Kampfjets bei der Übung "Air Defender 23"
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Air Defender 23: 25 Staaten, fast alle Mitglieder der NATO, beteiligen sich an dem Manöver. Einer der Start- und Landeplätze liegt in Bayern.

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"Air Defender 23": Luftwaffen-Großmanöver hat begonnen

Am Montag hat das multinationale Luftwaffen-Großmanöver "Air Defender 23" begonnen. Die deutsche Luftwaffe spricht von einer der größten Übungen dieser Art in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Auch der Himmel über Bayern wird zum Manövergebiet.

Am Montag hat das Luftwaffen-Großmanöver "Air Defender 23" begonnen. Nach Angaben der deutschen Luftwaffe kommen dabei rund 250 Militärflugzeuge aus 25 Staaten zum Einsatz. Etwa 2.000 Flüge sind geplant.

Übungen: Von Tanken in der Luft bis Bombenabwurf

Im Rahmen des Manövers soll die Verteidigung des Nato-Bündnisgebiets gegen einen fiktiven Angreifer geübt werden. Es handelt sich zwar offiziell nicht um eine Nato-Übung, die meisten der 25 teilnehmenden Staaten sind allerdings Mitglieder der Allianz. Sie haben bereits in den vergangenen Tagen Militärflugzeuge nach Deutschland verlegt. Denn die Bundesrepublik wird bis zum 23. Juni zur Drehscheibe für das Manöver.

Geübt werden unter anderem die Betankung von Flugzeugen in der Luft, der Luftkampf oder der Abwurf von Bomben über Übungsplätzen. Auch die Verteidigung von Flughäfen sowie die Bekämpfung von Drohnen oder Marschflugkörpern soll trainiert werden. Beteiligt sind etwa 10.000 Soldatinnen und Soldaten. Der weitaus größte Teil der Truppen und Flugzeuge kommt aus den Vereinigten Staaten.

Ein Airbus A400M der Deutschen Luftwaffe im Landeanflug. Die Maschine wurde anlässlich des Manövers "Air Defender 23" extra lackiert.
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Ein Airbus A400M der Deutschen Luftwaffe im Landeanflug. Die Maschine wurde anlässlich des Manövers "Air Defender 23" extra lackiert.

Deutsche Luftwaffe leitet Manöver

Geplant und geleitet wird das Manöver von der deutschen Luftwaffe. In dieser Form ist das eine Premiere. Die Luftwaffe spricht von der "größten Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato und einer der größten Luftwaffenübungen in Europa seit Ende des Kalten Krieges".

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) misst dem Manöver große Bedeutung bei: "Gemeinsam mit unseren Verbündeten zeigen wir, dass wir das Bündnisgebiet reaktionsschnell und schlagkräftig verteidigen können", sagte er in der vergangenen Woche. Das Manöver stärke das Bündnis sowie die transatlantischen Beziehungen.

Luftwaffeninspekteur Generalleutnant Ingo Gerhartz wies bei einem Auftritt vor der Hauptstadtpresse darauf hin, dass die Übung bereits im Jahr 2018 initiiert worden sei. Einen direkten Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gebe es demnach nicht, allerdings sei das Großmanöver "in der jetzigen Lage natürlich ein ganz wichtiges Signal". Auch sei damals, "knapp vier Jahre nach dem russischen Einmarsch auf der Krim", bereits klar gewesen, dass es wieder einen stärkeren Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung geben müsse. Gerhartz betonte darüber hinaus, dass es sich um eine "defensive Übung" handle. Sie sei gegen niemanden gerichtet.

Fiktiver Angriff eines fiktiven Gegners

Im Übungsszenario wird der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages ausgerufen. Ein fiktives östliches Militärbündnis namens "OCCASUS" greift die Bundesrepublik an, indem es Spezialkräfte sowie andere Truppen von Osten nach Deutschland einschleust und die fiktive Region "Klebius" besetzt. Absehbar, so beschreibt die Luftwaffe das Übungsszenario, sei in dieser Situation ein Vorstoßen nach Norden zur Ostsee, wo die gegnerischen Truppen den Rostocker Hafen in Besitz nehmen wollen. Auf diesen Vorstoß sollen die Luftstreitkräfte während des Manövers "Air Defender" reagieren.

