In ihrer Heimat hätten sie keine Chance auf eine Heilung. Es gibt kaum noch medizinische Versorgung im Land.
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Seit 1988 holt das Friedensdorf International Kinder aus Krisengebieten nach Deutschland und organisiert mit Hilfe von Spenden deren Behandlung.

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Kranke Kinder aus Kabul: Wie den Kleinen in Bayern geholfen wird

89 schwerverletzte und kranke Kinder aus Afghanistan sind zur medizinischen Versorgung nach Deutschland geholt worden, unterstützt von den BR-Sternstunden. Auch Kliniken in Bayern machen mit und helfen den kleinen Patienten, gesund zu werden.

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Die BR-Sternstunden finanzieren den Hilfsflug aus Kabul, das Bayerische Rote Kreuz übernimmt den Transport. Die Kinder leiden an schweren Knochenentzündungen, an Verbrennungen oder Folgen von Minenexplosionen. Kliniken in Bayern und bundesweit wollen ihnen helfen. Sie übernehmen die Behandlungskosten – und ermöglichen den Kindern, gesund wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

Am Flughafen Düsseldorf warteten schon die Helfer auf den Flieger aus Kabul. An Bord befanden sich 89 kranke Kinder aus Afghanistan, unter ihnen die kleine Samira. Die Neunjährige war ohne ihre Eltern unterwegs, genau wie die anderen Kinder.

"Ein Gebäude macht noch kein Krankenhaus"

Seit 1988 holt das Friedensdorf International zwei Mal im Jahr Kinder aus Krisengebieten nach Deutschland und organisiert mit Hilfe von Spenden deren Behandlung. In ihrer Heimat hätten sie keine Chance auf eine Heilung. Es gibt kaum noch medizinische Versorgung im Land. Der Kabuler Allgemeinarzt Abdul Marouf Niazi beschreibt die Situation so: "Ein Gebäude macht noch kein Krankenhaus. Wir haben nur Strom und Wasser. Das ist alles. Wir haben keinerlei Mittel, nicht mal für kleine Behandlungen."

Tausende Kinder brauchen Hilfe

In Afghanistan herrscht seit 40 Jahren Krieg. Im vergangenen August übernahmen die Taliban wieder die Macht. Viele Ärzte und Akademiker flohen ins Ausland. Zurück bleiben Menschen wie Samira und ihre Familie. Die Verzweiflung der Eltern ist groß. Sie können sich keine Medikamente und kaum Essen leisten.

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2.200 Kinder wurden dem Ärzteteam der Kinderhilfe vorgestellt. So viele wie noch nie. Das Friedensdorf ist abhängig von der Hilfsbereitschaft der deutschen Krankenhäuser, die die Kinder kostenlos aufnehmen. Diesmal konnten 89 Kinder mitgenommen werden. Krankenhäuser in Aschaffenburg, Lichtenfels und Bamberg und vielen anderen Städten haben sich beteiligt.

"Das ist Krieg. Das ist, was uns zu schaffen macht"

Claudia Peppmüller von der Hilfseinrichtung Friedensdorf International war selbst in Kabul und sagt: "Natürlich tut es einem weh, ein Kind auf den nächsten Hilfseinsatz vertrösten zu müssen, ohne zu wissen, ob es dann noch lebt. Aber man muss eine Entscheidung treffen, sonst kann man auch nicht helfen." Und Friedensdorf-Leiterin Birgit Stifter erklärt: "Unsere Hilfe ist nur durch kostenlose Behandlungsplätze in Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz möglich. Wir könnten noch mehr Kindern helfen, wenn uns weitere Betten zur Verfügung ständen."

Martin Kolbe engagiert sich seit 22 Jahren aktiv für das Kinder-Hilfsprojekt. Die grausamen Zustände, in denen viele Kinder momentan in Afghanistan leben, berühren den Familienvater: "Das ist Krieg. Das ist, was uns zu schaffen macht". Kolbe bringt die kleine Samira und ein weiteres Mädchen nach Schweinfurt. Im dortigen Leopoldina Krankenhaus werden die beiden in den kommenden Monaten behandelt.

