Unternehmenssteuern: Wie belastet sind Firmen in Deutschland?
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Unternehmenssteuern: Wie belastet sind Firmen in Deutschland?

Die Bundesregierung will Unternehmen entlasten. Wie das allerdings konkret geschehen soll, ist noch unklar. Das liegt auch daran, dass das Steuersystem komplex ist und viele Schlupflöcher bietet. Auch ein Vergleich mit dem Ausland ist schwierig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen eine Steuerreform für Unternehmen angehen und weitere Erleichterungen für die Wirtschaft schaffen. Darüber, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen, gibt es allerdings noch keine Einigkeit. Auch nicht darüber, an welchen Stellschrauben am besten gedreht werden soll.

Streitpunkt: Was hilft den Unternehmen?

Streitpunkt ist beispielsweise die Frage, ob niedrigere Steuern, wie Lindner es vorschlägt, oder steuerliche Anreize für Investitionen in Energiewende und Klimaschutz, wie Habeck es will, den Unternehmen mehr helfen. Habeck würde gern – ähnlich wie für die Bundeswehr – ein milliardenschweres Sondervermögen bilden für Investitionen, welche die Unternehmen dann von der Steuer absetzen könnten. Dazu hat Habeck, mehr oder weniger spontan und ohne Absprache mit den Koalitionspartnern in der Ampel (SPD und FDP), im Bundestag einen Vorschlag gemacht, - allerdings, ohne Einzelheiten zu nennen.

Hinter beiden Vorschlägen von Lindner und Habeck steht auch die Frage nach der Steuergerechtigkeit.

Unternehmer zahlen Einkommensteuer – Unternehmen Körperschaftsteuer

Bei Unternehmen muss man zwischen inhabergeführten Kleinbetrieben unterscheiden, wo Chef oder Chefin und Eigentümer oder Eigentümerinnen ihren Betriebsgewinn als privates Einkommen versteuern – bis zum Spitzensteuersatz von 42 Prozent oder gar mit der sogenannten Reichensteuer zu 45 Prozent (ab 277.826 Euro Jahreseinkommen). Daneben fällt auch noch die Gewerbesteuer an.

Auf der anderen Seite stehen die Körperschaften genannten Gesellschaften wie die GmbH oder die Aktiengesellschaft (AG). Die bezahlen zunächst einmal eine Körperschaftsteuer von bundesweit 15 Prozent sowie noch regionale Steuern wie die Gewerbesteuer, die je nach Kommune unterschiedlich hoch ist. Die OECD hat im Jahr 2023 einen kombinierten Körperschaftsteuersatz von durchschnittlich 29,94 Prozent für gesellschaftlich organisierte Unternehmen in ganz Deutschland ermittelt. Das sieht im internationalen Vergleich nicht gerade günstig aus.

Reine Körperschaftsteuer für Unternehmen in Deutschland eher hoch

Denn mit annähernd 30 Prozent liegt Deutschland im oberen Bereich bei der Körperschaftsteuer. Deutlich mehr zahlt man nur noch in Kolumbien (35 Prozent) und im Euro-Land Portugal (31,5 Prozent). Deutlich weniger ist es laut der OECD-Statistik in Frankreich, in den USA oder in den Niederlanden, wo rund 25,8 Prozent zu bezahlen sind. In Spanien, Belgien und Luxemburg sind es gar nur 25 Prozent. Österreich (24 Prozent), Israel (23 Prozent), Griechenland, Dänemark und Norwegen mit jeweils 22 Prozent können sogar das noch unterbieten.

Bei 20 Prozent kommt man nach Schweden (20,6 Prozent) Estland, Lettland, Finnland und Island, in die Türkei sowie in die Schweiz, die mit 19,65 Prozent sogar noch darunter liegt. In einer Liga mit 19 Prozent spielen Polen, Tschechien, Großbritannien und Slowenien.

Am Ende stehen dann noch drei echte Niedrigsteuerländer mit Litauen (15 Prozent), Irland (12,5 Prozent) und Ungarn (neun Prozent).

Die Statistik als Grafik können Sie hier einsehen: Körperschaftsteuersätze in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2023.

