Die Sommerbühne am Bürgerbräu-Gelände in Würzburg. Noch ein paar letzte Proben für das aktuelle Stück "Korrekte Lebenslust", dann dürfen die Schauspielerinnen und Schauspieler des Theater Augenblick endlich wieder vor Publikum spielen. Eigentlich probt und spielt das Ensemble in Räumen der Mainfränkischen Werkstätten am Stadtrand. Doch zu Beginn der Pandemie brauchten die Werkstätten, zu denen das Theater gehört, mehr Platz aufgrund der pandemiebedingten Abstandsregelungen.
Umzug ins Kulturzentrum als Chance
Relativ schnell konnte das Ensemble in den Kulturkeller Z87 am Bürgerbräu-Gelände umziehen. Eine Zwischenlösung, dachte Theaterleiter Stefan Merk zunächst. Doch dann erkannte er das Potential dieser eigentlich misslichen Lage: "Wir sind mit dem Ensemble jetzt mittendrin, da, wo Kultur stattfindet. Und da gehören auch Menschen mit Behinderung hin!" Mehr Teilhabe, mehr künstlerisch wahrgenommen zu werden, das würde er sich wünschen für sein Ensemble.
Ziel: Inklusion glaubwürdig vermitteln
"Wir haben Themen und Inhalte für die Kulturszene zu bieten, die Menschen mit Behinderung viel glaubwürdiger vermitteln können", sagt Theaterleiter Merk. In einem Stück etwa ist die Theater-Gruppe der Frage nachgegangen, ob ein Leben eines Menschen mit Behinderung weniger lebenswert ist als ein Leben ohne Behinderung – und wie fühlt es sich für den Ungeborenen an, nicht gewollt zu sein? "Inklusion auf der Bühne kann zu Inklusion in der Gesellschaft führen."
Das Theater Augenblick ist das einzige Theater in Bayern, dessen Ensemble sich vollständig aus hauptberuflich beschäftigen Mitgliedern mit Behinderung zusammensetzt. "Aufgrund dieser besonderen und einzigartigen Arbeitsweise erhält das Theater vom Freistaat Bayern auch Zuschüsse zum laufenden Betrieb", heißt es auf BR-Anfrage beim Kultusministerium.
Theaterleiter: "Kulturförderung reicht nicht für inklusive Arbeit"
Die Mainfränkischen Werkstätten seien zwar sehr dankbar für die Unterstützung – trotzdem reiche das Geld nicht, um die Perspektive im Kulturkeller Z87 fortzuführen, sagt Theaterleiter Stefan Merk. Das Theater bräuchte durch den höheren Betreuungsschlüssel, der für so eine Arbeit gebraucht wird, viel mehr Personal.
Insgesamt 91 Millionen Euro hat das Kultusministerium für alle privaten und kommunalen Theater im Land vorgesehen. "Ich würde mir wünschen, dass der Prozentsatz der Kulturförderung angepasst wird auf den Anteil der Menschen mit Behinderung in Bayern." Das sind in Bayern neun Prozent, also 1,3 Millionen Menschen. "Wir sind doch keine Sonderlösung. Im Grunde muss die Teilhabe in Kunst und Kultur für Menschen mit Behinderung Normalität werden." Die Bundesrepublik hat diese Zielvorgabe in der europäischen Behindertenkonvention von 2009 so gesetzlich festgelegt. Auf BR-Anfrage beim Kultusministerium heißt es: "Im Rahmen der Förderung nicht-staatlicher Theater durch den Freistaat Bayern spielt die inhaltliche/künstlerische Ausrichtung grundsätzlich keine Rolle."
Aufregung und vor allem Erleichterung
Beim aktuellen Stück thematisiert das Würzburger Ensemble die Starre und die soziale Distanz der Corona-Krise – oder eher das Danach. Es ist das Jahr 2022. Die Welt erwacht: Musik, Liebe und Leben kehren zurück. "Ich bin überhaupt nicht aufgeregt. Ich bin ein totaler Tanz- und Theater-Profi. Weil ich schon als kleines Mädchen Theater gespielt habe", sagt Schauspielerin Laura Juretzka. Die 23-Jährige ist seit einigen Jahren fest im Ensemble des inklusiven Theater Augenblick engagiert. Nach der langen Spielpause ist sie umso glücklicher, endlich wieder auf der Bühne stehen zu können und das Publikum mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten. "Ich spiele eine schöne, romantische und liebenswerte Rolle", sagt sie und lacht.
Stefan Merk hingegen – obwohl auch Profi – ist weniger gelassen. Ihn bewegt die Rückkehr seines Ensembles auf die Bühne sehr: "Es ist einfach wunderbar, Gänsehaut! Diese Zeit ohne Zuschauer macht ein Theater zwecklos."
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