London am frühen Morgen: Die ersten Schaulustigen versammeln sich an der Promenadestraße The Mall.
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London am frühen Morgen: Die ersten Schaulustigen versammeln sich an der Promenadestraße The Mall.

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Jubel, Protest, Festnahmen: London im Krönungsfieber

Zur Krönung von Charles III. und Camilla ist London voller Schaulustiger, Royalisten und Monarchiegegner: Es ist die erste "Coronation" eines britischen Monarchen seit 70 Jahren. Wie läuft die Zeremonie ab? Was bedeutet sie? Und wer hat was dagegen?

Wer zu normalen Zeiten entlang der Londoner Prachtmeile The Mall, die vom Buckingham Palace zum Trafalgar Square führt, ein Zelt aufschlagen wollte, würde wohl sofort Kontakt mit einem freundlichen, aber resoluten Bobby - so werden die Polizisten in England genannt - bekommen.

Doch in London herrscht gerade Ausnahmezustand - nach den Trauerfeiern für Königin Elizabeth II. schon zum zweiten Mal binnen weniger Monate. Und so campierten in der Nacht hunderte Royal-Fans links und rechts der Paradestraße, um gute Plätze für die Krönungsfeierlichkeiten von Charles III. zu ergattern. Hartgesottene harren dort bereits seit Tagen aus. Inzwischen leisten ihnen hunderttausende weitere Briten und zahllose Staatsgäste aus aller Welt Gesellschaft.

Die "zweite Amtsübernahme" des neuen Königs

Wirklich Bedeutsames wird es heute nicht zu sehen geben: Der Thronfolgepraxis des United Kingdom zufolge ist Charles bereits König, und zwar seit der offiziellen Verkündigung des Todes seiner Mutter am 8. September 2022 - die Krönung symbolisiert lediglich seine Amtsübernahme. Doch der Aufwand, Bilder zu erzeugen, die Nation und Commonwealth vereinen und Großbritannien in der Welt präsentieren sollen, ist enorm.

"Ihr müsst alle mal anfangen zu lächeln. Es wird ein wunderbarer Tag!" Ein Mitarbeiter von London Underground in der Station Green Park zu den Menschen, die zur Krönung von König Charles III. strömen

Gäste aus 203 Ländern

Mehr als 2.300 Gäste verfolgen den Gottesdienst in der Westminster Abbey, dazu Millionen an den Bildschirmen. Erwartet wurden Vertreter aus 203 Ländern, davon etwa 100 Staatschefs. Für Deutschland nimmt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil, der Charles bereits auf Charles' Deutschlandbesuch Ende März kennengelernt hat.

In einem Brief hat Steinmeier dem britischen König zuvor "aus tiefstem Herzen" gratuliert:

"Als König repräsentieren Sie den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs. Ich bin überzeugt, durch Ihre Erfahrung werden Sie Orientierung in Zeiten der Unsicherheit und des Übergangs bieten können." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

"Nicht mein König": Monarchie-Gegner festgenommen

Nicht alle Menschen, die zur Krönung ins Londoner Stadtzentrum strömen, sind auch Fans von König Charles III. und den Royals. Am Trafalgar Square versammelten sich am frühen Samstagmorgen auch drei Dutzend auch Gegner der Monarchie. Die Bewegung Republic hat zu einem Großprotest unter dem Motto "Not my King" aufgerufen und bis zu 2.000 Menschen angekündigt.

Sechs Aktivisten werden daran nicht teilnehmen können: Sie wurden von der Polizei festgenommen. Unter soll sich auch der Chef der Organisation Republic, Graham Smith, befinden. Fotos und Videos der Bewegung Alliance of European Republican Movements auf Twitter zeigten, wie Polizisten die Dokumente einiger Menschen prüften. Für die Festnahmen habe die Polizei keine Begründung genannt, sagte ein Aktivistensprecher. Vermutlich hätten sich die Sicherheitskräfte an einem mitgebrachten Megafon gestört.

Die britische Regierung hat das Demonstrationsrecht in letzter Zeit stark verschärft. So können Polizisten Kundgebungen bereits unterbinden, wenn sie davon schwere Störungen der Öffentlichkeit befürchten.

Die Zustimmung zur Monarchie bröckelt

Was die Protestierer besonders antreibt, formulierte der 28-jährige Hugo gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: der Staat solle nicht Hunderte Millionen Pfund für die Zeremonie ausgeben, während Menschen im Land hungern und frieren. Damit findet er Zustimmung auch unter Menschen, die der Monarchie eher positiv gegenüberstehen. In einer Umfragen sprach sich mehr als die Hälfte gegen die Finanzierung der Krönung mit Steuergeld aus, in einer anderen Befragung bekannte ebenfalls mehr als die Hälfte, die Zeremonie sei ihnen gleichgültig.

