Archivbild: Parteimitglieder halten beim Landesparteitag der AfD Bayern Stimmkarten hoch.
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AfD auch in Bayern stark: Politologe rät zu mehr Abgrenzung

Angesichts des bundesweiten AfD-Umfragehochs streiten die übrigen Parteien über die Schuldfrage. Doch auch in Bayern schneidet die AfD aktuell Experten zufolge "überraschend gut" ab, trotz aller Bemühungen von CSU und Freien Wählern. Woran liegt das?

Über dieses Thema berichtet: Tagesgespräch am .

Wen Hubert Aiwanger als politischen Hauptgegner sieht, ist kein Geheimnis: "Wir sind die Anti-Grünen", lautet ein Slogan des Freie-Wähler-Chefs. Als im Mai der jüngste BR24 BayernTrend veröffentlicht wurde, machte sich Aiwanger via Twitter keine Gedanken über die AfD, die gleichauf mit seiner Partei lag - sondern darüber, wie die Freien Wähler die Grünen überholen können. Sein Kalkül: Je schwächer die Grünen, desto komfortabler die Mehrheit für CSU und Freie Wähler im Freistaat.

Als der ARD-DeutschlandTrend nun der AfD bundesweit ein Hoch von 18 Prozent bescheinigte, machte Aiwanger rasch die Grünen als Ursache aus. "Politik der Ampel produziert AfD-Wähler", twitterte er. Je mehr "grüne Ideologie", umso stärker die AfD in Umfragen. Während Aiwanger die Grünen regelmäßig scharf attackiert, hofft er potenzielle AfD-Wähler durch markige Sprüche und eine klare konservative Linie gewinnen zu können. Auch die CSU-Spitze um Markus Söder umwirbt mit Warnungen vor "Woke-Wahn" und "Gender-Pflicht" konservatives Klientel.

Der Erfolg dieser Bemühungen ist nach Meinung des Münchner Politikwissenschaftlers Stefan Wurster allerdings bescheiden. Zwar kommt die AfD in Bayern in Umfragen auf ein paar Prozentpunkte weniger als bundesweit - dass die Partei im Freistaat besonders erfolgreich zurückgedrängt werde, könne man aber nicht sagen.

AfD-Wert in Bayern "überraschend gut"

Im BayernTrend und weiteren Umfragen zur Landtagswahl lag die AfD zuletzt bei 12 Prozent. "Damit sticht Bayern nicht besonders heraus gegenüber den anderen süddeutschen Ländern wie Baden-Württemberg und Hessen", sagt Wurster im BR24-Interview. Die Partei sei zwar deutlich stärker in den neuen Ländern, aber erkennbar schwächer im Westen und Norden Deutschlands.

Die 12 Prozent in Bayern seien sogar "überraschend gut", weil der Raum für die AfD im Freistaat durch die Konkurrenzsituation deutlich eingeschränkt sei: "Wir haben zum einen die CSU, die auch eher konservative Positionen bedient, nach rechts schon auch mitunter ausgreift, und die jetzt in der Lage ist, wirklich glaubhaft eine Opposition gegenüber der Bundesregierung darzustellen." Zum anderen gebe es noch die Freien Wähler: Sie seien ebenfalls im konservativen Milieu verortet und versuchten ganz explizit, "zugespitzte - manche würden sagen: populistische - Positionen zu beziehen".

AfD-Wähler lassen sich schwer zurückgewinnen

Nach Meinung Wursters verfügt die AfD in Bayern über einen festen Wählersockel von etwa 10 Prozent. Diese gefestigten AfD-Wähler seien für andere Parteien kaum noch zu erreichen. Wenn CSU oder Freie Wähler versuchten, AfD-Themen vielleicht sogar populistisch aufzugreifen, bleibe der Wähler im Zweifel eher beim "Original".

Ähnlich sieht das Parteienforscher Jürgen Falter: "Wenn sich CDU oder CSU zu sehr auf die Diktion oder die schlichten Argumentationsmuster der AfD einlassen, besteht die Gefahr, dass am Ende trotzdem lieber das AfD-Original gewählt wird", sagte er dem "Münchner Merkur". Auch scharfe Attacken auf die Ampel bringen Falter zufolge hier wenig: "Das Problem dabei ist, dass die Unionsparteien von den AfD-Wählern nach 16 Jahren an der Regierung für viele Übel, insbesondere aber für die Migration mitverantwortlich gemacht werden."

