Symbolfoto Rot-Rot-Grün
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Rot-Rot-Grün: Passt das politisch zusammen?

Eine Koalition aus SPD, Grünen und Linke: Laut Umfragen könnte es nach der Wahl für dieses Bündnis reichen. Während die Sozialdemokraten zurückhaltend sind, wirbt die Linke immer mehr dafür. Wo es politisch passen würde – und wo nicht. Eine Analyse.

So klar hatte man Janine Wissler, Parteivorsitzende der Linken, selten gehört: Eine Richtungsentscheidung sei die Bundestagswahl am 26. September, sagte sie im "ZDF Morgenmagazin". "Und da, finde ich, sollten SPD, Grüne und Linke gemeinsam nach der Wahl, wenn es eine Mehrheit gibt, sehr ernsthaft sondieren, ob man sie nutzen kann." Die Linke wirbt immer offensiver für eine Koalition mit SPD und Grünen. Das zeigt nun auch die Vorstellung eines "Sofortprogramms für einen Politikwechsel" der beiden Spitzenkandidaten Wissler und Dietmar Bartsch.

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Sozialdemokraten und Grüne äußern sich hingegen weiter eher distanziert und zurückhaltend. Von Unionsseite wird dennoch die Gefahr eines linken Bündnisses skizziert. "Freiheit statt Sozialismus", sagte der CSU-Politiker Florian Hahn bei der "Stadiontour" der Christsozialen in Kempten beispielsweise. Und auch Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet entdeckte die Frage nach der Linken als mögliche Schwäche seines SPD-Kontrahenten Olaf Scholz.

Rechnerisch möglich – aber auch politisch?

Nach den aktuellen Umfragen wäre eine rot-rot-grüne Mehrheit nach der Bundestagswahl möglich – genauso wie schon bei den Wahlen von 2005 und 2013. Doch im Gegensatz zu diesen Urnengängen schlossen die Sozialdemokraten dieses Mal ein Bündnis mit der Linken nicht von vornherein aus. Allerdings nannte SPD-Kanzlerkandidat Scholz hohe Hürden, die ein Bündnis unwahrscheinlich machen.

Wo passen die drei Parteien politisch zusammen? Wo nicht? Wie wahrscheinlich ist dieses Bündnis nach der Wahl?

Überwindbare Unterschiede beim Thema Klimapolitik

In Sachen Klimapolitik liegen die Parteien auseinander. Dabei fallen aber mehr die Grünen aus der Reihe als die Linke. Die SPD will Deutschland gemäß dem Klimaschutzgesetz 2045 klimaneutral machen, die Linke schon 2040. Die Grünen wollen diesen Prozess mit weiteren Maßnahmen beschleunigen: beispielsweise den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen und die Einführung eines Klimaschutzministeriums, das alle Gesetzespläne blockieren kann, die nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wollen alle drei Parteien.

Die Klimapolitik steht damit symptomatisch für zahlreiche Politikfelder, in denen Linke oder Grüne stärkere Forderungen stellen als die regierenden Sozialdemokraten. Es sind allerdings kaum Themen, die ein mögliches Bündnis verhindern würden. Bei einem der Linken sehr wichtigen Thema wie dem Mindestlohn fordern sie eine Erhöhung auf 13 Euro, die SPD auf zwölf Euro. Die SPD wiederum will das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren belassen, die Linke will es wieder auf 65 Jahre absenken.

Kompromisse möglich – aber wahrscheinlich nicht überall

"Die drei Parteien könnten sich gut in den Bereichen rund um sozialpolitische Themen einigen", erklärt Jasmin Riedl, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München.

Es gibt Themen, bei denen die Verhandlungen schwieriger verlaufen dürften: Etwa bei der Frage nach der Rolle des Verfassungsschutzes, den die Linke abschaffen will. Ein Mittelweg wäre die Grünen-Forderung nach einer Neuaufstellung der Behörde. Auch das Thema Immigration dürfte einiges an Verhandlungen nach sich ziehen. Definitiv verhindern könnten eine Mitte-Linkskoalition dagegen zwei zentrale Punkte – die Steuer- und die Außenpolitik.

Differenzen in der Steuerpolitik

Zwar wollen alle drei Parteien Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen entlasten. Was die Erhöhung der Steuern für Besserverdiener angeht, liegen SPD und Linke allerdings deutlich auseinander.

Die SPD plant für Spitzenverdiener eine Erhöhung der Einkommensteuer von drei Prozent – die Grenze hierfür liegt bei Verheirateten bei 500.000 Euro im Jahr, bei Ledigen ab 250.000 Euro. Für Wohlhabende soll zudem der Solidaritätszuschlag beibehalten werden. Zudem fordern die Sozialdemokraten die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das Programm der Grünen liest sich ähnlich.