Die Prozession: Vom Palast zur Kirche

Die Teilnehmer der Prozession werden von all dem wohl eher wenig mitbekommen. Sie beginnt um 11.20 Uhr am Buckingham-Palast. In der "Diamond Jubilee State Coach" kutschiert das Königspaar zur Westminster Abbey. Nach der Ankunft, die exakt auf 11.53 Uhr terminiert ist, wird der Erzbischof von Canterbury dann dem neuen Staatsoberhaupt die Krone aufsetzen. Rund 900 Jahre ist diese Kirche schon der Ort der Krönung in Großbritannien. Seit Wilhelm dem Eroberer 1066 wird der Gottesdienst auch stets vom Erzbischof von Canterbury geleitet - 2023 ist das Justin Welby. Im Ablauf hat es allerdings immer wieder Modernisierungen gegeben.

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Westminster Abbey (Seitenansicht)

Der Krönungsritus: Eingangsprozession, Recognition, Schwur

Die Eingangsprozession wird angeführt von den Vertretern verschiedener nicht-christlicher Glaubensgemeinschaften, um die Vielfalt der Religionen in Großbritannien zum Ausdruck zu bringen. Dann kommen Vertreter verschiedener christlicher Konfessionen und Fahnenträger, die alle 15 Länder repräsentieren, deren Staatsoberhaupt König Charles ist.

Nach der Begrüßung des Königs und der Gemeinde folgt die "Recognition", bei der der König dem Volk durch die höchsten Kirchenvertreter symbolisch vorgestellt wird und eine Bibel überreicht bekommt. Dann nimmt der Erzbischof von Canterbury Charles den Schwur ab.

Der Schwur: Alter Brauch mit neuen Elementen

Anders als etwa die Vereidigung des deutschen Bundespräsidenten ist das eine etwas längere Angelegenheit. Neu ist eine Einleitung, in der das Bekenntnis zur Wahrung der Glaubensfreiheit aller Menschen betont wird. Anschließend legt Charles seine Hand auf die Bibel und bejaht die ihm vorgelesenen Schwurformeln. Dazu gehört ein Bekenntnis, Recht und Gesetz aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, dass Großbritannien und sein Königshaus protestantisch bleiben. Im Anschluss trägt Charles als erster Monarch ein für ihn persönlich verfasstes Gebet vor.

Salbung hinter Sichtschutz

Danach folgt, was gemeinhin als Höhepunkt der Zeremonie gilt. Die Salbung ist der einzige Teil der Zeremonie, den niemand zu sehen bekommen soll. Zum Gesang des Chors wird ein Sichtschutz um König Charles errichtet. Der König legt die Staatsrobe ab, kniet vor dem Hochaltar, Erzbischof Welby macht mit einem Löffel voll Öl das Kreuzzeichen über Charles, später auch über Camilla. Das Öl stammt übrigens aus Oliven vom Ölberg in Jerusalem, wo die Großmutter von Charles, Prinzessin Alice von Griechenland, beigesetzt wurde.

Danach bekommt der neu eingekleidete König Insignien oder Regalien überreicht, die seine Herrschaft symbolisieren: Sporen, ein Schwert, Armreife, eine Robe und eine Stola, den Reichsapfel, einen Ring, einen Handschuh, das Zepter und den Stab.

Debatte um den "Aufruf zum Treueschwur"

Ein weiterer Teil des Ablaufs hat im Vorfeld für massive Kritik gesorgt: ein öffentlicher Treueschwur der Bevölkerung für König Charles III., der die Tradition der knienden Huldigung durch andere Royals und Adlige ersetzen sollte. Der Erzbischof von Canterbury sollte die Menschen in der Westminster Abbey sowie die Millionen an den Bildschirmen "aufrufen", dem König lautstark die Treue zu schwören - eine Neuerung, die als spaltend und anachronistisch kritisiert wurde. Jetzt soll Welby die Gemeinde nur "einladen", dem Monarchen ihre Unterstützung zu zeigen.

Nachbarschaftsfeste und Popmusik

Nach der offiziellen "Coronation" soll dann gefeiert werden - insgesamt drei Tage dauern die Krönungsfeierlichkeiten. Für Sonntag sind Nachbarschaftsfeste im gesamten Vereinigten Königreich und ein Popkonzert auf Schloss Windsor geplant. Der Montag wurde ebenfalls zum Feiertag erklärt. Die Briten sind aufgerufen, die freie Zeit für gemeinnützige Arbeit zu nutzen.

In Großbritannien bereiten sich die Menschen auf die Krönungszeremonie von König Charles III. vor.
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Nach jahrzehntelangem Warten bekommt Charles III. nun offiziell die Krone aufs Haupt.

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