinen Vorschlag zur Gegenfinanzierung gehört."

Lang verwies darauf, dass Habeck die Schaffung eines aus Schulden finanzierten Sondervermögens für Wirtschaftsanreize vorgeschlagen habe, ähnlich dem 100-Milliarden-Fonds für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. Dafür wäre aber die Unterstützung durch die Union erforderlich. Perspektivisch nach dem Jahr 2025 strebten die Grünen weiter eine Reform der Schuldenbremse an, die stärker unterscheide zwischen konsumtiven und investiven Ausgaben, so Lang.

IHK-Hauptgeschäftsführer im Interview

 IHK-Hauptgeschäftsführer Gößl.
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Ein Gespräch mi Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern, über die Wirtschaftsförderung.

Habeck kooperationsbereit

Habeck war nach Kritik der FDP von seinem Vorschlag für ein Sondervermögen zurückgerudert und regte am Sonntag in der ARD auch bessere Abschreibungsbedingungen an, um schnell den Anstoß für Investitionen in neue Produktionsanlagen zu geben. Zu seinem Vorstoß im Bundestag sagte der Vizekanzler: "Das ist eine Einladung", um über die Entlastung der Wirtschaft zu reden.  

Habeck bekräftigte seine Analyse, dass die deutsche Wirtschaft eine Investitionsschwäche habe und die Steuerlast für viele Firmen höher als im internationalen Wettbewerb seien. Der Grünen-Politiker verwies auf das Wachstumschancengesetz der Regierung. Dieses hat die Hürde Bundesrat bislang nicht genommen. In den Ländern gibt es Bedenken. Habeck sprach von einem Entlastungsvolumen von acht Milliarden Euro und der Gefahr, dass es wegen des Streits mit den Ländern nur "homöopathische" Entlastungen geben werde. Alle Experten sagten, das sei viel zu wenig.

Länder und Kommunen befürchten Einnahmeausfälle

Hintergrund des Widerstands von Ländern und Kommunen ist, dass sie den Großteil der Einnahmeausfälle aus den geplanten steuerlichen Entlastungen für Firmen tragen müssten. "Es ist geradezu empörend, dass von den angekündigten sieben Milliarden Euro Entlastung für die Wirtschaft nun vielleicht nur drei Milliarden Euro oder gar noch weniger realisiert werden", kritisierte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der Union, Wolfgang Steiger, am Montag.

Wirtschaftsverbände hoffen auf schnelle Einigung

Wirtschaftsverbände schlagen Alarm, dass die Regierung etwas zur Ankurbelung der Konjunktur und wegen des internationalen Wettbewerbs etwas für den Standort Deutschland tun müsse. Dass sowohl Habeck als auch Lindner sich für eine Entlastung einsetzten, hatte zunächst Hoffnungen geweckt, dass die Ampel-Koalition ihre bisherige interne Blockade überwindet.

Im BR24-Interview forderte Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern, von der Politik Wachstumsimpulse für die Wirtschaft. Die angestrebte Reform der Unternehmenssteuern seitens des Bundeswirtschaftsministeriums halte er für richtig. Allerdings betonte er, dass eine solche Reform nicht über Schulden finanziert werden sollte. Gößl kritisierte die hohe durchschnittliche Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland, die bei etwa 30 Prozent liege und im internationalen Vergleich zu hoch sei. Er plädierte dafür, die Quote auf 24 Prozent zu senken, wie es im benachbarten Österreich der Fall ist.

Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, sagte Welt-TV: "Einmal mehr verstärkt sich der Eindruck des Dauerstreits in der Ampel. Der Wirtschaftsminister spricht nicht mit dem Finanzminister, der Kanzler ist eh verschwunden." Die CDU-Bundestagsabgeordnete warnte: "Den Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals - die Unternehmen haben keine weiteren zwei Jahre mehr."

Mit Informationen von Reuters, dpa und AFP

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