Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht, aufgenommen am 24.01.23.
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Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht, aufgenommen am 24.01.23.

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Parteienfinanzierung: Schelte aus Karlsruhe – und jetzt?

Die Große Koalition hat 2018 die staatliche Parteienfinanzierung erhöht – um 25 Millionen Euro pro Jahr. Das war verfassungswidrig. Muss Geld zurückgezahlt werden? Für wen wäre das kritisch? Und was ist die Symbolwirkung des Urteils? Eine Analyse.

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Bei der CSU haben sie schon mal nachgerechnet, nein: vorgerechnet. Denn laut Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, kommt das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Christsozialen nur bedingt überraschend. Schon kurz nach der Meldung, dass die 2018 beschlossene Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung in der gewählten Form verfassungswidrig ist, kündigt Dobrindt eine Rückzahlung an.

Für seine Partei gehe es insgesamt um rund vier Millionen Euro, sagt der CSU-Landesgruppenchef. Aber, keine Sorge: Die Partei habe bereits Vorsorge getroffen. In der "Erwartung" einer solchen Entscheidung seien die Gelder gar nicht erst ausgegeben worden. Ähnlich äußern sich auch Vertreter von SPD, CDU, Grünen, AfD und FDP. Botschaft: Das Zurückzahlen stellt uns nicht vor Probleme.

2021 haben 20 Parteien Geld vom Staat gekriegt

Damit scheint eine drängende Frage, die sich aus dem Karlsruher Urteil ergibt, rasch beantwortet: Bringen mögliche Nachzahlungen die Parteien in finanzielle Schwierigkeiten? Wohl nicht, jedenfalls im Fall der genannten Parteien aus dem Bundestag. Insgesamt erhalten allerdings mehr Akteure staatliche Zuwendungen – insgesamt 20 Parteien waren es im Jahr 2021. Sie alle haben anteilig vom höheren Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung profitiert, der in den vergangenen vier Jahren um jährlich 25 Millionen erhöht worden war.

Nachfrage also beispielhaft bei der ÖDP, in Bayern nicht im Landtag vertreten, genauso wenig im Bundestag oder in anderen Landesparlamenten. Welche Folgen hat das aktuelle Urteil? Bayerns ÖDP-Sprecher sagt: Auch seine Partei koste das eine Rückzahlung, man habe aber damit gerechnet, das Geld schon zur Seite gelegt.

2021: CSU erhielt vom Staat 15,7 Millionen Euro

Ob andere kleinere Parteien das zusätzliche Geld ausgegeben haben und jetzt in Schwierigkeiten kommen? Noch nicht abschließend geklärt. Die Summen unterscheiden sich jedenfalls gewaltig, wie ein Blick auf das Jahr 2021 zeigt. Die Bundes-SPD erhielt damals 56,1 Millionen, die CDU 51 Millionen, die Grünen 30 Millionen Euro. Für die CSU, die nur in Bayern antritt, waren es 15,7 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die ÖDP erhielt knapp 1,3 Millionen – und das "Team Todenhöfer" knapp 13.600 Euro.

Wie viel Geld Parteien vom Staat bekommen, hängt vor allem davon ab, wie sie bei den jüngsten Wahlen abgeschnitten haben. Andere Einnahmequellen sind beispielsweise Mitgliederbeiträge, Spenden, Parteishop-Artikel. Diese anderen Einnahmen müssen zusammen einen größeren Anteil ausmachen als die staatliche Parteienfinanzierung.

Erhöhung: Karlsruhe hält Begründung für unzureichend

2018 beschlossen Union und SPD in der Großen Koalition, die jährliche Höchstgrenze für die staatliche Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro zu erhöhen – auf damals 190 Millionen Euro pro Jahr. Im vergangenen Jahr lag diese Obergrenze teuerungsbedingt bei 205 Millionen Euro. Begründet wurde die Anhebung von der Großen Koalition mit den größeren Hausforderungen durch die Digitalisierung: Hacker, Fake News, Datenschutz im Netz. Um das zu bewältigen, brauche es mehr Geld.

Viereinhalb Jahre später ist klar: Diese Begründung war zu dünn. Der Gesetzgeber habe nicht ausreichend erklärt, warum der "zusätzliche, aus eigenen Mitteln nicht aufzubringende Finanzbedarf der politischen Parteien" eine Anhebung der Obergrenze für die Parteienfinanzierung erfordere. So steht es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es fehle auch "an einer Auseinandersetzung mit den durch die Digitalisierung eröffneten Einsparpotentialen". Und die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, stellt klar: Der Umfang der Staatsfinanzierung dürfe nicht immer weiter anschwellen.

"Bärendienst für die Demokratie": Opposition sieht sich bestätigt

Hier beginnen die politischen Folgen des Urteils – die Opposition (von einst) frohlockt und fühlt sich bestätigt. In Karlsruhe geklagt hatten Grüne, FDP und Linkspartei. Bayerns Grünen-Landeschef Thomas von Sarnowski twittert kurz nach dem Urteil: "Zuerst das Land, dann die Partei." Mit dem "Durchpeitschen der Erhöhung während der Fußball-WM 2018" habe die Große Koalition "der Demokratie insgesamt einen Bärendienst erwiesen".

Bayerns FDP-Landeschef Martin Hagen zeigt sich ebenfalls zufrieden: "Gute Nachricht für die Steuerzahler", twittert er. Die AfD wiederum sieht sich auch bestätigt. Der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner spricht von einem "Erfolg für uns alle". Die seit 2019 "rechtswidrig von den Parteien vereinnahmten Mittel" müssten schnellstmöglich zurückgezahlt werden.

Rückzahlung: Wahrscheinlich, aber bisher nicht angeordnet

Bisher ist allerdings gar nicht klar, ob wirklich Geld zurückbezahlt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rückzahlungsfrage in seinem Urteil offen gelassen - und die Bundestagsverwaltung, die darüber entscheidet, legte sich zunächst nicht fest. Dass CSU-Politiker Dobrindt schon mal die Rückzahlung ankündigt, kann man aber durchaus so interpretieren, dass er auch damit rechnet.

So oder so stehen die Parteien jetzt vor der Aufgabe, eine neue Regelung zu finden. Der Bundestag kann nämlich ein besser begründetes Gesetz zu erlassen, in dem der konkrete Finanzbedarf so detailliert aufgelistet ist, wie das die Verfassungsrichter einfordern. Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Mario Czaja und Martin Huber, formulieren es so: "Der Weg ist nach diesem Urteilsspruch frei, mit einem entsprechend begründeten Gesetz einen neuen Anlauf zu unternehmen."

Vorsitzende Richterin: "Kann zu Akzeptanzverlust führen"

Ein wichtiger Hinweis für diese Verhandlungen kommt aus Karlsruhe. Verfassungsrichterin König erinnert daran, dass eine Obergrenze für die staatliche Teilfinanzierung der Parteien verhindern soll, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entsteht, die Parteien würden sich in unangemessener Weise aus öffentlichen Kassen selbst bedienen. "Denn ein solcher Eindruck kann zu einem nachhaltigen Akzeptanzverlust für dieses System führen", betont die Vorsitzende Richterin.

Mit Informationen von dpa und AFP

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