Schulkinder einer zweiten Klasse sitzen am ersten Schultag nach den Sommerferien in einer bayerischen Grundschule (Symbolbild).
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Schulkinder einer zweiten Klasse sitzen am ersten Schultag nach den Sommerferien in einer bayerischen Grundschule (Symbolbild).

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Mehr Deutsch und Mathe an Grundschulen: Was soll dafür weg?

Markus Söder will nicht weniger Religionsunterricht, die Chorverbände warnen vor weniger Musik - weiter ist offen, was für mehr Deutsch und Mathematik an Bayerns Grundschulen weichen soll. Bemerkenswert ist eine Umfrage unter Englischlehrkräften.

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Mehr Deutsch und Mathematik an Bayerns Grundschulen, aber nicht generell mehr Wochenstunden: Damit will Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) ab dem kommenden Schuljahr auf das teils beunruhigende Abschneiden Deutschlands bei der jüngsten Pisa-Studie reagieren. "Lesen, Schreiben, Rechnen ist das Wichtigste, was unsere Schülerinnen und Schüler können müssen", betont Stolz.

Seit ihrer Ankündigung wird im Freistaat munter diskutiert: Was fällt dafür weg in den Grundschulen, wo wird gekürzt? Während Stolz auch Kürzungen beim Religionsunterricht zumindest für denkbar hält, schiebt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) solchen Überlegungen einen Riegel vor. "Bei Religion wird nicht gekürzt", sagt Söder. "Hinter Religion steht auch Werteerziehung." An Söders Ansage gibt es allerdings Kritik. Stolz wiederum schließt laut einem Ministeriumssprecher aus, etwa beim Sportunterricht zu kürzen.

Englisch an Grundschulen verzichtbar?

Der Bayerische Philologenverband (bpv) wiederum berichtet, dass eine Umfrage unter 300 Englischlehrkräften an Gymnasien im Juli 2023 ergeben hat, "dass das Englischniveau der Grundschüler nach dem Übertritt ans Gymnasium nicht ausreicht, um sinnvoll darauf aufzubauen". Demnach waren bereits damals 82 Prozent der Befragten dafür, Englisch an Grundschulen durch die Kernfächer Mathematik und Deutsch zu ersetzen.

Für den Philologenverband ist klar: "Die Vorteile durch einen frühen Englischunterricht wiegen die Nachteile an den weiterführenden Schulen, die durch eine geringere Sprachkompetenz im Deutschen entstehen, bei weitem nicht auf." Bayern müsse deshalb "keine Angst haben, im Vergleich der Bundesländer an dieser Stelle neue Wege zu gehen". Auch durch die steigende Schülerzahl von Kindern mit Migrationshintergrund hätten sich die Rahmenbedingungen seit der flächendeckenden Einführung von Englisch in Bayerns Grundschulen vor 20 Jahren geändert.

Womöglich läuft es am Ende also darauf hinaus, die jeweils zwei Stunden Englisch in den Klassen drei und vier zu streichen. Hier sieht auch Söder Kürzungspotenzial: "Erstmal muss man gut Deutsch können, bevor man über Englisch nachdenken kann." Ganz anders klang im vergangenen Sommer noch der damalige Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler): Er sehe keine Notwendigkeit, den Englischunterricht abzuschaffen, sagte Piazolo damals. Ohnehin ist klar: Nur Englisch wegzulassen, wird nicht reichen.

Chorverbände warnen vor weniger Musikunterricht

Auf dem Stundenplan stehen in der Grundschule in Bayern neben Deutsch und Mathematik die Fächer Heimat- und Sachunterricht, Kunst, Musik, Sport, Religion/Ethik, Englisch sowie Werken und Gestalten. Eine andere Möglichkeit, mehr Deutsch und Mathe im Stundenplan zu verankern, wäre z.B. weniger Musikunterricht.

Doch auch hier gibt es schon jetzt Widerstand. Die vier bayerischen Chorverbände, die nach eigenen Angaben rund 90.000 aktive Sängerinnen und Sänger in Bayern vertreten, warnen vor Streichungen bei den Musikstunden. "Gerade Musikunterricht und musikalische Betätigung tragen ganz wesentlich zur sprachlichen und darüber hinaus zur sozial-emotionalen Bildung bei", schreiben die Chorverbände in einer Mail an Ministerin Stolz. Gemeinsames Musizieren stärke auch die Gemeinschaft und soziale Kompetenz.

Welche Fächer dürfen "nicht angetastet werden"?

Für alle Grundschulklassen sieht die bayerische "Pisa-Offensive" jeweils eine Stunde mehr Deutschunterricht pro Woche vor. Für die Jahrgangsstufen eins und vier soll es zudem eine weitere Mathematik-Stunde wöchentlich geben. Geplant ist, dass Bayerns Kultusministerium den Schulen Spielraum lässt, wie genau sie den Stundenplan zugunsten von mehr Deutsch und Mathematik umbauen. Es soll allerdings eine Liste an Fächern geben, "die nicht angetastet werden dürfen".

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) findet mehr Deutsch und Mathe richtig, will aber nicht, dass dafür in den Grundschulen an anderer Stelle gekürzt wird. "Die Kinder an der Grundschule brauchen mehr! Mehr Bildung, mehr Förderung und mehr Differenzierung. Keinesfalls weniger!", sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Die Inklusion, die Integration, die Digitalisierung, die individuelle Förderung und die Ganztagsschule bräuchten "mehr Unterricht, mehr Personal und mehr Förderung".

Kitas: Zuletzt weniger Wochenstunden im Vorkurs Deutsch

Allerdings beginnt Sprachförderung nicht erst im Grundschulalter, sondern bereits im Kindergarten. Hier gibt es in Bayern laut der SPD-Landtagsfraktion Verbesserungsbedarf. Demnach zeigt eine aktuelle Anfrage der Sozialdemokraten an die Staatsregierung, dass die Zahlen der Sprachkurse für Kindergartenkinder seit über drei Jahren rückläufig sind. "Im Schuljahr 2020/2021 fanden für Bayerns Kindergartenkinder noch 9.191 Wochenstunden im Vorkurs Deutsch statt, im darauffolgenden Jahr 2021/2022 waren es noch 8.737 Wochenstunden und in 2022/2023 nur noch 7.771 Stunden."

Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) mahnt zu mehr Sprachförderung für Kinder in Bayern. "Wir brauchen bereits in Kindertagesstätten konsequente Sprachförderung und verpflichtende Sprachstandserhebungen", sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Lob gibt es aber auch: Die Staatsregierung habe mit dem Plan, die Zahl der Deutsch- und Mathestunden in der Grundschule zu erhöhen, wichtige Schritte eingeleitet.

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