ARCHIV - 27.02.2018, Baden-Württemberg, Stuttgart: Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos. (zu dpa «BGH vor wichtiger Weichenstellung bei Diesel-Klagen») Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Abgase

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Mehr Chancen für Diesel-Kläger: BGH erleichtert Schadenersatz

Diesel-Fahrer können künftig Schadenersatz verlangen, wenn eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung – ein sogenanntes Thermofenster – die Abgasreinigung manipuliert. Das geht aus einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof in Karlsruhe hervor.

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Für tausende Dieselkläger gibt es nun mehr Aussicht auf Schadenersatz. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied am Montag, dass Autokäufer, in deren Dieselfahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung, ein sogenanntes Thermofenster, verbaut ist, Anspruch auf Entschädigung haben – auch dann, wenn der Autobauer nicht absichtlich getäuscht, sondern lediglich fahrlässig gehandelt hat. Thermofenster steuern den Abgasausstoß je nach Außentemperatur. Autofahrern kann nun ein finanzieller Ausgleich zustehen, wenn sie ohne ihr Wissen ein Auto mit einem im Motor verbauten Thermofenster kauften.

BGH ändert seine Diesel-Rechtsprechung

Mit dem Urteil ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung: Bisher war ein Thermofenster aus Sicht des BGH keine von den Herstellern vorsätzlich und bewusst zur Täuschung des tatsächlichen Schadstoffausstoßes verbaute Schummelsoftware - und daher auch kein Grund für Schadenersatz.

Der zuständige Diesel-Senat musste seine bisherige Rechtsprechung anpassen und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) auf nationales Recht umlegen. Die Luxemburger Richter hatten nämlich im März die Hürden für Schadenersatz-Klagen deutlich niedriger angesetzt und entschieden, dass der Käufer einen Anspruch auf Entschädigung auch bei Fahrlässigkeit hat.

Der BGH hob Urteile von Gerichten auf, die Schadenersatzklagen abgewiesen hatten, und verwies sie zurück. Die Berufungsgerichte müssten die Haftungsfrage weiter aufklären, erklärte Richterin Eva Menges. Offen dazu sind noch mehr als 100.000 Verfahren in Deutschland. Die Autobauer verweigerten bisher Schadenersatz, weil ihre Technik rechtlich einwandfrei und vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt sei.

Die Käufer könnten zwar die Autos nicht zurückgeben, aber eine Entschädigung von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises erhalten, erklärte die Richterin. Dabei wird in engen Grenzen ein Nutzungsvorteil abgezogen, der sich nach Laufleistung und Restwert des Autos richtet.

Streitpunkt Thermofenster

Geklagt hatten Autobesitzer gegen Audi, Mercedes-Benz und Volkswagen. Ihre Diesel-Pkw halten nur bei bestimmten Außentemperaturen die Schadstoff-Grenzwerte für Stickoxid ein. Bei hohen und niedrigen Temperaturen wird die Abgasreinigung gedrosselt, zum Motorschutz. Das ist nach EU-Recht prinzipiell möglich, die Grenzen dafür wurden durch Rechtsprechung infolge des Dieselskandals aber eng gezogen. Die Kläger können einen Teil des Kaufpreises zurückerhalten, sofern in den Motoren ihrer Autos eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.

Bei der BGH-Verhandlung am 8. Mai war anhand von drei Musterfällen zu Autos von Mercedes, Audi und VW stundenlang diskutiert worden, wie mit Abschalteinrichtungen umzugehen ist, die dabei von Klägern angeprangert wurden.

Drei Musterfälle waren verhandelt worden: Zum einen ging es um einen Mercedes-Diesel mit einem Thermofenster. Das Thermofenster sorgt dafür, dass die Verbrennung von Abgasen je nach Außentemperatur zeitweise gedrosselt wird. Unabhängig vom Hersteller sind Thermofenster bei Diesel-Autos weit verbreitet.

  • Zum Artikel: Diesel-Skandal -Fragen und Antworten zum EuGH-Urteil

Der zweite Kläger hatte einen VW Passat mit dem Motor EA288 gekauft. Der Motor steckt in Millionen Dieselfahrzeugen und ist ein Nachfolger des Skandalmotors EA189. Das Auto hat neben einem Thermofenster auch eine Fahrkurvenerkennung. Das dritte Auto ist ein Audi mit einem leistungsstarken Motor (EA896Gen2BiT). Hier hatte das Kraftfahrt-Bundesamt eine Abschalteinrichtung beanstandet und ein Software-Update angeordnet - noch bevor der Kläger das Auto kaufte.

Mit Informationen von dpa und AFP

Audio: Zur EuGH-Entscheidung vom März

Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos und werden in der kalten Morgenluft sichtbar (Symbolbild)
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Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos (Symbolbild)

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