Internationale Vergleiche meist stark vereinfacht bei allen Bezugsgrößen

Wenn diese Körperschaften dann aber ihre Gewinne an Aktionäre oder andere Gesellschafter ausschütten wollen, entstehen bei der Steuerbelastung wieder ganz andere Werte. So haben die Experten vom ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) herausgefunden, dass die Schweiz kein Niedrigsteuerland mehr ist, wenn ein Unternehmen sich dort erst einmal etabliert hat und regelmäßig Gewinne ausschüttet:

"Dabei zeigt sich, dass gerade die Kantone mit umfangreichen Steuerkompetenzen ausgestattet sind. Das erlaubt ihnen sowohl auf den Erfolg (kantonale Körperschaftsteuer) als auch auf das Unternehmensvermögen (kantonale Kapitalsteuer) Steuern zu erheben. Häufig kommen auch noch Steuern auf Ebene der Gemeinden hinzu", schrieb Gunter Grittmann in einer ZEW-Studie, in der er zu dem Ergebnis kommt, dass Deutschland besser als sein Ruf sei bei den Unternehmenssteuern, wenngleich es hier noch einiges nachzuholen gebe, auch in Sachen niedrigerer Steuersätze.

Auch in den USA sind für Unternehmen neben den landesweiten Steuern auch regionale Abgaben zu bezahlen. Und die können zwischen Bundesstaaten wie Kalifornien, das als Hochsteuerland gilt, und Texas oder Alaska sehr unterschiedlich ausfallen.

Vorteile und Nachteile je nach Art der Besteuerung

Als abschreckendes Beispiel nennt Gritmann Frankreich, wo für Unternehmen in hohem Maße ertragsunabhängige Steuern anfielen, die auch im Fall von Verlusten ungemindert zu bezahlen seien. Das betreffe insbesondere junge und forschungsintensive Unternehmen wie Start-ups, die in ihrer Anfangsphase zunächst noch hohe Anlaufverluste haben – und in Frankreich trotzdem Steuern entrichten müssen.

Solche Substanzsteuern sind in Deutschland dagegen kein Thema, mit Ausnahme von der Grundsteuer auf Immobilienbesitz vielleicht. Bei uns können Unternehmen ihre Steuerlast durch Investitionen und mögliche Anlaufverluste in der Regel mindern und zahlen so lange wenig an den Fiskus, wie sie auch wenig verdienen. Diesen steuerlichen Grundsatz scheint es so in Frankreich nicht zu geben.

Schweiz besteuert Gewinne höher – Frankreich besteuert die Substanz

Bei der Besteuerung ist auch die Ermittlung von Gewinnen ganz entscheidend. Was Unternehmen als laufende Erträge und am Ende auch als Nettogewinn ausweisen müssen, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Mithilfe transnationalen Strukturen wie etwa einer Finanzholding lassen sich außerdem Strukturen schaffen, mit denen unter anderem die Steuerbelastung drastisch sinken kann.

So lassen sich Erträge leicht verschleiern oder ins Ausland transferieren, indem zum Beispiel der Mutterkonzern an Tochterfirmen teure Kredite vergibt. Manche Töchter müssen mit überhöhten Lizenzgebühren für die Nutzung von Namen, Patenten oder anderen Rechten bezahlen, was deren Gewinn reduziert. Als Konzernsitz bietet sich zum Beispiel Irland an, wo die Steuersätze niedrig sind und steuerliche Vorschriften großzügig ausgelegt werden. Die EU sah sich schon öfter gezwungen, Irland dazu aufzufordern, fällige Steuern auch wirklich einzutreiben - mit mäßigem Erfolg.

Google versteuert "Double Irish with a Dutch Sandwich"

Wie man Gewinne perfekt verschiebt, sodass möglichst keine Unternehmenssteuern anfallen, hat der Internetriese Google aufgezeigt: Mit einem doppelten Firmensitz in Irland, von dem die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Für eine Anzeige bei Google wurde demnach bei einer ersten irischen Gesellschaft Geld überwiesen. Die leitete den Betrag als "Patentgebühr" dann an eine Briefkastenfirma in den Niederlanden.

Die Besteuerung in Irland entfiel, weil das Geld innerhalb der EU weitergereicht wurde (Doppelbesteuerungsabkommen). Und in den Niederlanden sind Einnahmen aus Patentgebühren steuerfrei.