Folgen fehlender medizinischer Versorgung in Afghanistan

Auch Schwester Magdalena und Schwester Karola kümmern sich um die kleinen Patientinnen. Die Kolleginnen auf der Station haben Kleidung und Spielsachen gespendet. Alle helfen so gut sie können. "Das Eis war schnell gebrochen und man versucht halt auch so schnell zu trösten, wenn Heimweh ist. Ist ja logisch, wenn sie traurig sind. Ist ja niemand da, Mutter, Papa, Geschwister“ sagt Krankenschwester Karola Rasp.

Den beiden Mädchen stehen etliche Operationen bevor. Eine chronische Knochenentzündung, wie sie Samira hat, sehen Ärzte hierzulande nur bei Patienten aus Krisengebieten. Sie entstehen oft als Folge fehlender medizinischer Versorgung. In Deutschland hätte man frühzeitig mit Antibiotikum therapiert und sie so schnell heilen können. Jetzt können bei Samira nur noch Operationen helfen.

Behandlungskosten übernimmt das Krankenhaus

"Man freut sich, seinen Teil dazu beizutragen", sagt Unfallchirurg Matthias Blanke. "Andererseits ist es etwas wo man sich auch geerdet fühlt. Weil wir diskutieren momentan über Preiserhöhung beim Benzin etc. – aber bei der Situation in der gesamten Welt momentan kann man froh sein in Deutschland zu leben. Weil derartige Erkrankungen, Verletzungen in Deutschland einfach nicht häufig sind wegen unseres guten Gesundheitssystems."

Das Leopoldina qualifiziert sich als Schwerpunkt-Krankenhaus für das Hilfsprojekt. Denn durch die vielen verschiedenen Fachbereiche unter einem Dach kann hier umfassend behandelt werden. Die rund 50.000 bis 100.000 Euro Behandlungskosten übernimmt das Krankenhaus. Dr. Blanke ist zuversichtlich, dass Samira in drei bis vier Monaten wieder normal laufen kann.

Dolmetscher helfen bei der Eingewöhnung

Zwei Dolmetscherinnen helfen den Mädchen mit der Sprache, aber auch sich in der Fremde besser zurechtzufinden. "In Afghanistan schläft man üblich nicht auf dem Bett, sondern auf Matratzen auf dem Boden", sagt Dolmetscherin Laila Asef. "Alle in einem Raum und vor allem im Winter ist nur ein Raum beheizt in der ganzen Wohnung, um Kosten auch zu sparen. Und hier hat jeder sein eigenes Bett, ein warmes Zimmer, kann alles für sich alleine beanspruchen und das ist, würde ich behaupten, ein sehr riesengroßer Unterschied auf jeden Fall."

Samira vermisst ihre Eltern und ihre sechs Geschwister sehr. Für die Mädchen sind die Dolmetscherinnen ein bisschen Familienersatz. Sie selbst kamen als Kinder aus Afghanistan nach Deutschland. "Wenn man sich daran erinnert, wie wir uns damals mit Händen und Füßen verständigen mussten, egal ob es Behördengänge waren oder Gänge zu Ärzten. Es war einfach für meine Eltern sehr, sehr schwer damals", berichtet Asef. Den Kindern mit Sprache und Zuwendung zu helfen ist eine Herzensangelegenheit für die Dolmetscherinnen.

Rückkehr nach Hause nach sechs bis zwölf Monaten

Als Samira und Sara zum ersten Mal ihr Krankenhauszimmer verlassen und auf Entdeckungsreise gehen können, kommen sie im Spielraum der Krankenstation aus dem Staunen nicht heraus. Leider können sie diese Erlebnisse nicht mit ihren Familien teilen. Der Kontakt soll während ihres Aufenthaltes in Deutschland vermieden werden, zum Schutz der Kinder.

"Es würde gegenseitigen Schmerz verursachen. Die Kinder bekommen Heimweh. Und hier können sie einfach mal alles vergessen, sie können Kind sein, einfach mal Spielen", erklärt Rita Hornung vom Friedensdorf International. "Das ist das Wichtige, einfach genesen, bis sie wieder zu ihrer Familie zurückkehren." Sechs bis zwölf Monate werden Samira und Sara in Deutschland bleiben und dann hoffentlich gesund in ihre Heimat zurückkehren können.

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