Derartige Szenarien sind im Rahmen von Militärübungen üblich. Bei "Air Defender" liegt ein großes Augenmerk auf der Zusammenarbeit der verschiedenen Luftstreitkräfte, die ihre Maschinen zunächst nach Deutschland verlegen mussten. Auch im Falle eines tatsächlichen Angriffs auf ein Nato-Mitgliedsland wäre ein vergleichbares Zusammenziehen von Truppen an einem logistisch günstig gelegenen Ort wahrscheinlich.

Kampfjets am weiß-blauen Himmel

Das Manöver findet zwar schwerpunktmäßig außerhalb Bayerns statt, am Himmel über dem Freistaat werden aber trotzdem Militärmaschinen unterwegs sein. Es werden etwa vom Militärflugplatz Lechfeld (Landkreis Augsburg) Maschinen in nordwestlicher Richtung in einen Übungsluftraum starten.

Geflogen wird in einer Art Korridor in Richtung Ulm/Günzburg und weiter über die Donau nach Baden-Württemberg. Nach Westen hin wird der Korridor durch den Raum Memmingen begrenzt, nach Nordosten hin durch das Augsburger Stadtgebiet. Dieser Luftraum ist von Montag bis Freitag von 13 bis 17 Uhr für die militärische Nutzung reserviert. Er wird auch ansonsten von der Luftwaffe zu Übungszwecken genutzt. Das gilt auch für die anderen Übungslufträume, die die Maschinen über festgelegte Korridore erreichen können.

In der Grafik: Die Übungslufträume für "Air Defender"

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Dargestellt sind die Übungslufträume, die während des Manövers genutzt werden.

Neben den Manövern in den ausgewiesenen Lufträumen sind Flüge in Richtung südöstlicher Nato-Staaten geplant sowie Flüge in Richtung des US-Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Über dem Gelände wird es vereinzelte Tiefflüge geben. Dort soll der Abwurf von Bomben simuliert werden, um die Unterstützung von Bodentruppen aus der Luft zu üben.

Beteiligt an der Übung ist auch das Taktische Luftwaffengeschwader 74, das in Neuburg an der Donau stationiert ist. Neben den Eurofightern des Geschwaders werden auch spanische Maschinen aus Neuburg starten.

Keine Nachtflüge vorgesehen

Nachts und am Wochenende sollen keine Flüge stattfinden. Die meisten Flüge sind in größeren Höhen geplant. Fluglärm dürfte deshalb in erster Linie rund um die beiden Militärflugplätze sowie in deren Einflugschneisen zu hören sein.

Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Henning Otte (CDU), bat die Bevölkerung in einem Interview mit dem TV-Sender phoenix um Verständnis: "Das ist ein Stück weit der Preis, den wir bereit sein müssen, für den Frieden zu zahlen. Man kann auch sagen: Das ist der Sound of Freedom. Aber ich würde es eher ein bisschen runterfahren und sagen: Diese Flugzeugbewegungen nehmen wir hin."

Lechfeld wird zum Drehkreuz

Deutlich lauter werden könnte es insbesondere rund um den Fliegerhorst Lechfeld. Denn dieser wird von der Luftwaffe seit zehn Jahren nur mehr phasenweise genutzt, wie auch in den vergangenen Wochen. Ein eigener Verband ist dort allerdings nicht mehr stationiert, weshalb der militärische Flugverkehr auf dem Lechfeld insgesamt zurückgegangen ist.

Während "Air Defender 23" wird das Lechfeld allerdings zu einem der zentralen Drehkreuze für ausländische Übungsteilnehmer. Die Luftwaffe kann den Flugplatz gewissermaßen als "Gästezimmer" anbieten, da er zwar weiterbetrieben wird, viele Hangars und Wartungshallen aber leer stehen und somit Platz bieten.

A10 "Erdkampfflugzeuge" kommen zum Einsatz

Während des Manövers werden vom Lechfeld US-amerikanische sowie griechische Kampfflugzeuge starten. Die US-Luftstreitkräfte haben eine einstellige Zahl an Maschinen vom Typ A10 auf den Flugplatz verlegt. Dabei handelt es sich um "Erdkampfflugzeuge". In Militärkreisen und bei Interessierten sind sie unter dem Spitznamen "Warzenschwein" bekannt.

Für diesen Flugzeugtyp wurden auf dem Lechfeld in den 1980er Jahren eigens Parkpositionen gebaut, die nun erstmals seit Jahren wieder für ihren eigentlichen Zweck genutzt werden. Die Maschinen stehen dabei unter freiem Himmel.