Als Drittes wurde der Betrag aus den Niederlanden wieder zurückgebucht nach Irland, wo es eine zweite Google-Gesellschaft gab. Die hatte ihren steuerlichen Firmensitz aber in einem Karibikstaat (Bermuda), der von Unternehmen keine Steuern verlangt. Dieses Steuermodell scheint für Google zumindest viele Jahre gut funktioniert zu haben.

Solche steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten haben lokale Kleinbetriebe und mittelständische Familienbetriebe ohne Auslandsgeschäft natürlich nicht. Sie haben in diesem Zusammenhang das Problem, dass sie ihre steuerlichen Kosten nicht so einfach drücken können wie einige ihrer internationalen Wettbewerber.

Verwirrung um Firmensitz bei Apple in Irland und den USA

So gab es bei Apple, das lange Zeit als wertvollstes Unternehmen der Welt galt, Verwirrung um den steuerlichen und den offiziellen Firmensitz in Europa. Alle Auslandsniederlassungen außerhalb der USA wurden von "Apple Operations International" in Irland geführt, allerdings mit Bankkonten in den USA. Für das US-Steuerrecht ging es um die offizielle Registrierung in Irland (Ausland), damit sich die amerikanischen Behörden nicht mehr für zuständig hielten.

Für Irland ist bei der Besteuerung aber wichtig, wo das Unternehmen tatsächlich geführt wird, zum Beispiel mit den Vorstandssitzungen in Kalifornien - also doch in den USA? Apples Auslandstochter wollte diese Frage nicht beantworten und machte Milliardenumsätze, ohne sich beim Firmensitz eindeutig festzulegen. Mindestens fünf Jahre lang wurde in diesem Zusammenhang noch nicht einmal eine Steuererklärung abgegeben, weder in den USA noch in Irland.

Bei der Regierung in Dublin überwiegt der Stolz, Global Player wie Google und Apple überhaupt ins Land gelockt zu haben, wo zumindest einige hochqualifizierte Arbeitsplätze entstanden sind. Dass dabei nicht viele Unternehmenssteuern anfallen, nimmt Dublin in Kauf. Entscheidend für die Unternehmen sind neben den Steuern auch die geringen Arbeitskosten mit einer jungen, gut ausgebildeten, noch dazu englischsprachigen Bevölkerung, die zur EU und zum Euroraum zählt.

Hohe Lohnkosten für viele Unternehmen ebenfalls entscheidend

Ganz wichtig für Unternehmen in Deutschland sind auch die hohen Lohnkosten, die aus verschiedenen Abgaben an den Staat bestehen. Diese Kosten sind bei uns nun einmal besonders hoch und machen Arbeit hier teurer als in vielen anderen Ländern. Auf der anderen Seite wird mit diesen Abgaben und einem steuerlichen Zuschuss des Bundes vor allem in der Rentenversicherung der Sozialstaat finanziert. Das wird zunehmend schwieriger mit der Überalterung der Gesellschaft, wenn – anders als in Irland – immer mehr Menschen altersbedingt aus dem Arbeitsprozess herausfallen und immer weniger nachkommen.

Gemeint sind damit in erster Linie die Lohnsteuer sowie die Sozialabgaben für Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen. Verhältnismäßig hohe Lohnsteuern fallen in Deutschland bereits bei kleinen Arbeitseinkommen an. Auch, wenn diese Aspekte nicht zu den Unternehmenssteuern zählen, so spielen sie doch im Alltag eine ganz entscheidende Rolle, vor allem dann, wenn es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland geht.

Steuerbelastung für Unternehmen tragbar – Lohnkosten sehr hoch

Fazit: Die Belastung für Unternehmen in Deutschland ist bei den Steuern insgesamt eher durchschnittlich, bei den Arbeitskosten aber überdurchschnittlich hoch. Eine wirksame Reform zur Entlastung der Unternehmen müsste gleich bei vielen unterschiedlichen Aspekten ansetzen und dürfte auch die Sozialabgaben nicht vernachlässigen. Die sind in vielen europäischen Ländern niedriger, vor allem in Irland, das auch zu den Steuerparadiesen zählt.

Dieser Artikel ist erstmals am 5.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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