Wasserrohre für das Fernwärmenetz werden in einer Straße im oberbayerischen Holzkirchen verlegt.
Bildrechte: BR/Nina Hoegg

Ausbau des kommunalen Fernwärmenetzes in Holzkirchen

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Kommunale Wärmepläne: Nachholbedarf in Bayern

Städte und Gemeinden sollen bis spätestens Ende 2027 Wärmepläne erstellen, die den Weg zum Heizen mit mindestens 65 Prozent regenerativer Energie aufzeigen. Die meisten bayerischen Kommunen stehen dabei noch ganz am Anfang – bis auf wenige Ausnahmen.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Im oberbayerischen Holzkirchen sind mehrere Straßenzüge bis zu vier Meter tief aufgerissen. Bagger versenken schwarze Röhren, dick wie Maibäume, in den Baugruben. Darin soll bald heißes Wasser zu den Häusern fließen. Die Marktgemeinde baut ihr Fernwärmenetz aus. Dabei folgt sie strategischen Vorgaben. Denn Holzkirchen hat neben warmem Wasser und Strom, die vor Ort in einem Geothermie-Kraftwerk gewonnen werden, etwas zu bieten, das bisher kaum eine andere bayerische Kommune hat: einen kommunalen Wärmeplan.

Wärmeplan: Welche Gebäude werden wie beheizt?

Das bedeutet: Die Manager der Gemeindewerke wissen schon ziemlich genau, welche Gebäude in Holzkirchen womit beheizt werden. Egal ob Holz, Öl, Wärmepumpe, oder eben der Anschluss ans kommunale Fernwärmenetz, das hier mit Geothermie und Erdgas betrieben wird. Diese Datensammlung ist der erste Schritt für einen kommunalen Wärmeplan. In einem zweiten sollen dann mittelfristig alle Heizformen auf mindestens 65 Prozent regenerativer Energie basieren. Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) plant, deshalb den Erdgasanteil später durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.

Bei einem Fernwärmeanschluss übernimmt praktisch die Kommune die Wärmewende für den Bürger. Allerdings war Fernwärme bisher oft teurer als Öl oder Gas. Das hat mit den erheblichen Investitionen zu tun, die hier nötig sind. Allein für das Geothermie-Kraftwerk habe Holzkirchen gut 70 Millionen in die Hand genommen, erläutert Bürgermeister Schmid. Die Kosten für den Ausbau des Fernwärmenetzes kämen noch obendrauf: "Wir reden von 2.000 Euro pro laufendem Meter, und das macht uns auch tatsächlich etwas Sorgen. Wir können das alleine nicht stemmen und sind hier auf Fördermittel angewiesen."

Viele Städte und Gemeinden in Bayern mit Nachholbedarf

Holzkirchen hat schon seinen Wärmeplan, weil die Marktgemeinde wegen der erheblichen Investitionen einen Businessplan für die Refinanzierung aufstellen lassen musste. Im Rest des Freistaates besteht dagegen erheblicher Nachholbedarf. Grundsätzlich sind Kommunen weiter, wenn sie bereits ein größeres Fernwärmenetz haben. München, Nürnberg, Augsburg, Freising und Bamberg zum Beispiel.

Allerdings haben die meisten auch hier noch nicht den ersten Planungsschritt vollendet: die Aufstellung des Gebäudebestandes inklusive Heizungsnutzung. Da sollen jetzt die bayerischen Kaminkehrer aushelfen, die ohnehin schon seit Jahren Daten über Öl-, Gas- und Pelletheizungen sammeln. Die übrigen Daten müssen dann externe Planungsbüros zusammenstellen. Die Hochschulstadt Kaufbeuren im Ostallgäu geht einen Sonderweg: Sie will mittels einer neuartigen Software die komplette Datenlage zur Heizungsnutzung im Stadtgebiet hochrechnen lassen. Das alles sind aber nur erste Schritte.

Fahrplan: Welche Gemeinden wie viel Zeit haben

Die aktuelle Beschlussvorlage des Gebäudeenergiegesetzes lässt den Kommunen nicht mehr allzu viel Zeit: Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern sollen bis Ende 2026 ihren Wärmeplan aufgestellt haben. Städte und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern haben zwei Jahre länger Zeit. Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern müssen bisher keinen Wärmeplan vorlegen.

Allerdings wird der Entwurf zum Gesetz über die Wärmeplanung auf Wunsch des Bundestags gerade entsprechend überarbeitet. Demnach soll die kommunale Wärmeplanung bis 2028, nach den Worten von Bundesbauministerin Klara Geywitz, auch für Kleinstädte und Dörfer gelten. Die ursprüngliche Schwelle von 10.000 Einwohnern soll fallen.

Thema Heizenergie zuvor kaum im Fokus

Experten wie Stefan Graf, der das Energieressort im Bayerischen Gemeindetag leitet, halten die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung für eine Herausforderung: "Wenn man bedenkt, dass es bisher in ganz Bayern nur für 300 bis 400 Gemeinden überhaupt irgendwelche Planungen gibt, dann ist das schon sehr ambitioniert." Das Thema Heizenergie sei eben bisher, im Gegensatz zum Thema Strom, sehr stiefmütterlich behandelt worden und das würde sich jetzt rächen, so Graf weiter.

Mehr Fernwärme - Bewegung in kommunalen Plänen

Im Zuge der Vorlage eines kommunalen Wärmeplans kümmern sich viele Städte und Gemeinden auch gleich um den Ausbau ihrer Fernwärmenetze. Unterhaching will zum Beispiel langfristig jedem Einwohner die Möglichkeit geben, sich ans Fernwärmenetz anschließen zu lassen. In München hat etwa ein Drittel der Einwohner aktuell diese Möglichkeit. Auf längere Sicht will die Landeshauptstadt bei einer Anschlussquote von 40 bis 45 Prozent landen. Auch Nürnberg, Bamberg und Freising wollen ihre Fernwärmenetze weiter ausbauen.

Das korrespondiert mit der gestiegenen Akzeptanz bei den Bürgern. Noch vor wenigen Jahren war kommunale Fernwärme wegen der relativ hohen Kosten bei den Verbrauchern eher unbeliebt. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise hat sich die Lage fundamental verändert.

Viele Bürger wollen ans Fernwärme-Netz

In Holzkirchen etwa kann der Rathauschef gar nicht so schnell reagieren, wie die Einwohner auf den fahrenden Zug aufspringen wollen: "Ich bin ein Kaufmann, dem die Ware praktisch aus der Hand gerissen wird, bei mir stapeln sich die E-Mails von Bürgern, die angeschlossen werden wollen", berichtet Christoph Schmid.

Ein paar Straßen weiter beobachtet Hausbesitzer Robert Budig interessiert den Baufortschritt am Fernwärmenetz in seiner Nachbarschaft. Auch er will sein Haus demnächst anschließen lassen, das er bisher noch mit Öl beheizt. Den Abschied vom Brennkessel habe er fest im Blick, meint er: "Aus meiner Sicht überwiegen bei der Fernwärme jetzt die Vorteile, ich werde den Heizöltank noch leer machen, aber danach nicht wieder auffüllen lassen." Nach seiner Planung werde das 2026 so weit sein, erklärt der Rentner. Das ist das Jahr, in dem die bayerischen Großstädte spätestens ihren kommunalen Wärmeplan fertig haben müssen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!