07. Dezember 2022: Ein vermummter Polizist mit dem festgenommenen Heinrich XIII Prinz Reuß nach einer Razzia gegen Reichsbürger.
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07. Dezember 2022: Ein vermummter Polizist mit dem festgenommenen Heinrich XIII Prinz Reuß nach einer Razzia gegen Reichsbürger.

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Reichsbürger-Prozess um Reuß-Gruppe: Auch zwei Bayern angeklagt

Sie wollten die Demokratie offenbar mit Gewalt beseitigen: ein Netzwerk an mutmaßlichen Reichsbürgern rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Im Mai beginnt nun der Prozess gegen die Beschuldigten – in Frankfurt, München und Stuttgart.

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Es handelt sich um das größte Anti-Terror-Verfahren in der deutschen Nachkriegsgeschichte: die Ermittlungen gegen das mutmaßliche Reichsbürgernetzwerk rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Gruppierung, die im Dezember 2022 aufgeflogen war, soll in Deutschland einen Umsturz geplant haben. Nun wurde der Termin des Hauptprozesses bekannt gegeben.

Drei Prozesse in Frankfurt, München und Stuttgart

Er beginnt am 21. Mai in Frankfurt am Main. Wie das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main am Dienstag mitteilte, wurde mit Beschluss vom 22. März das Hauptverfahren gegen neun Beschuldigte eröffnet und die Anklage der Bundesanwaltschaft zugelassen.

Gegen das im Dezember 2022 aufgeflogene Netzwerk sind insgesamt drei Prozesse vorgesehen, neben dem Hauptverfahren in Frankfurt gibt es auch Verfahren in München und Stuttgart. Ein Verfahren gegen die insgesamt 27 Beschuldigten an einem Ort sei logistisch nicht möglich gewesen.

Reuß gilt als der Kopf der Gruppe. Er soll nach dem mutmaßlich geplanten Umsturz als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehen gewesen sein. Außerdem stehen der frühere Bundeswehroffizier Rüdiger von P. sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann in Frankfurt auf der Liste der Angeklagten. Von P. gilt der Bundesanwaltschaft zufolge ebenso wie Reuß als Rädelsführer. Das Gericht setzte bereits Verhandlungstage bis Mitte Januar nächsten Jahres an.

Angeklagte aus Niederbayern und der Fränkischen Schweiz

Zu den Angeschuldigten gehören unter anderem auch der ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder aus Eppenschlag im niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau sowie Peter W. aus Pottenstein im Landkreis Bayreuth. Eder, der während der Corona-Pandemie zu den prominenteren Vertretern der Querdenker-Szene zählte und mehrfach öffentlich auftrat, soll gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Gruppe Liegenschaften des Bundestags ausgekundschaftet und versucht haben, aktive Soldaten für die Ziele der Gruppe zu gewinnen.

Zudem soll er Waffen beschafft und den Entwurf für eine Absetzungserklärung der Bundesregierung verfasst haben. Kurz vor seiner Festnahme im Dezember 2022 in Italien hatte er in den sozialen Netzwerken in einem Video eine "Zeitenwende" angekündigt und eine "neue Justiz", die die Corona-Maßnahmen aufarbeiten sollte. Peter W. hatte zuletzt in der Fränkischen Schweiz als Survival-Trainer gearbeitet. Auch er soll laut Bundesanwaltschaft Bundestags-Liegenschaft ausgekundschaftet und versucht haben, aktive Soldaten für die Gruppe zu gewinnen. Zudem soll er ein Schießtraining für Mitglieder der Gruppe organisiert und Ausrüstung beschafft haben.

Reichsbürger überzeugt von Verschwörungsmythen

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft sollen die Mitglieder des Netzwerks geplant haben, die staatliche Ordnung in Deutschland erst gewaltsam zu stürzen und dann durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Die mutmaßlichen Verschwörer sollen einen Staat nach dem Vorbild des Kaiserreichs von 1871 im Blick gehabt haben. Der Bundesanwaltschaft zufolge verbindet die mutmaßlichen Reichsbürger eine "tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung".

Überzeugt waren sie der Anklage zufolge von verschiedenen Verschwörungsmythen – beispielsweise davon, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten "Deep State" regiert werde und von einer Allianz befreit werden könne. Dabei handle es sich ihrer Meinung nach um einen technisch überlegenen Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Streitkräften verschiedener Staaten. 

Die Mitglieder hätten erwartet, dass der Geheimbund ihnen ein Zeichen geben werde, dass der "Tag X" gekommen sei, an dem er die obersten Institutionen Deutschlands angreife. Ihre eigene Organisation habe dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen beseitigen sollen. Dazu wurde den Ermittlern zufolge bereits mit dem Aufbau von sogenannten Heimatschutzkompanien begonnen.

Reichsbürger wollten Reichstagsgebäude in Berlin bewaffnet stürmen

Zudem habe das Netzwerk hunderte Waffen zusammengetragen. Den Beteiligten sei bewusst gewesen, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde, erklärte die Bundesanwaltschaft bei Anklageerhebung im Dezember. Sie hätten geplant, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Bundestagsabgeordnete gefangenzunehmen. Dazu seien bereits Liegenschaften des Bundestags ausgekundschaftet worden.

Nach dem gewaltsamen Umsturz wollte der Kern der Gruppe, namentlich Reuß, der Anklage zufolge mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs über eine neue staatliche Ordnung verhandeln. Zentraler Ansprechpartner sei ihrer Auffassung nach aber nur Russland gewesen.

Prozess in München beginnt im Juni

In München beginnt im Juni vor dem Oberlandesgericht (OLG) der Terror-Prozess gegen acht mutmaßliche Anhänger der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Das teilte das OLG vergangene Woche mit. Angeklagt ist mit Thomas T. ein Mann aus Buch am Wald im Landkreis Ansbach. Der Schweißer soll laut Ermittlern der "persönliche Referent" des Hauptangeklagten Reuß gewesen sein. Bei T. soll im Juli 2021 zudem das Gründungstreffen der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung stattgefunden haben.

Nach Angaben von Ermittlern nahm T., der aus dem Rockermilieu stammt, an mehreren Koordinierungstreffen der Gruppe teil, übernahm die Leitung des selbsternannten Ressorts "Transkommunikation" und absolvierte ein Schießtraining. Für das Verfahren in München setzte das OLG 54 Verhandlungstage an – mit einem Urteil wird Ende Januar 2025 gerechnet.

Ebenfalls vor dem OLG München wird sich dann Harald P. aus dem unterfränkischen Landkreis Schweinfurt verantworten müssen. Der IT-Fachmann soll den "militärischen" Arm der Reichsbürger-Gruppe unterstützt haben, etwa was Waffen aber auch IT-Infrastruktur angeht. Er war nach BR-Recherchen beruflich offenbar vor allem in Mittelfranken aktiv.

Mit Informationen von dpa

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