Bundesweites Umfrage-Hoch "nicht verwunderlich"

Das bundesweite Umfragehoch der AfD, die im Deutschlandtrend mit 18 Prozent gleichauf mit der Kanzlerpartei SPD lag, ist laut Wurster nicht sehr verwunderlich. "Wir gehen in die Mitte der Legislaturperiode, das ist immer eine Phase, in der die Regierungsparteien tendenziell an Zustimmung verlieren. Jetzt kommen die teilweise auch unangenehmen Reformen auf den Tisch."

Hinzu kämen aktuell zahlreiche Aufgaben, "die im weitesten Sinn etwas mit Globalisierung zu tun haben", sagt der Politik-Professor von der TU München. So gebe es nach Corona nun die Herausforderungen im Zusammenhang mit "unserem Wirtschaftsmodell" und mit dem Ukraine-Krieg. Darüber hinaus gewinne die Flüchtlingsthematik wieder an Bedeutung. Es sei erwiesen, dass in Krisen und in Zeiten von Unsicherheit Protestparteien profitierten.

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ARD-DeutschlandTrend zur Frage: "Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?"

Union macht Ampel verantwortlich

Führende Vertreter der Unions-Parteien machten derweil in den vergangenen Tagen die Bundesregierung für das Umfragehoch der AfD mitverantwortlich. CDU-Chef Friedrich Merz beklagte in seinem Newsletter, eine "schwache und beständig streitende Regierung" löse Gegenreaktionen aus. "Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen." Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja führte den Umfrage-Aufschwung der AfD in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe auf Verunsicherung durch die Ampel und ihre "führungslose Chaos-Politik" zurück.

Sein CSU-Kollege Martin Huber sagte der "Augsburger Allgemeinen: "Die Ampel regiert meilenweit an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei, sie verunsichert mit ihrer Brechstangen-Politik die Bevölkerung." Dagegen mahnte CDU-Politiker Norbert Röttgen, der Deutschlandtrend müsse von allen Parteien der Mitte als Alarmsignal verstanden wissen: "Auch die Union sollte sich selbstkritisch fragen, warum wir praktisch nicht profitieren von so einer großen Unzufriedenheit mit der Regierung."

SPD und Grüne warnen

Politiker von SPD und Grünen reagierten empört auf Anschuldigungen der Union. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert appellierte an die Union, sie solle sich gut überlegen, ob sie tatsächlich aus taktischen Motiven die Umfragewerte der AfD zum bundesweiten Stimmungsbarometer aufwerten möchte. Das mache den rechten Rand mächtiger, als er sei.

Grünen-Chefin Ricarda Lang betonte: "Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen und monokausalen Schuldzuweisungen sollten alle demokratischen Parteien, auch gemeinsam, überlegen, wie wirksame Strategien gegen die AfD aussehen."

Politologe: Glaubhafte Abgrenzung nach rechts

Die Streitigkeiten innerhalb der Bundesregierung sind nach Meinung des Politologen Wurster zwar "schon ein Faktor" beim Umfrage-Hoch der AfD. Auf der anderen Seite gebe es in der Union Versuche, zumindest zum Teil auch Positionen zu vertreten, die auch manche Standpunkte der AfD stärker legitimiere. Die Forschung zeigt laut Wurster, dass konservative Parteien eine entscheidende Rolle für Demokratiestabilität hätten - durch glaubhafte Abgrenzung nach rechts.

Somit spiele das Verhalten der Union in langfristiger Perspektive eine große Rolle. Denn sollte es zur gesellschaftlichen Legitimierung gewisser AfD-Positionen kommen, führe dies zu einer Verschiebung im öffentlichen Diskurs. "Und davon kann natürlich die AfD profitieren."

In Bayern zeichnet sich in allen Umfragen aktuell ab, dass CSU und Freie Wähler bei der Landtagswahl im Oktober erneut eine klare Mehrheit erzielen dürften. Beide Parteien hätten es im Moment relativ einfach im Wahlkampf, sagt Wurster. "Und deswegen könnte man sich eigentlich auch noch mal stärker von der AfD abgrenzen."

Im Video: Einschätzung zum aktuellen ARD-DeutschlandTrend

Delegierte stimmen auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt ab (Archivbild).
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Delegierte stimmen auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt ab (Archivbild).

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