Die Linken gehen dagegen einen Schritt weiter: Die Schuldenbremse soll abgeschafft werden. Die Einkommensteuer soll deutlich erhöht werden. Ab einem Einkommen von etwa 81.000 Euro auf 53 Prozent, bei über 260.000 Euro auf 60 Prozent und bei über einer Million auf 75 Prozent. Es soll zudem eine Vermögensteuer geben: Ab der ersten Million soll dieser bei einem Prozent liegen, bis zum Höchstsatz von fünf Prozent ab einem Vermögen von 50 Millionen Euro und mehr.

"Bei den Plänen der Linken findet die Umverteilung am deutlichsten von oben nach unten statt", erklärt Riedl. In der Steuerpolitik müsste die Partei wohl einen großen Schritt auf SPD und Grüne zugehen. Mit Ausblick auf eine Regierungsbeteiligung vielleicht noch innerparteilich durchsetzbar – im Gegensatz zum nächsten Bereich.

Konfliktthemen: Nato und Außenpolitik

Der größte Zankapfel bleibt das Thema Außenpolitik. Besonders deutlich wurde dies bei der Abstimmung im Bundestag zum Bundeswehr-Rettungseinsatz in Afghanistan: 43 Mitglieder der Linksfraktion enthielten sich, fünf stimmten mit Ja, sieben mit Nein. "Betrübt" habe ihn dieses Votum, erklärte SPD-Kanzlerkandidat Scholz. Und die Abstimmung über den Einsatz ist nur ein Beispiel für die Differenzen, die es zwischen SPD und Grünen auf der einen und der Linken auf der anderen Seite gibt.

Die Linke will die Nato abschaffen. Im Wahlprogramm der Partei heißt es: "Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat."

Bartsch: "Wir sind doch kein Kasperletheater"

SPD-Kanzlerkandidat Scholz stellte im ersten TV-Triell mit Laschet und Annalena Baerbock als Bedingungen für jedes Bündnis fest: "Es muss ein klares Bekenntnis geben zur Nato." Dietmar Bartsch fragte nun bei der Vorstellung des "Sofortprogramms" der Linken: "Was ist denn eigentlich mit Bekenntnis gemeint?". Der Co-Spitzenkandidat der Linken weiter: "Das ist so ein Blödsinn. Wir sind doch kein Kasperletheater. Dieser Bekenntnisquatsch, damit soll man aufhören."

Bartsch forderte stattdessen, die Nato zu "überwinden" und in ein "System kollektiver Sicherheit unter Einbeziehung Russlands" umzuwandeln. "Wer das dann Nato nennen will, soll das Nato nennen", so der Co-Spitzenkandidat der Linken. Ob diese Äußerung als Kompromissbereitschaft zu verstehen ist – da gehen die Meinungen bisher auseinander.

Bei der SPD heißt es dagegen zur Nato deutlich: "Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar." Auch die Grünen gehen bei diesem Thema auf Distanz zur Linkspartei.

Expertin: Rot-Rot-Grün "politisch sehr schwierig"

"Die Linke müsste sich sehr weit von einem klassischen Programmpunkt distanzieren", sagt Prof. Riedl. "Ich weiß nicht, ob der Wille zur Regierungsverantwortung so groß ist, dass man diesen Programmpunkt tatsächlich kippen kann". Bei der Linken sei die Ablehnung der Nato und von Auslandseinsätzen ein "ganz wesentlicher Punkt, der tief verankert ist."

Von der SPD dürfte es hier kein Entgegenkommen geben, sonst würde Scholz sich unglaubwürdig machen. Wegen dieses kaum zu überwindenden Gegensatzes erklärt Riedl: "Politisch halte ich dieses Bündnis für schwierig, für sehr schwierig, aber nicht vollends auszuschließen."

Steigen die Chancen für die Ampel?

Die Warnungen von Unionsseite vor einem Linksbündnis zeigen zumindest in den Umfragen keine großen Auswirkungen. Auch weil Scholz "nicht so gut als rotes Schreckgespenst funktioniert", so Prof. Riedl. Seine Partei spielt CDU und CSU ebenfalls nicht in die Karten. "Der linke Flügel innerhalb der SPD ist sehr diszipliniert in diesem Wahlkampf".

Durch die bisherige Nicht-Absage an ein Linksbündnis könnte eine andere Konstellation verstärkt in den Vordergrund rücken für den Fall, dass die Sozialdemokraten auf Platz eins ins Ziel gehen. Die FDP könnte ihren Anhängern eine Regierungsbeteiligung in einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen besser verkaufen, wenn man damit ein linkes Bündnis verhindert hätte.

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