11.11.2023, USA, Claremont: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, verlässt die Bühne bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Reba Saldanha

Der 45. Präsident der USA: Donald Trump. Was wäre, wenn er 2024 der 47. Präsident würde?

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Europäische Sicherheit und Trump: Was wäre, wenn..?

Knapp ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl in den USA wachsen die Sorgen vor einer neuen Trump-Präsidentschaft. Welche Folgen hätte seine Wiederwahl für die Sicherheitslage in Europa?

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania, Wisconsin: sogenannte Swing States; Staaten, in denen mal die Demokraten, mal die Republikaner bei Wahlen vorne liegen. 2020 hatte Joe Biden in diesen gewonnen und wurde US-Präsident.

Ein Jahr vor der Wahl 2024 liegt Biden nur in Wisconsin vorne, in den fünf anderen Swing States führt Donald Trump, Bewerber für die Kandidatur der Republikaner. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der New York Times in Zusammenarbeit mit dem Siena College. Die Anklagen und Prozesse gegen Trump tun seiner Popularität offenbar keinen Abbruch.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj sorgt sich um eine mangelnde Unterstützung durch die US-Republikaner und hat Trump deshalb nach Kiew eingeladen. Trump lehnte ab, er halte es für unangebracht, zu diesem Zeitpunkt in die Ukraine zu reisen.

Was würde angesichts der angespannten Sicherheitslage in Europa ein neuerlicher US-Präsident Trump bedeuten? Für Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln ist klar: "Donald Trump ist die größte Hürde auf dem Weg, Putin zu stoppen."

USA: Zum Schutz Europas unverzichtbar?

Die USA sind der größte Unterstützer der Ukraine im Krieg mit Russland. Laut Zahlen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft haben die USA bis 31. Juli 2023 militärische Hilfe im Wert von gut 42 Milliarden Euro geleistet. Auf Platz zwei liegt Deutschland mit gut 17 Milliarden Euro.

Für Professor Jäger zeigen diese Zahlen vor allen Dingen, dass die USA zum Schutz Europas unverzichtbar sind: "Wenn es in den USA eine andere Entscheidung gegeben hätte, wenn die amerikanische Regierung gesagt hätte, wir müssen uns auf China konzentrieren, das mit Russland müssen die Europäer klären, dann wäre die Ukraine inzwischen besetzt, und Russland würde sich überlegen, wie es den Rest Europas politisch dominiert."

Werden sich die USA unter einem etwaigen US-Präsidenten Trump ab 2024 also anders entscheiden? Immer wieder hatte Trump behauptet, er könnte den Ukraine-Krieg in 24 Stunden beenden, wenn er wiedergewählt würde. Viele seiner Kritikerinnen und Kritiker befürchten, zu Ungunsten der Ukraine.

"Es gibt keine Meinung, die Trump nicht schon geändert hat"

Ist die Gefahr einer Präsidentschaft Trump für die Ukraine so groß, wie sie teilweise dargestellt wird? Das ist für Professor Jäger schwierig zu bewerten: "Es gibt keine Meinung, die Trump nicht schon geändert hat." Allerdings: Die USA haben eine Führungsrolle und eine Wirkung auf andere Staaten, die die Ukraine unterstützen. Ohne die USA gebe es nach Einschätzung Jägers keine Einheit mehr.

"Wenn die Führungsleistung der Vereinigten Staaten wegfällt, besteht die große Gefahr, dass auch andere Staaten sich abspalten und die Unterstützung für die Ukraine nicht mehr verlässlich ist – und Führen hat Trump noch nie gekonnt."

Das Problem der Polarisierung der US-amerikanischen Politik

Eine wirkliche Kriegsmüdigkeit ist in den USA indes noch nicht zu sehen. Präsident Biden hat erst jüngst in einer Fernsehansprache klargemacht, dass Israel und die Ukraine Unterstützung brauchen, weil es bei beiden um den Kampf der freien Welt gegen die autoritäre, die terroristische Herausforderung geht: "Hamas und Putin wollen eine benachbarte Demokratie vernichten, sie vollständig vernichten."

