Der WM-Pokal
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Die sportlich "beste WM aller Zeiten"?

Die WM 2022 ist Geschichte - die politischste die es wohl je gab. Doch das Turnier lieferte auch sportliche Erkenntnisse. Vor dem Turnier hatte FIFA-Präsident Infantino die "beste WM aller Zeiten" versprochen. Zurecht? Eine Bilanz der Spiele.

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Mit dem Finalsieg von Argentinien und Lionel Messi ist die 22. Fußball-WM in Katar zu Ende gegangen. Es war ein Turnier, in dem zunächst außersportliche Themen die Oberhand behielten. Doch auch das Geschehen auf dem Rasen sorgte für ausreichend Gesprächsstoff. Ein Rückblick auf die sportlichen Highlights dieser Weltmeisterschaft.

Spannung bis zum letzten Gruppenspiel

Selten war der letzte Spieltag einer WM-Gruppenphase so spannend. Das dürfte wohl die einzige Aussage von FIFA-Präsident Gianni Infantino sein, der man bedenkenlos zustimmen kann. Fast in allen Gruppen konnten sich noch mindestens drei Teams fürs Achtelfinale qualifzieren, in der deutschen Gruppe rechnerisch sogar alle vier.

Deutschland wie 2018 nach Vorrunde raus

Deutschlands Hoffnungen zerschlugen sich allerdings schnell. Zwar gab's gegen Costa Rica einen mühsamen 4:2-Sieg am letzten Vorrundenspieltag. Doch weil Spanien überraschend 1:2 gegen Japan verlor, war das Team von Bundestrainer Hansi Flick draußen.

Deutschland musste den Heimflug antreten - zum zweiten Mal in Folge bei einer WM schon nach der Vorrunde. Spanien verlor, spielte im Achtelfinale gegen Marokko und wäre durch diese Konstellation in einem möglichen Viertelfinale dem vermeintlichen Topfavoriten Brasilien aus dem Weg gegangen.

Spanien spekuliert zu viel

Doch es kam gar nicht erst so weit. "Wer zu viel spekuliert, der am Ende doch verliert." So oder so ähnlich könnte man vermutlich den Auftritt der spanischen Nationalmannschaft beschreiben. Denn am Ende scheiterte der Weltmeister von 2010 im Elfmeterschießen schon im Achtelfinale an Marokko.

Brasilien tanzt - und scheidet im Elfmeterschießen aus

Brasilien erreicht übrigens tatsächlich das Viertelfinale, unterlag dort aber, ebenfalls im Elfmeterschießen, den Spezialisten aus Kroatien. Da halfen auch keine Tänze mehr, mit denen die Südamerikaner jeden Treffer zuvor ausgiebig bejubelt hatten.

Geheimfavorit Belgien muss nach Vorrunde abreisen

Zu den weiteren Enttäuschung zählen die Belgier. Die "Roten Teufel" waren wie so oft in den letzten Jahren als Titelfavorit angetreten und mussten unter anderem nach einer 0:2-Niederlage gegen Marokko bereits nach der Gruppenphase die Koffer packen. Und auch Dänemark löste überraschend nicht das Ticket für die K.o.-Phase.

  • Nach Marokko-Sieg: Krawalle in Belgien und den Niederlanden

Uruguay scheidet aus und attackiert Schiri

Selbiges Schicksal ereilte auch Uruguay um die Altstars Luis Suarez und Edinson Cavani. Sie gingen allerdings nicht, ohne sich vorher nochmal daneben benommen zu haben. Nach der Niederlage gegen Ghana griffen Verteidiger Gimenez und weitere Spieler den deutschen Unparteiischen Daniel Siebert an.

Gastgeber Katar mit Negativrekord

Für einen Negativrekord sorgte WM-Gastgeber Katar. Das Team überstand ebenfalls die Gruppenphase nicht und war nach drei Niederlagen und nur einem Treffer schnell zum Zuschauen verdammt. Der Wüstenstaat ist mit dieser Bilanz der sportlich schlechteste WM-Gastgeber aller Zeiten.

Die WM-Überraschungen

Zu den größten Überraschungen der WM 2022 zählt sicher Halbfinalist Marokko. Entgegen aller Erwartungen besiegten die "Löwen vom Atlas" in der Gruppenphase Belgien, schlossen ihre Gruppe als Sieger ab und besiegten im Achtelfinale Spanien im Elfmeterschießen. Auch Portugal im Viertelfinale wurde besiegt, nur Frankreich war im Halbfinale am Ende eine Nummer zu groß.

