Haupteingang Rotkreuzklinikum München
Bildrechte: Rotkreuzklinikum München

Haben ein Schutzschirmverfahren eingeleitet um sich neu zu strukturieren: Kliniken der Rotkreuzschwestern - wie hier in München.

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Darum gehen gemeinnützige Krankenhäuser pleite

In den vergangenen Monaten mussten mehrere Kliniken, die vom Roten Kreuz betrieben werden, in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren gehen. Nach Ansicht von Fachleuten sind Krankenhäuser, die gemeinnützige Träger haben, finanziell besonders gefährdet.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Zuerst in Lindenberg im Allgäu, dann in Wertheim am Main und in München: In drei Städten hat das Rote Kreuz für Kliniken ein sogenanntes Schutzschirmverfahren eröffnet. Ziel sei es, die Krankenhäuser zu sanieren, erklärt das Rote Kreuz als Träger. Patientinnen und Patienten sollen weiter gut versorgt und Arbeitsplätze erhalten werden.

Finanzielle Schieflage wegen steigender Kosten

Als Grund für die Schieflage nennt das Rote Kreuz vor allem steigende Kosten für Personal, Material und Energie. Die Erlöse, die die Kliniken mit der Behandlung von Patienten erzielen, reichten nicht aus, um die Ausgaben zu bestreiten. Vor dem gleichen Problem steht ein großer Teil der Kliniken in ganz Deutschland.

Bei einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts im Sommer bewerteten 63 Prozent der Kliniken ihre Liquidität als schlecht oder sehr schlecht, sie stecken also in einem finanziellen Engpass.

Sondersituation: Freigemeinnütziger Träger

Bei vielen Kliniken gleichen die jeweiligen Betreiber schon seit Jahren hohe Fehlbeträge in der Bilanz immer wieder aus. Auch quer durch Bayern stecken Landkreise oder Städte regelmäßig zweistellige Millionenbeträge in die Krankenhäuser, deren Träger sie sind.

Bei den sogenannten freigemeinnützigen Trägern sei die Lage anders, erklärt der Gesundheitsökonom Prof. Boris Augurzky vom RWI Leibniz-Institut in Essen, der auch die Bundesregierung bei der geplanten Krankenhausreform berät. Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie oder Rotes Kreuz könnten nicht im gleichen Maß wie Kommunen Millionensummen bereitstellen, um die Finanzlücken der Kliniken in ihrer Trägerschaft zu stopfen. "Dann müssen diese Kliniken andere Maßnahmen ergreifen, die können ja kein Defizit dauerhaft finanzieren", erklärt Augurzky.

Doppelte Klemme: Höhere Kosten, weniger Behandlungen

Eine schnelle Erholung der Lage erwartet der Regierungsberater nicht, weder bundesweit noch in Bayern. Die deutschen Krankenhäuser seien in einer doppelten Finanzklemme. Zum einen bekommen sie Kostensteigerungen zu spüren, etwa bei den Ausgaben für Energie, Personal oder Investitionen, die zum Teil noch über der allgemeinen Inflation liegen. Gleichzeitig liegt die Zahl der Behandlungen in vielen Krankenhäusern immer noch deutlich unter den Werten von vor der Corona-Pandemie.

Auch die Rotkreuz-Kliniken, die an verschiedenen Standorten ein Schutzschirmverfahren begonnen haben, beklagen "rückläufige Umsatzerlöse bei gleichzeitig steigenden Kosten".

Schutzschirmverfahren als Chance

Augurzky warnt aber vor purem Fatalismus. Die Lage vieler Kliniken sei schwierig, was auch das Personal schmerzhaft zu spüren bekomme. Aber Schutzschirmverfahren, wie sie jetzt an etlichen Krankenhäusern eingeleitet werden, eröffnen seiner Ansicht nach Chancen. Kliniken könnten die Möglichkeit nutzen, um sich neue Strukturen zu geben, mit denen sie steigende Kosten besser mit den Einnahmen in Einklang bringen können.

Kliniken würden sich dadurch verändern. "Vielleicht versuchen sie, Schwerpunkte zu bilden, möglicherweise werden Stationen zusammengelegt", sagt Augurzky. Für Patienten müsse ein Sanierungsprozess nicht unbedingt Nachteile bedeuten. Und gerade in Großstädten wie München sei das Angebot sehr groß, so dass es für Patienten meist gut möglich sei, gegebenenfalls auf andere Kliniken auszuweichen.

Reform greift erst später

Die Krankenhausreform, an der er als Berater beteiligt ist, habe auch das Ziel, die deutschen Kliniken langfristig wieder auf ein stabileres Fundament zu stellen, betont Augurzky. So soll die Bezahlung sich künftig deutlich weniger danach richten, wie viele Fälle ein Krankenhaus abrechnet. Außerdem sollen die Kliniken ihre Angebote neu ausrichten, damit sie wirtschaftlich effizienter werden, aber auch eine höhere Behandlungsqualität liefern. Bis positive Effekte der Reform greifen, würden aber noch mindestens drei bis vier Jahre vergehen, erwartet Augurzky.

"Das nimmt leider eine Menge Zeit in Anspruch, sodass ich mittelfristig sagen würde: Ja, es wird auch wieder besser, aber kurzfristig bleibt es erstmal angespannt." Boris Augurzky, RWI Leibniz-Institut

Krankenhausgesellschaft fürchtet "Kliniksterben"

Die Bundesregierung hat bei ihren Plänen für eine Krankenhausreform eine große Mehrheit der Bundesländer auf ihre Seite gebracht, 14 Landesregierungen haben im Sommer zugestimmt, nur Bayern hat widersprochen, Schleswig-Holstein hat sich der Stimme enthalten.

Gleichzeitig sieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) akute Probleme, die schon vor einer Reform mit einem sogenannten Vorschaltgesetz angegangen werden müssten, so die DKG. Der Verband warnt seit geraumer Zeit immer wieder vor einem "unkontrollierten Kliniksterben".

Die Kliniken hätten bundesweit ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro, das ausgeglichen werden müsse, fordert die Krankenhausgesellschaft. Nur so lasse sich die Insolvenzgefahr bannen, in der viele Einrichtungen derzeit schwebten.

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