Laut Professor Jäger gibt es unter den US-Amerikanern und Amerikanerinnen immer noch eine deutliche Mehrheit für die Unterstützung der Ukraine, im Senat gebe es diese Mehrheit ebenfalls. Das Problem sei ein anderes: "Die beiden Parteien in den USA [Republikaner und Demokraten, Anm. d. Red.] können nicht wirklich miteinander arbeiten."

Die große Mehrheit der Mitte würde von den Rändern links- und rechtsaußen jeweils in Geiselhaft genommen. "Die Polarisierung verhindert eine Einigung", so Jäger.

Kann Trump auf einen Schlag die Unterstützung für die Ukraine einstellen?

Aktuell läuft das Rennen der Republikaner um deren Präsidentschaftskandidaten. Trump liegt vorn. Als Präsident könnte er nach Einschätzung Professor Jägers gar nicht so einfach die Ukraine links liegen lassen. "Er kann nicht dann einfach ein Dekret unterschreiben und das von einem Tag auf den anderen umsetzen."

In diesem Zusammenhang verweist Jäger auf den so genannten Muslim Ban, eine Executive Order, die Bürgern aus sieben mehrheitlich muslimischen Staaten zeitweise die Einreise in die USA verbot. "Keiner wusste, wie man das umsetzt, alle standen am Flughafen und hatten keine Ahnung, was man jetzt damit macht."

Was die Unterstützung für die Ukraine angeht, habe der Kongress das letzte Wort. Wenn der Kongress im Haushalt Unterstützung für die Ukraine hineinschreibe, dann müsse der Präsident die entsprechenden Gelder genau dafür ausgeben.

"Europa muss mehr leisten"

Nico Lange, Verteidigungs- und Sicherheitsexperte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, sieht in den Diskussionen in den USA durchaus reale Probleme, die Auswirkungen auf die militärischen Planungen in der Ukraine haben. "Die Ukraine kann nicht nur von der Hand in den Mund leben, sondern muss die Verteidigung im Osten und die Angriffe im Süden für die nächsten Wochen und Monate planen und wenn die Hilfspakete aus den USA nicht mehr kommen, weil man dort die Haushaltsentscheidungen nicht trifft, dann ist das ein reales militärisches Problem."

Daher plädiert Lange für eine größere Eigenständigkeit der Europäer. Die Frage sei: "Was machen wir, wenn die Amerikaner diese Budgets wirklich nicht mehr freigeben?" Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssten sich überlegen, wie sie mehr leisten könnten.

Das sei "längst überfällig" und zudem sei es "wohlfeil", dass die Europäer die Amerikaner immer mehr machen ließen, um dann daran herumzukritisieren "in der schlechten Tradition der Europäer, die für ihre eigene Verteidigung nicht das tun, was notwendig ist, alles von den Amerikanern machen lassen und die Amerikaner dann noch kritisieren. Das sollten wir unterlassen."

Können die USA unter Trump aus der Nato austreten?

Die Sicherheit und Verteidigung in Europa garantiert die Nato und damit zu einem großen Teil die USA. Würde ein Präsident Trump aus der Nato austreten? In einer zweiten Amtszeit von Donald Trump würden die USA "mit ziemlicher Sicherheit" aus der Nato austreten, sagt John Bolton, Trumps früherer nationaler Sicherheitsberater.

Doch auch das ginge nicht so einfach, sagt Professor Jäger: "Im Repräsentantenhaus und im Senat sind schon Vorkehrungen getroffen gegen ein unilaterales Vorgehen, so verwehrt das Haus dem Präsidenten alle Mittel, die er bräuchte, um aus dem Nato-Vertrag auszuscheiden und der Senat legt fest, dass er dies nur bei Zustimmung des Kongresses, mit einer Zweidrittelmehrheit im Senat, darf." Jeder Schritt Trumps in diese Richtung würde beide Häuser mobilisieren und die Justiz beschäftigen.

Die USA könnten freilich aus der Nato austreten, nur kann das Trump nicht einfach so erklären und er hätte mit heftigem Widerstand zu rechnen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!