Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
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Selenskyj setzt auf freiwillige Rückkehr von Wehrpflichtigen

Der ukrainische Präsident will in Deutschland lebende Ukrainer im wehrfähigen Alter nicht zwangsrekrutieren lassen, sagte er in einer ARD-Talkshow. Selenskyj betont zudem die aktuelle Rolle von Kanzler Scholz und schielt auf Taurus-Marschflugkörper.

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Auch wenn er sie gerne in der Ukraine sehen würde, will Präsident Wolodymyr Selenskyj die ins Ausland geflüchteten Wehrdienstverweigerer nicht mit Druck zurückholen. Er fordere daher auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht dazu auf, diese Menschen zurückzuschicken, sagte er in der am Sonntagabend ausgestrahlten ARD-Sendung "Caren Miosga". "Ich rufe definitiv nicht Olaf Scholz zu: Bringe sie schnell zurück", sagte er. "Wir leben in einer demokratischen Welt."

Was die Ukraine mit Blick auf Wehrdienstverweigerer brauche, sei ein "funktionierendes Gesetz". Dies sei gegenwärtig in Vorbereitung. Die Menschen seien aus verschiedenen Gründen gegangen. "Wir wünschen uns, dass die Menschen im wehrfähigen Alter, die das Land mit einem Verstoß gegen Gesetz verlassen haben, in der Ukraine wären", sagte Selenskyj. Es gehe hier nicht darum, alle an die Front zu schicken. "Wir haben eine große Armee", sagte der Präsident. "Es geht hier um Gerechtigkeit."

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren waren Hunderttausende Ukrainer ins Ausland geflohen, viele von ihnen nach Deutschland. Unter ihnen befinden sich auch Männer im wehrfähigen Alter.

Scholz hat Putins Absichten begriffen

Scholz hat nach Meinung Selenskyjs die Absichten und Ziele von Kremlchef Wladimir Putin inzwischen klar erkannt. "Er hat verstanden, dass Putin nicht nur ein Name ist, sondern eine Bedrohung, und nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine", sagte Selenskyj in der ARD-Talkshow mit einem Blick zurück auf seinen Berlin-Besuch im Mai des Vorjahres. "Ich glaube, er spürt, dass Russland näher an Deutschland heranrückt, wenn wir nicht durchhalten."

Ob und wann dies geschehe, welchen Nato-Staat es als ersten treffen werde, könne er nicht sagen, meinte Selenskyj weiter. "Aber mir scheint, dass der Bundeskanzler dieses Risiko begreift, und das ist definitiv der Dritte Weltkrieg." Somit habe Scholz die Risiken verstanden. "Olaf hat gespürt, dass er nicht nur Bundeskanzler ist, sondern einer der Leader im heutigen Europa", wies er dem Kanzler größere Bedeutung zu. Er würde Scholz gerne zum Freund haben.

Bedauern um fehlende Marschflugkörper

Selenskyj bedauerte einmal mehr, dass Deutschland nicht bereit ist, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Allerdings nahm er dafür nicht Scholz in die Verantwortung, wollte aber weder Details noch Hintergründe nennen. Die Entscheidung des Bundestags, der die Lieferung mehrheitlich abgelehnt hatte, sei ein klares Signal gewesen. Doch er hoffe auf eine neue Entscheidung.

Enttäuscht sei er allerdings, dass Deutschland bei der Besetzung der Krim 2014 "nicht die Rolle gespielt hat, die es hätte spielen sollen", sagte Selenskyj. "Wir haben uns alle ein Deutschland verdient, das Russland an den Verhandlungstisch zwingt, um ihm klarzumachen, dass man das Völkerrecht nicht verletzen darf, dass man die Werte nicht verletzen darf."

Selenskyj würde auch mit Trump reden

Zu einem möglichen Personalwechsel im Weißen Haus nach den US-Präsidentschaftswahlen im Herbst wollte sich Selenskyj nicht konkret äußern. "Das Leben birgt viele Überraschungen", sagte er zu der bevorstehenden Entscheidung der Amerikaner zwischen Amtsinhaber Joe Biden und voraussichtlich dem früheren Präsidenten Donald Trump. "Ich werde mit ihm sprechen", sagte er zu der Aussicht auf einen Wahlerfolg Trumps. Sollte Trump seine Formel umsetzen, er könne einen Frieden innerhalb von 24 Stunden herbeiführen, "werde ich ein sehr glücklicher Präsident sein".

Die Ukraine habe sowohl bei den Demokraten von Präsident Biden als auch bei Trumps Republikanern viele Unterstützer. "Die Politik der USA hängt wohl kaum von einem einzigen Menschen ab", sagte Selenskyj. Eine bessere Beziehung zu den Vereinigten Staaten wie aktuell habe sein Land allerdings noch nie gehabt. Wie sich das unter einem anderen Präsidenten entwickeln werde, sei "schwer zu sagen".

Mit Informationen von dpa und Reuters

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