Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen spricht bei einer Kundgebung gegen die Energiepolitik der Bundesregierung und gegen Coronamaßnahmen.
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Björn Höcke, Vorsitzender der AfD

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Rechte Rhetorik: Wie viel NS steckt in den Reden von Höcke?

Björn Höcke muss wohl vor Gericht. Der Grund: die Verwendung von NS-Sprache. Ein "Fauxpas", sagt Höcke. Heidrun Kämper hält das jedoch für vorgeschoben. Die rhetorische Nähe zum NS habe bei der AfD System, so die Linguistik-Professorin.

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"Alles für Deutschland!" - das ist der Satz, um den es geht. Gefallen ist er im Mai 2021 in Merseburg. Ein Wahlkampfauftritt des rechtsextremen Thüringer AfD-Chefs: Björn Höcke, wer sonst. Immer wieder bewegt sich der ehemalige Geschichtslehrer rhetorisch an der Grenze dessen, was erlaubt ist. Dieses Mal ist er wohl einen Schritt zu weit gegangen. Denn der zitierte Satz ist nicht nur so bei Höckes Auftritt gefallen. Er ist auch eine SA-Parole, deren Verwendung in Deutschland unter Strafe steht. Die Staatsanwaltschaft Halle hat deswegen am 16. Mai Anklage erhoben.

Immer wieder fällt AfD mit NS-Vokabular auf

Höcke selbst spricht von einem "Fauxpas". Die Äußerung sei spontan gewesen, ihre historische Bedeutung habe er nicht im Hinterkopf gehabt. Die Linguistin Heidrun Kämper hält diese Rechtfertigung für wenig überzeugend. Dieser Satz sei kein Zufall. Die Verwendung von Vokabular, das aus dem NS stamme, sei in der AfD weit verbreitet. "'Volksverräter', 'Volkskörper', 'kulturfremd', 'Überfremdung' und so weiter – das sind alles Anspielungen an die NS-Zeit. Beispiele, die zeigen, dass man sich sehr bewusst mit der NS-Zeit auseinandersetzt und solche Äußerungen sehr gezielt und strategisch einsetzt."

Seit 2017 untersucht die Mannheimer Professorin die Rhetorik der AfD. Zuerst nahm sie sich das Grundsatzprogramm der Partei vor. "Schon damals war es für mich überdeutlich, dass hier im Grunde genommen gegen unser Grundgesetz verstoßen wird", so Kämper gegenüber dem BR. "Unser Grundgesetz verbietet diskriminierendes Verhalten und dazu zählt auch diskriminierende Sprache. Das ist aber genau das, was die AfD ganz systematisch verwendet."

Orientiert sich Björn Höcke an den Reden Adolf Hitlers?

Dennoch: Auch innerhalb seiner Partei spiele Höcke in Sachen rhetorischer Eskalation nochmal eine Sonderrolle, so Kämper. Das zeigten nicht nur Äußerungen wie "Denkmal der Schande" als Bezeichnung für das Holocoust-Mahnmal in Berlin. Tatsächlich ließen sich sogar Parallelen zwischen seinen und den Reden Adolf Hitlers ziehen. "Höcke hat mal eine Rede vor der Jugend der AfD gehalten. Da sagt er zum Beispiel: 'Ich will Euch als Vater und Mutter, ich will euch als ganzheitliche Persönlichkeiten' und so weiter ... und genau dieselbe Konstruktion finden wir bei Hitler in einer Rede. Bis in die grammatischen Konstruktionen hinein sind hier die Parallelen ganz offensichtlich. Er studiert Hitlers Reden offensichtlich sehr gründlich."

Auch deswegen sei Höckes Entschuldigung in diesem Fall unglaubwürdig. Von wegen spontan – hier würden gezielt Grenzen des Sagbaren verschoben, meint die Linguistin. Hoffnung mache ihr jedoch die Reaktion der Öffentlichkeit. "Insgesamt, und dafür ist diese Interview ein Beispiel, ist die Gesellschaft sehr aufmerksam." Gerade der ÖRR würde immer wieder problematische Formulierungen thematisieren. "Wir kennen die Grenzen", so Kämper, "und von daher haben wir ein gutes Korrektiv, da gegenzuhalten."

Transparenzhinweis (Nachtrag vom 23.6.): Prof. Heidrun Kämper ist Mitglied der SPD und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Mannheimer Stadtrat.

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