Leere Krankenbetten stehen im Flur eines Krankenhauses.
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In Bayreuth gibt es Streit über die Zukunft des Klinikums. (Symbolbild)

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Klinik in den roten Zahlen - Privatisierung als Lösung?

In Bayern leisten sich noch vergleichsweise viele Landkreise und Kommunen ein eigenes Krankenhaus. Immer öfter reißen die Kliniken aber ein dickes Minus in die Kasse. Die Träger stoßen an ihre Grenzen. Loslassen wollen sie aber trotzdem nicht. Warum?

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

In Bayreuth gibt es Streit über die Zukunft des Klinikums. Eine Fraktion im Stadtrat fordert, die Stadt solle prüfen, ob das größte Krankenhaus der Region künftig nicht besser von einem privaten Träger geführt werden könne. In Stadt und Land stößt das auf Widerstand, dabei liegt der Vorschlag voll im Trend.

Vor allem kleine Krankenhäuser werden privatisiert

Deutschlandweit werden immer mehr Krankenhäuser privat geführt. Wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf Nachfrage mitteilt, werden derzeit 585 Kliniken im Bundesgebiet privat geführt, vor 13 Jahren waren es noch fast 50 Häuser weniger. Die Zahl der kommunalen Krankenhäuser ist unterdessen um mehr als 120 auf jetzt 450 Krankenhäuser gesunken. Weitere 499 Einrichtungen werden von Verbänden, Kirchengemeinden oder Stiftungen getragen. Die Zahl dieser Krankenhäuser sank seit 2008 um mehr als 170.

Dabei sind es vor allem kleinere Krankenhäuser, die von privaten Trägern geführt werden. Das zeigt ein Blick auf den Bayerischen Krankenhausplan. Demnach befinden sich unter den aktuell 367 Krankenhäusern im Freistaat zwar 107 und damit etwas weniger als 30 Prozent in privater Hand. Allerdings handelt es sich dabei nur um 18 Prozent aller Betten in Bayern.

Stadträte fürchten Insolvenz des Maximalversorgers

Vor wenigen Tagen hatten Vertreter einer Fraktion von FDP, "Die Unabhängigen" und "Frauenliste" im Bayreuther Stadtrat einen Antrag gestellt. Darin heißt es, die Stadt solle prüfen, ob nicht auch das Bayreuther Klinikum besser privat statt wie bisher kommunal geführt werden könnte. Beim Bayreuther Klinikum allerdings handelt es sich nicht um ein kleines Haus, sondern um eine Klinik mit 3.500 Mitarbeitenden und 1.100 Betten. Es ist das größte Krankenhaus der Region, beherbergt 27 Fachkliniken und Institute und gilt als sogenannter Maximalversorger.

Zur Begründung des Vorstoßes heißt es in dem Antrag: Wenn die Kommune am Betrieb des Krankenhauses zu scheitern drohe, müsse man sich aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung mit anderen Modellen beschäftigen. Denn sowohl um die Finanzen der Stadt als auch um die des Klinikums steht es schlecht.

Neuverschuldung in "historischer Höhe" wird befürchtet

Für die Stadt heißt es, die laufenden Kosten könnten kaum noch durch Einnahmen gedeckt werden. Für die nächsten Jahre sei eine Neuverschuldung in historischer Höhe erforderlich, fürchten die Antragssteller. Wichtige Gewerbesteuerzahler drohten wegen der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage wegzubrechen. Der Zwang zu sparen gefährde soziale Projekte, Kulturveranstaltungen und das Vereinsleben. Die Regierung von Oberfranken hatte die Stadt im Zuge der Genehmigung des Haushaltes daher bereits aufgefordert, zu prüfen, welche der bislang von ihr selbst gestemmten Aufgaben künftig genauso gut von Dritten erledigt werden könnten.

"Prekäre" Finanzlage am Bayreuther Klinikum

Und auch die Finanzlage des Bayreuther Klinikums bezeichnen die Antragssteller als "prekär". Das Krankenhaus habe im vergangenen Jahr einen Verlust von mehreren Millionen Euro eingefahren und sei von einer Insolvenz bedroht, sollte der negative Trend nicht aufgehalten werden. Bereits ein Jahr zuvor hätten Stadt und Landkreis, die beiden Träger des Krankenhauses, Mittel in den laufenden Betrieb zuschießen müssen. Bereits 2024 könnte es nach Meinung der Antragssteller dazu kommen, dass Stadt und Landkreis erhebliche Beträge aufbringen müssten, um eine Zahlungsunfähigkeit des Klinikums abzuwenden.

Gleichzeitig stehe eine großflächige Sanierung des Krankenhauses bevor, die rund 240 Millionen Euro aus Eigenmitteln erfordere. "Es ist fraglich, wie ein hochdefizitäres Unternehmen in den nächsten Jahren aus eigener Kraft einen solchen Betrag erwirtschaften soll", heißt es in dem Antrag der Fraktion.

Klinikum in der Hand von Stadt und Landkreis

Das Bayreuther Klinikum und die Klinik Hohe Warte bilden zusammen die Klinikum Bayreuth GmbH. Diese ist in kommunaler Trägerschaft, gehört Stadt und Landkreis gleichermaßen. Die Aufsicht haben Stadt- und Kreisräte. Oberbürgermeister und Landrat wechseln sich im Vorsitz ab.

Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) relativiert die in dem Antrag genannten Zahlen. Zwar habe das Klinikum im vergangenen Jahr ein Defizit von rund sechs Millionen Euro erwirtschaftet. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass der Fehlbetrag auch Rückstellungen in Millionenhöhe umfasse, die jederzeit wieder aufgelöst werden könnten.

Mit den Zahlen werde derzeit "ziemlich wild jongliert", heißt es aus der Pressestelle des Klinikums selbst. Das Defizit habe im vergangenen Jahr zwar "deutlich unter zehn Millionen Euro" gelegen, zu berücksichtigen sei dabei allerdings der Jahresumsatz von etwa 300 Millionen Euro. Vor allem wegen "nicht beeinflussbarer Rahmenbedingungen", wie Energiepreisen, Beschaffungspreisen und Inflation, werde es auch in diesem Jahr ein Defizit in Millionenhöhe geben. Im Klinikum rechne man mit einem Fehlbetrag von unter 20 Millionen Euro.

Mit Nachdruck weist die Pressestelle des Klinikums Behauptungen zurück, wonach das Klinikum vor einer Insolvenz stehe.

Neun von zehn Krankenhäuser in Bayern schreiben rote Zahlen

Mit seinen Finanznöten steht das Bayreuther Klinikum sinnbildlich für viele Krankenhäuser in Bayern. Einer Umfrage der Bayerischen Krankenhausgesellschaft zufolge erwarten neun von zehn Krankenhäuser in Bayern in diesem Jahr einen Verlust in ihrer Bilanz. Ein Jahr zuvor waren es noch sieben von zehn, noch ein Jahr früher waren es nur fünf.

Mittlerweile gelten 19 Prozent aller Kliniken in Bayern gar als insolvenzgefährdet. Das geht aus dem jüngsten Krankenhaus-Rating-Report des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung hervor. Bundesweit liegt die Quote bei zehn Prozent und damit niedriger. Schlechter als den bayerischen Kliniken geht es demnach nur Häusern in Baden-Württemberg. Inzwischen hat sich nach Einschätzung des RWI der Anteil der insolvenzgefährdeten Kliniken sowohl bundesweit als auch in Bayern weiter deutlich erhöht. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte bereits zum Jahreswechsel: "Auf unsere Kliniken rollt 2023 eine Insolvenzwelle zu, die sich kaum mehr stoppen lässt."

Warum gerade in Bayern so viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, erklärt das RWI damit, dass Kliniken im Freistaat noch vergleichsweise häufig kommunal geführt werden – von Kommunen, die häufig noch finanzstark genug seien, die Defizite der Kreis-Krankenhäuser auszugleichen. Trotz finanzieller Schwierigkeiten könnten die Kliniken so über Jahre weiter arbeiten, während Krankenhäuser andernorts bereits in die Insolvenz gingen.

Landrat: Antrag "mit großer Sorge" zur Kenntnis genommen

In Bayreuth sorgt der Antrag auf Prüfung einer Privatisierung des angeschlagenen Klinikums dennoch fast ausschließlich für Kritik.

Aus dem Landratsamt heißt es, man habe den Antrag "mit großer Sorge" zur Kenntnis genommen. Es handle sich um einen "Schlag ins Gesicht" der rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Landrat Florian Wiedemann (FW) auf Nachfrage von BR24. Zwar sei richtig, dass das Klinikum Bayreuth seit 2018 stetig Verluste einfahre. Schuld sei allerdings eher das marode Gesundheitssystem.

Um das zu reformieren, plant Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Krankenhausreform. Kommunalpolitiker in Bayern laufen dagegen allerdings Sturm. Sie befürchten Klinikschließungen und Defizite bei der Notfallversorgung.

Widerstand in Stadtrat und Kreistag

Auch aus der CSU im Bayreuther Kreistag heißt es, eine Privatisierung stehe "zum aktuellen Zeitpunkt" für die Fraktion "nicht im Fokus". Die Christsozialen im Stadtrat sprechen von einer "vorschnellen Privatisierungsdebatte".

Auch die SPD lehnt eine Privatisierung ab. Die finanzielle Lage sei zwar schlecht, Gesundheit sei aber keine Ware. Man sehe die Versorgung der Menschen in der Region durch eine Privatisierung eher gefährdet. Die Corona-Pandemie habe schließlich gezeigt, wie wichtig eine zuverlässige und gute medizinische Versorgung sei.

Privatisierung "nicht zu verhandeln"

Die "Bayreuther Gemeinschaft" (BG), ein Ableger der Freien Wähler, lässt mitteilen, über eine Privatisierung sei mit ihr "nicht zu verhandeln". Wirtschaftliche Interessen privater Investoren dürften nicht über die medizinische Versorgung der Bevölkerung gestellt werden.

Aus der Fraktion "Junges Bayreuth" heißt es, eine Privatisierung berge die Gefahr, dass künftig nur noch finanziell lukrative Behandlungen im Klinikum erfolgen. Der lange erkämpfte Status als Maximalversorger würde damit geopfert.

Weniger eindeutig positionieren sich nur die Grünen. Grundsätzlich halte man Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge für kein geeignetes Mittel, eine gute Gesundheitsvorsorge für die Bevölkerung zu sichern. Die Probleme des Bayreuther Klinikums seien allerdings absehbar gewesen, von einer Mehrheit in den Gremien aber hingenommen worden. "Hätte die Aufsicht die gleiche Qualität wie in der Privatwirtschaft, würde sich die Frage einer Privatisierung von selbst erledigen", so ein Sprecher der Grünen zu BR24.

Dieser Artikel ist erstmals am 02.08.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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