Katja war zwölf Jahre alt, als der Krieg in der Ukraine begann. Sie kam aus einem Ferienlager nicht mehr zurück, wurde über ein Jahr auf der Krim festgehalten. Sie hatte Angst, ihre Familie nicht wiederzusehen.
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Kinder, die von Russen aus der Ukraine verschleppt wurden, sind oft traumatisiert. Die Würzburger Trauma-Experten wollen ihnen helfen.

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Verschleppte Ukrainer: Würzburg hilft traumatisierten Kindern

Seit Kriegsbeginn wurden 20.000 ukrainische Kinder in russisches Gebiet entführt. Ein paar hundert kamen zurück, teils schwer traumatisiert. Würzburger Experten wollen ihnen und vielen anderen bei der Verarbeitung der schlimmen Erlebnisse helfen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Katja war zwölf Jahre alt, als der Krieg in der Ukraine begann. Sie kam aus einem Ferienlager nicht mehr zurück, wurde über ein Jahr auf der Halbinsel Krim festgehalten. Sie hatte Angst, ihre Familie nicht wiederzusehen. Kinder wie Katja gibt es viele. Sie sind oft traumatisiert. Um ihnen zu helfen, hat eine Delegation aus der Ukraine jetzt die Trauma-Ambulanz der Universität Würzburg besucht. Denn dort werden neue Methoden der Traumabehandlung angewendet, die noch nicht verbreitet sind.

Nach einem Attentat in der Würzburger Innenstadt haben Experten damit Erfahrungen gesammelt. Künftig will Würzburg die Ausbildung von Trauma-Therapeuten in der Ukraine unterstützen. Der Krieg hinterlässt dort auch tiefe seelische Wunden.

Seelische Kriegswunden: Russen verschleppen Kinder

Im Krieg gegen die Ukraine sind viele Kinder zur "Waffe" geworden. Der Kreml spricht von Evakuierung, man wolle die Kinder schützen. Die Vereinten Nationen nennen es ein Kriegsverbrechen. Der Internationale Strafgerichtshof in den Haag hat deshalb im März 2023 wegen der illegalen Verschleppung ukrainischer Kinder einen internationalen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen.

Dank Hilfsorganisationen, wie die von Wladimir Klitschko gegründete Initiative "We are all Ukrainians", konnten mehrere hundert Kinder aus den Umerziehungslagern und der Isolation zurückkehren. Beim Wiedersehen fließen Tränen, manche Kinder sind verhaltensauffällig, wollen nicht über ihre Erlebnisse sprechen. Teilweise hatten sie nicht damit gerechnet, ihre Eltern jemals wiederzusehen.

Start der Trauma-Therapie im Frühjahr denkbar

Eine einfache Methode hilft, dass traumatisierte Menschen belastende Erfahrungen weitgehend selbst verarbeiten können. In manchen Fällen genügen wenige Sitzungen. Dabei folgt der Klient mit den Augen den Fingern des Therapeuten. Die Augenbewegungen sind mit dem REM-Schlaf vergleichbar – in der Phase des Schlafes, in der die Geschehnisse des Tages verarbeitet werden.

In Würzburg wurde ein Programm entwickelt, um Ärzte und Psychologen unkompliziert und schnell zu qualifizieren. Und davon soll nun auch die Ukraine profitieren. Geplant sind drei Module. Eine einwöchige Einweisung in Würzburg, zudem eine weitere Online-Begleitung. Bereits im März oder April wäre ein Start denkbar.

Große Hilfsbereitschaft für die Ukraine in Würzburg

Rund 300.000 Euro an Spenden haben die Würzburger Lionsclubs zusammengetragen. Die Aktionen waren vielfältig. So gab es in Supermärkten Sammelboxen, zudem einen großen Benefizball. Bei diesem wurden am Samstagabend symbolische Schecks von rund 300.000 Euro an die ukrainische Delegation übergeben.

Insbesondere Kinder und Erwachsene sollen mithilfe des Geldes mit Prothesen versorgt werden, ein Teil des Geldes fließt aber auch in die Trauma-Therapie. Es werden jedoch noch weitere Spenden gebraucht. "Es gibt unglaublich viel zu tun, wir sind Würzburg sehr dankbar", sagte die sichtlich gerührte Kateryna Kit-Sadova. Sie ist die Frau des Oberbürgermeisters von Lwiw, der ukrainischen Partnerstadt in Würzburg.

Lebenslanges Leid verhindern

Werden traumatische Erlebnisse nicht behandelt, können sie lebenslange Folgen nach sich tragen und sogar in die nächste Generation übertragen werden. Die Wissenschaft spricht dabei von einem Transgenerationalem Trauma. Die Nachfahren leiden an Symptomen wie Schlaflosigkeit oder Depressionen, ohne dass sie das Trauma selbst erlebt haben.

Das gilt es möglichst zu verhindern, so der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt: "Unsere Großeltern und Eltern hatten nach dem Krieg ihr Leben lang Kriegserlebnisse wie einen großen Ballast herumgetragen. Deshalb ist es uns ein Herzensanliegen, der Ukranie zu helfen."

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Eine Delegation aus der Ukraine beim Besuch der Trauma-Ambulanz der Universität Würzburg

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