Respekt - Respekt

Menschen mit Behinderung

RESPEKT Menschen mit Behinderung

Stand: 07.08.2019

  • Es gibt verschiedene Arten von Behinderung, zum Beispiel körperliche, seelische oder geistige.
  • In Deutschland ist fast jeder 10. Mensch schwerbehindert.
  • Die meisten Menschen (96 Prozent) erleiden ihre Behinderung erst im Laufe ihres Lebens durch eine Krankheit oder einen Unfall.
  • Im deutschen Grundgesetz ist seit 1994 in Artikel 3 verankert, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Bevorzugen ist erlaubt.
  • Dennoch werden viele Menschen mit Behinderung im Alltag "behindert": zum Beispiel durch Barrieren in Gebäuden oder öffentlichen Verkehrsmitteln.

Als Symbol für Behinderung wird oft ein Rollstuhlfahrer verwendet. Doch das Sozialgesetzbuch führt neben körperlicher Behinderung weitere Behinderungen auf: eine Behinderung der Sinne (zum Beispiel blinde oder gehörlose Menschen), eine Behinderung der Sprache, eine seelische oder psychische Behinderung, eine Lernbehinderung oder eine geistige Behinderung. Menschen mit einer Behinderung erleben oft Einschränkungen in ihrem Leben – zu Hause, besonders aber in der Öffentlichkeit. In der RESPEKT-Reportage begleitet Moderatorin Sabine Pusch Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag und erlebt mit ihnen zum Teil recht gefährliche Situationen.

Großer Bordstein, riesige Behinderung

7,5 Millionen Schwerbehinderte leben in Deutschland. Das ist fast jeder zehnte Mensch. Viele Menschen mit Behinderung arbeiten in gesonderten Werkstätten oder können ihre Wohnung nicht mehr verlassen – auch, weil Straßen und Gebäude nicht barrierefrei gebaut sind. Das heißt, sie brauchen die Hilfe anderer, um ans Ziel zu kommen. Zum Beispiel die Psychologin Anna Garbe. Sie ist seit einigen Jahren nahezu blind. Auf ihrem Arbeitsweg ist eine veraltete Ampelanlage ohne Tonsignal, die das Straßenüberqueren für sie lebensgefährlich macht. Und auch das Internet – für Sehende eine Quelle von Wissen und Unterhaltung – erleben Blinde als einen undurchdringlichen Dschungel aus Worten. Hier haben sie nur die Möglichkeit, sich Seiten "vorlesen" zu lassen: Der "Überblick" und die Zusammenhänge fehlen allerdings oft vollständig.

"Also ich hab für meine Banküberweisung ..., online, glaube ich, drei Nachmittage am PC gesessen, um erst mal zu verstehen, wie ist die Seite aufgebaut. Weil wenn es nicht mehr über das Visuelle geht, ist plötzlich alles anders."

Filmzitat von Anna Garbe, die durch eine Autoimmunschwäche fast vollständig erblindet ist

Barrierefreies Einkaufen? – Fehlanzeige!

Barrierefreiheit bedeutet nicht nur, dass keine physikalischen Hindernisse im Weg stehen. Sie bedeutet, dass ganz generell nichts Menschen mit Behinderung von einer Teilhabe an einem normalen Leben hindern soll. Für Blinde müsste dafür zum Beispiel alles Visuelle "übersetzt" werden – inTon oder Braille-Schrift. Wer zu schlecht oder nichts hört, braucht eine "Übersetzung", die gesehen oder gefühlt werden kann. Gerade Blinde stehen in einer Welt, die für Sehende gemacht ist, oft vor unüberwindlichen Problemen: Anna Garbe kann zum Beispiel nicht einfach einkaufen gehen, wenn sie den Weg zum Geschäft nicht gut genug kennt. Im Supermarkt angekommen, wartet das nächste Problem: herausfinden, wo die Milch oder die Lieblingsnudeln stehen. Für Rollstuhlfahrer wie den 15-jährigen Felix sind es eher hohe Bordsteine und hilflose Menschen, die im Alltag für Frust sorgen.

"Manche sagen dann auch: 'Och du Armer, ja dann kannst du ja nicht alles machen', und 'Och, das tut mir ja so leid.' Und dann denk ich mir dann, alles was 'normale Menschen' machen, kann ich auch machen. Klar, nicht alles, aber das meiste, also Fahrradfahren, Skifahren."

Filmzitat von Felix von Plotho, 15 Jahre, durch eine Infektion nach der Geburt körperlich behindert.

Behindertenwerkstätten: 200 Euro Lohn pro Monat

Rund 300.000 Menschen in Deutschland sind in Behindertenwerkstätten beschäftigt. Das sind Einrichtungen, in denen sie auch wohnen können und betreut werden. Die Tätigkeiten sind oft ziemlich monoton. Die Aufraggeber, darunter auch größere Firmen, profitieren von diesen Werkstätten. Trotzdem bekommen die Menschen, die dort arbeiten, durchschnittlich nur ungefähr 200 Euro Lohn im Monat. Ein weiterer Nachteil ist, dass so Menschen mit Behinderung isoliert statt inkludiert werden.
Dass aber ein Zusammenleben und auch ein Zusammenarbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung problemlos möglich ist, zeigt der Film am Beispiel des "BalanDelí". Ein Tagescafé, in dem Menschen gleichberechtigt zusammen arbeiten.

Inklusion statt Benachteiligung

Vom Massenmord zur Inklusion

  • Die Nationalsozialisten sperrten Menschen mit Behinderung in Anstalten, missbrauchten sie für Experimente.
  • An die 200.000 von ihnen wurden ermordet. 360.000 diagnostizierten Nazi-Ärzte als "erbkrank" und sterilisierten sie, gegen ihren Willen.
  • Erst 1994 wurde der Satz "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." ins Grundgesetz aufgenommen.
  • Seit 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland anerkannt. Sie fordert Inklusion. Das heißt, dass alle das gleiche Recht auf Bildung und Arbeit haben und das gleiche Recht darauf, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Barrierefreiheit im Bayerischen Rundfunk

Um Menschen mit Behinderung Fernsehsendungen zugänglich zu machen, engagieren sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten kontinuierlich in Richtung Barrierefreiheit.

"Sehen statt Hören" ist die einzige Sendung in der deutschen Fernsehlandschaft, die sich speziell an gehörlose, spätertaubte oder hochgradig schwerhörige Zuschauer*innen richtet. Die Sendung präsentiert Inhalte mit Gebärdensprache und offenen Untertiteln.

Im BR Fernsehen liegt der Anteil der Sendungen, die über Untertitel barrierefrei zugänglich sind, in der Primetime bei durchschnittlich 90 Prozent.

Um blinden und sehbehinderten Menschen die Bilderwelt eines Films zugänglich zu machen, entstehen durch Audiodeskription, das sind sorgfältig eingepasste Beschreibungen in den Dialogpausen, blindengerechte Hörfilme. Im BR Fernsehen läuft außerdem Deutschlands einzige "Hörfilm-Daily": Dahoam is Dahoam.

Mehr Infos zum Thema

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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