Am Ende wurde Marokko Vierter. Trotzdem erreichten die Nordafrikaner Historisches. Noch nie stand bis zu dieser WM ein afrikanisches Team im Halbfinale.

Erfolgreiche Bilanz für Afrika und Asien

Generell war es ein erfolgreiches Turnier für den afrikanischen Kontinent. Zum ersten Mal standen mit Marokko und dem Senegal zwei afrikanische Mannschaften in der Runde der letzten 16. Und auch der asiatische Verband konnte sehr zufrieden sein. Mit Japan, Korea und Australien (nimmt bei der WM-Qualifikation in Asien teil) fanden sich sogar drei Teams im Achtelfinale wieder. Alle drei scheiterten aber im Achtelfinale.

Cristiano Ronaldo - der traurige Abschied eines Weltstars

Für Cristiano Ronaldo (37) und Lionel Messi (35) war es die letzte WM - bei letzterem ging sie mit bestmöglichem Resultat zu Ende. Messi führte seine Farben im Finale gegen Frankreich zum dritten WM-Titel und wurde zusätzlich als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet.

Superstar Ronaldo erlebte dagegen persönlich eine WM zum Vergessen. Zwar stellte er im Gruppenspiel gegen Ghana mit seinem Elfmeter einen neuen Rekord auf - als einziger Spieler hat er bei fünf verschiedenen Weltmeisterschaften ein Tor erzielt. Doch war er ab dem Achtelfinale nur noch zweite Wahl im Team von Trainer Fernando Santos.

Ronaldo, der jüngst Manchester United im großen Streit verlassen hatte, zeigte auch in Katar wieder Egoismus-Anfälle, beispielsweise als er sich über das berauschende 6:1 gegen die Schweiz im Achtelfinale nicht so richtig freuen konnte und stattdessen in die Katakomben stapfte.

Am Ende verließ er nach der 0:1-Niederlage gegen WM-Überraschung Marokko und dem Viertelfinal-Aus unter Tränen die große Bühne. Der WM-Titel war seiner Karriere nicht vergönnt.

Louis van Gaal - eine Trainer-Legende verlässt die WM-Bühne

Doch nicht nur Spieler traten in Katar ab, auch ein Trainer beendete seine WM-Karriere: Louis van Gaal. Nachdem der ehemalige Coach des FC Bayern München mit seinen Niederländern erst im Elfmeterschießen Argentinien unterlegen war, gab er noch in der Nacht seinen Rücktritt bekannt.

"Ich war ein Trainer für 20 Matches - und wir haben kein Spiel in dieser Zeit verloren. Ich bin unglaublich stolz. Ich hatte eine wunderbare Zeit. Und es ist unglaublich schmerzhaft, auf diese Weise auszuscheiden." Van Gaal, der an Prostatakrebs erkrankt ist, hatte aber schon vor dem Turnier klargestellt, dass es seine letzte WM ist.

Wie fällt ein WM-Fazit aus?

Vor dem Turnier hatte der FIFA-Präsident Gianni Infantino die "beste WM aller Zeiten" versprochen. Aus Sicht der afrikanischen und arabischen Welt war sie das sicher. Denn die versammelte sich geschlossen hinter Marokko und feierte die Auftritte des Underdogs.

Aus Sicht des neutralen Zuschauers war es zumindest ein sehr spannendes Turnier mit zahlreichen Überraschungen schon in der Vorrunde. Fünf Mal sorgte dann in der K.o.-Runde ein Elfmeterschießen für Spannung. Daneben begeisterten zahlreiche knappe Duelle wie Marokkos 1:0 gegen Portugal oder Frankreichs 2:1 gegen England die Fans.

Mit dem Finale zwischen Argentinien und Frankreich erlebte die WM dann eine würdige Endspielpaarungen zwischen den beiden Teams, die über den gesamten Turnierverlauf am konstantesten waren. Beide lieferten sich ein hochklassiges und hochspannendes Finale, das nach 90 Minuten 2:2, nach der Verlängerung 3:3 stand und schließlich im Elfmeterschießen entschieden werden musste. Es war das beste WM-Finale. Ob es das beste WM-Turnier aller Zeiten war, muss jeder für sich selbst bewerten. Aufregend war sie definitiv - diese erste Winter-WM.

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