Ein Euro-Zeichen auf dem Thermostat-Ventil eines Heizkörpers.
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Teure Heizkosten: Mieter brauchen laut Wirtschaftsweise Grimm Anreize zum Energiesparen (Symbolbild).

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Wirtschaftsweise Grimm: Anreize zum Energiesparen für Mieter

Schnelle Anreize und notwendige Signale: Laut der Wirtschaftsweise Veronika Grimm muss die Politik jetzt in Aktion treten, wenn die Menschen Energie sparen sollen. Sie fordert angepasste Heizkostenabschläge und mehr Informationen für Mieter.

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Der Appell aus Deutschlands Regierung zum Gassparen ist deutlich: Sobald es irgendwo um das Thema Energie geht, sind die Worte "Mangel", "Knappheit" oder "Sparmaßnahmen" meist nicht weit. Doch reichen die Rufe und Aktionen?

Grimm: Heizkostenabschläge zeitnah ans Preisniveau anpassen

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält mehr Anreize für Mieter zum Energiesparen für notwendig. Die Heizkostenabschläge bei den Betriebskosten müssten zeitnah an das stark gestiegene Preisniveau angepasst werden, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "So kommt das Signal zum Gassparen schon jetzt bei den Mietern an." Einkommensschwache Haushalte bräuchten im Gegenzug mehr Entlastungen.

Grimm ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise) und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Regierung gibt Höhe der Gasumlage bekannt

Die Höhe der staatlichen Gasumlage soll am Montag bekanntgegeben werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) hatte gesagt, er rechne mit "einigen Hundert Euro pro Haushalt" im Jahr. Die Umlage soll Gasversorgern zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen.

Erst 2023 von den Kosten "kalt erwischt"

Grimm sagte, es könne davon ausgegangen werden, dass die Hälfte der 20 Millionen Haushalte, die mit Gas heizen, die Rechnung über die Nebenkosten bezahlen. Die Abschläge basierten aber auf der Abrechnung für das Jahr 2021 und würden sich als deutlich zu niedrig herausstellen. "Bis dies bei der Abrechnung im Sommer 2023 klar wird, ist der Winter vorbei. Es ist fatal, dass die Verbraucher dadurch überhaupt keinen sichtbaren Anreiz zum Gassparen haben, aber ex post - bei der Abrechnung, die im Jahr 2023 stattfinden wird - von den hohen Kosten kalt erwischt werden."

Zugleich können die Vermieter in Liquiditätsprobleme geraten: "Denn die hohen Bezugskosten für das Gas fallen ja an, aber die aktuellen Abschläge reflektieren diese in keiner Weise. Gesetzliche Regelungen verhindern, dass der Vermieter sie vorausschauend anpassen kann - zumindest müsste der Mieter einwilligen. Das passiert aber meist nicht."

Wirtschaftsweise: Handlungsbedarf für die Politik

Grimm sieht dringenden Handlungsbedarf für die Politik. Zunächst sollten die Vermieter verpflichtet werden, die Mieter über Verbrauch und voraussichtliche Kosten regelmäßig zu informieren. "Zum Teil geschieht dies schon, aber längst nicht überall. Die Mieter brauchen Informationen, wie man Gas einsparen kann. Bei vielen wird der individuelle Gasverbrauch abgelesen und abgerechnet, man könnte also auch bei Mietern mit Prämien für umfangreiche Einsparungen arbeiten."

Mehrwertsteuer auf die Gasumlage?

Zudem sprach sich Grimm dafür aus, die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage zu erheben. Im Gegenzug müssten aber diejenigen kompensiert werden, die durch gestiegene Preise entstehende Härten nicht alleine tragen können. "Die Mehrwertsteuer nicht zu erheben, wäre wieder eine Kompensation mit der Gießkanne, so ähnlich wie beim Tankrabatt. Es darf aber jetzt nicht darum gehen, obere Einkommen zu entlasten", sagte Grimm. "Wichtig ist, dass die Umlage direkt bei den Verbrauchern ankommt, damit sie einen Anreiz zum Gassparen auslöst. Viele sind vielleicht schon sensibilisiert, andere aber auch noch nicht."

Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Habeck wollen verhindern, dass auf die Gasumlage die Mehrwertsteuer fällig wird. Laut Finanzministerium sind solche Ausnahmen im Europarecht aber nicht vorgesehen.

Spahn regt AKW-Weiterbetrieb bis Ende des Gasmangels an

Unterdessen spricht sich der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, dafür aus, Kernkraftwerke bis zum Ende der Gasknappheit weiter laufen zu lassen. "Wir haben eine Krise. Wir brauchen im Winter Energie, und zwar jede Energie", sagte der CDU-Politiker dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Es wäre fatal für Deutschland und Europa, mitten in dieser Energiekrise sechs Prozent der deutschen Stromproduktion vom Netz zu nehmen. "Ich würde die Kernkraftwerke so lange länger laufen lassen, so lange die Gasmangel-Lage dauert." Wie lange das dauere, müsse man sehen: "Was in drei oder fünf Jahren ist, darüber können wir dann noch streiten."

Angesichts steigender Preise und drohender Energieknappheit ist eine Debatte um die weitere Nutzung der drei verbleibenden deutschen AKW entbrannt, angestoßen unter anderem von CDU und FDP. Das ist unter anderem deshalb umstritten, weil Atomkraft vor allem zur Stromerzeugung genutzt wird, fehlendes russisches Gas hingegen zur Wärmeproduktion.

Mit Material von dpa.

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