Der Bund und die Bundesländer haben sich nach monatelangem Streit über die Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt und Maßnahmen vereinbart, durch die unter anderem weniger Migranten irregulär einreisen sollen.
Finanzierung der Flüchtlingskosten wird umgestellt
Vom kommenden Jahr an zahlt der Bund für jeden Asylerstantragsteller eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro – und nicht mehr eine jährliche Gesamtsumme von derzeit rund 3,7 Milliarden Euro. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach vom "Übergang zu einem atmenden System". Er erläuterte: "Mit steigenden Zahlen gibt's mehr Geld, mit sinkenden Zahlen gibt's weniger."
Für die Kommunen gebe es 2024 sogar "einen wesentlichen zusätzlichen Erstattungsbetrag", weil bei den 3,7 Milliarden Euro für dieses Jahr eine Sonderzahlung für Ukraine-Flüchtlinge enthalten sei, die man herausrechnen müsse, sagte Scholz.
Leistungskürzungen für Asylbewerber
Die staatliche Unterstützung für Asylbewerber wollen Bund und Länder spürbar kürzen – und nach Möglichkeit auf Sachleistungen umstellen. Wenn sich Asylverfahren lange hinziehen, sollen die Schutzsuchenden künftig bis zu 36 Monate lang die vergleichsweise niedrigen Unterstützungssätze gemäß Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Bislang wurden die Bezüge schon nach 18 Monaten ungefähr auf die Höhe der regulären Sozialhilfe angehoben.
Aktuell haben Asylbewerber eineinhalb Jahre lang Anspruch auf ein Dach über dem Kopf sowie Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern. Statt solcher Sachleistungen sind teils auch Wertgutscheine oder Geldleistungen vorgesehen.
Zusätzlich solle künftig sichergestellt werden, dass diejenigen, die in staatlichen Unterkünften untergebracht sind und dort Essen bekommen, "das natürlich auch gegenrechnen lassen müssen gegen die Leistungen, die sie erhalten", fügte der Kanzler hinzu. Bundesweit sollen Leistungen möglichst über Bezahlkarten ausgezahlt werden und nicht mit Bargeld.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb im Online-Dienst X (vormals Twitter), diese Kürzungen könnten "zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen". Dadurch werde auch "die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert".
Mehr Abschiebungen durch Migrationsabkommen
Die Weigerung vieler Herkunftsländer, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, sei "eine der größten Hürden" für mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, heißt es in dem Beschluss. Ziel müsse deshalb sein, mit solchen Ländern Migrationsabkommen zu schließen.
Anreiz sollen dabei Angebote zur legalen Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften sein. Die Gespräche über solche Vereinbarungen sollen nun "auf höchster Ebene intensiv vorangetrieben werden". Die Bundesregierung will sich zudem dafür einsetzen, dass das EU-Türkei-Abkommen wiederbelebt wird.
Das Ziel: weniger Flüchtlinge
Bund und Länder hielten fest, dass derzeit zu viele Menschen nach Deutschland flüchteten. "Klare und zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung" seien daher nötig. Insbesondere bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent soll das Asylverfahren in drei Monaten abgeschlossen sein.
Bundeskanzler Scholz sagte, für ihn wäre es "das Beste", wenn die Zahl der Flüchtlinge abnimmt – das sei "der Kern all dessen, was wir vereinbart haben". Zur Forderung der Union, Asylverfahren künftig in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union auszuführen, wurde lediglich ein Prüfauftrag vereinbart. Scholz verwies hier auf juristische Bedenken und auf Zweifel an der Umsetzbarkeit.
Beschleunigung von Asylverfahren auf sechs Monate
Gemeinsames Ziel ist es laut Scholz, die Dauer von Asylverfahren auf sechs Monate samt Einspruch vor Gericht zu begrenzen. Laut Beschlusspapier soll der Anhörungstermin für Asylbewerber künftig "spätestens vier Wochen" nach Antragsstellung erfolgen. Die behördliche Entscheidung über das Gesuch soll noch in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen.
Verstärkte Grenzkontrollen "über lange Zeit"
An den Kontrollen, die Deutschland derzeit an den Grenzen Tschechien, Polen, Österreich und der Schweiz durchführt, will man festhalten. Bund und Länder einigten sich laut Scholz darauf, die verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen "über lange Zeit" fortzuführen.
Gemeinnützige Arbeit "in breiterem Maße"
Möglichkeiten, Asylbewerber für gemeinnützige Arbeiten einzusetzen, sollen "in breiterem Maße genutzt werden". Um das einfacher zu machen, soll es eine Rechtsänderung geben. Denn bisher müssen die Behörden in solchen Fällen prüfen, dass diese Arbeiten "zusätzlich" verrichtet werden – also sonst nicht oder nicht in diesem Umfang erfolgen können. Dieses Kriterium soll gestrichen werden.
Migration: Kommission zur besseren Steuerung vereinbart
Bund und Länder haben zudem beschlossen, eine Kommission zur besseren Steuerung der Migration einzusetzen. Es soll ein breites gesellschaftliches Bündnis gegründet werden, das gemeinsam Lösungen erarbeiten soll, auch zur Verbesserung der Integration. Ziel sei die Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens. Daran könnten zum Beispiel Kirchen und Gewerkschaften, Wissenschaftler und auch Vertreter von Organisationen teilnehmen, die sich für die Belange von Asylbewerbern einsetzen, hieß es.
Kanzler Scholz sagte auch, dass er sich weiter um die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu dem Migrationspaket bemühen werde. Deren Zustimmung ist allerdings für die Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse nicht unbedingt erforderlich. Er sehe aber "die Notwendigkeit, hier unter den demokratisch verantwortlichen Parteien einen Konsens herbeizuführen", sagte Scholz.
Auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Rhein, sprach sich für ein parteiübergreifendes Vorgehen aus. "Wir müssen die irreguläre Migration stoppen und die demokratischen Kräfte müssen beweisen, dass der Staat an dieser Stelle handlungsfähig ist."
Protokollnotiz: Bayern und Sachsen fordern noch mehr
Die unionsregierten Länder Bayern und Sachsen forderten in einer eigenen Protokollnotiz noch härtere Maßnahmen in der Asylpolitik bis hin zu einer Verfassungsänderung. Das Grundrecht auf Asyl müsse "in seiner jetzigen Form" neu überdacht werden, schrieben sie. Ohne eine rasche Eindämmung der Migration drohe "eine Gefährdung der politischen Stabilität des Landes".
Mit Informationen von dpa und AFP
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