"Provisorischer" Flugplatz wird simuliert

Dabei möchten die amerikanischen Soldaten den Flugbetrieb unter Bedingungen trainieren, wie sie auch auf einem provisorischen Flugplatz herrschen könnten. Ein Vorauskommando hat deshalb vor Beginn der eigentlichen Übung sämtliches Material sowie Zelte für die US-Truppen eingeflogen, während die Bundeswehr an den anderen großen Drehkreuzen der Übung unter anderem Unterkunftscontainer aufgebaut hat.

Die griechische Luftwaffe hat drei Kampfjets vom Typ F16 aufs Lechfeld verlegt. Insgesamt sind dort während der Übung etwa 350 deutsche sowie etwa 300 internationale Übungsteilnehmer untergebracht.

Verspätungen bei zivilen Flügen erwartet

Die genauen Auswirkungen auf den zivilen Luftverkehr werden sich erst im Laufe der Übung zeigen. Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) ist mit Verspätungen zu rechnen. Flugausfälle seien hingegen nicht zu erwarten, teilte ein Sprecher dem BR mit. Basis für diese Prognose sind Simulationen auf europäischer Ebene.

Weniger optimistisch gab sich zuletzt die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die einen Großteil der Fluglotsen und Techniker der DFS vertritt. GdF-Chef Matthias Maas sagte "massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt" voraus. Das Manöver, für das bestimmte Lufträume gesperrt werden, hält die Gewerkschaft angesichts der politischen Lage aber für notwendig.

Die Luftwaffe gibt sich bemüht, "alles" dafür zu tun, um die Auswirkungen der Übung gering zu halten. So werden "zum Beispiel die drei Luftübungsräume nur zeitversetzt und nie zeitgleich für bis zu vier Stunden täglich militärisch genutzt und stehen in diesem Zeitfenster dem zivilen Luftverkehr nicht zur Verfügung", heißt es seitens der Luftwaffe.

Bislang keine Einschränkungen im zivilen Luftverkehr in Bayern

Zivile Flugzeuge müssen also eventuell kurzfristig ihre Flugrouten ändern. Auswirkungen auf Flüge hatte das bis Montag Nachmittag aber noch nicht. Am Flughafen München gab es keine Verzögerungen wegen der Übung, wie ein Sprecher mitteilte. In Nürnberg waren einzelne Flüge verspätet, doch Ursache war laut Flughafen nicht unbedingt die Luftwaffenübung. Flugstreichungen gab es an beiden Airports nicht.

Auswirkungen auf die Umwelt

Ebenso unklar wie die genauen Auswirkungen auf den zivilen Flugverkehr ist der exakte CO2-Fußabdruck des Manövers. Eine eigenständige Berechnung der zu erwartenden Emissionen sei nicht möglich, teilte das Umweltbundesamt auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks mit. Berechnungen könnten nur näherungsweise erfolgen.

Demnach könnten während "Air Defender" pro Übungstag etwa vier Prozent der Emissionen anfallen, die täglich bei allen zivilen Inlandsflügen sowie den von Deutschland aus ins Ausland startenden Maschinen ausgestoßen werden. Der tägliche Durchschnittswert aus dem vergangenen Jahr liegt hier bei circa 75.000 Tonnen CO2-Äquivalenten. Während "Air Defender" könnten ca. 3.000 Tonnen CO2-Äquivalente pro Tag ausgestoßen werden.

Vergleicht man diesen Wert mit dem täglichen CO2-Ausstoß durch Inlandsflüge in Deutschland, so ergibt sich, dass an einem Manövertag in etwa so viel Emissionen ausgestoßen werden, wie im Jahr 2022 pro Tag durch Inlandsflüge angefallen sind.

Das Umweltbundesamt bezieht sich bei dieser Berechnung auf Angaben des Verteidigungsministeriums. Dieses hatte im Mai auf eine parlamentarische Anfrage aus der AfD-Bundestagsfraktion geantwortet und die gesamten Emissionen des Manövers auf rund 35.000 Tonnen CO2-Äquivalente geschätzt.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie heute auch im Radio- und Fernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks. Unter anderem im BR24 Thema des Tages, der Bayern2 Radiowelt oder den BR24 TV-Nachrichtensendungen.

Video: Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt

Flugzeug Landebahn
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