Nach wie vor liegen Bund und Länder über den richtigen Kurs in der Migrationspolitik im Clinch. Nun hat die Bundesregierung ein Angebot zur Besänftigung gemacht: Asylbewerber und Ausländer, die über eine Duldung in Deutschland verfügen, sollen künftig schneller Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Auch das Strafrecht für illegale Schleuser soll verschärft werden.
Kabinett beschließt Erleichterungen bei Arbeitsaufnahme
Bislang mussten kinderlose Asylbewerber in Aufnahmeeinrichtungen neun Monate auf eine Arbeitserlaubnis in Deutschland warten. Für Menschen, die nur den Status einer Duldung hatten, war es noch umständlicher. Bei ihnen konnten die jeweiligen Ausländerbehörden nach eigenen Ermessen entscheiden, ob die Geflüchteten eine Beschäftigung aufnehmen dürfen oder nicht.
Künftig sollen laut Bundesinnenministerium nun alle - also sowohl Asylbewerber als auch Geduldete - nach sechs Monaten arbeiten dürfen. Das sieht eine Formulierungshilfe vor, die das Bundeskabinett zusammen mit weiteren Änderungen im Ausländerrecht und der Strafprozessordnung beschlossen hat.
Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt.
Einschränkungen für "offensichtlich unbegründete Asylanträge"
Die Ampel-Koalition will auch die Stichtagsregelung für die sogenannte Beschäftigungsduldung ändern. So soll bei den Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete die bereits jetzt bestehende Möglichkeit, eine längerfristige Duldung zum Zweck der Beschäftigung zu erhalten, auch denjenigen gewährt werden, die bis Ende 2022 nach Deutschland eingereist sind. Bisher kann diese Möglichkeit nur nutzen, wer vor dem 1. August 2018 in die Bundesrepublik gekommen ist.
Die notwendige Vorbeschäftigungszeit, um die Duldung zur Beschäftigung zu erhalten, wird dabei von 18 auf zwölf Monate verringert. Die für die Genehmigung nötige Mindestwochenarbeitszeit sinkt von 35 auf 20 Wochenstunden.
Personen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern "offensichtlich unbegründete" Asylanträge gestellt oder ihre Identitätsklärung verweigert haben, sollen von den nun auf den Weg gebrachten Erleichterungen nicht profitieren können, so das Beschlusspapier.
Faeser: "Paket an der Praxis orientiert"
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem "wichtigen Schritt". Die Bundesregierung sorge dafür, "dass Menschen, die bereits in Deutschland sind, schneller arbeiten können. Raus aus dem Sozialsystem, rein in die Beschäftigung muss doch die Devise sein", erklärte Habeck. Dies entlaste nicht nur die Staatskasse, sondern fördere auch die Integration.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber nicht noch weiter gelockert wurden. Die Regierung habe sich auf eine "angemessene Zeit" verständigt, ab der die Arbeitsaufnahme möglich sei, sagte sie. Denn die Regelung dürfe auch "nicht zu einem Anreizsystem führen", das mehr Menschen zur Flucht nach Deutschland bewege. Das Paket sei an der Praxis orientiert und erfülle Forderungen der Bundesländer.
Das Kabinett beschloss außerdem Regelungen zum automatischen Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht. Damit soll beispielsweise sichergestellt werden, dass eine Ausländerbehörde darüber informiert wird, wenn jemand keine Sozialleistungen mehr bezieht. Umgekehrt soll die Stelle, die sich um die Auszahlung von existenzsichernden Leistungen kümmert, direkt von der Ausländerbehörde hören, wenn ein Ausländer fortgezogen ist. Derzeit "erhalten Leistungsbehörden Daten etwa zum Fortzug eines Ausländers nur auf Ersuchen im Einzelfall", heißt es in dem Gesetzentwurf.
Schleusern drohen künftig lebenslange Freiheitsstrafen
Härtere Strafen soll es für illegale Einreisen geben. Schleuser, die das Leben von Menschen leichtfertig aufs Spiel setzen, sollen demnach künftig mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder Haft von zehn bis 15 Jahren bestraft werden. Bislang liegt der Strafrahmen hier bei drei bis 15 Jahren.
Die Polizei bekomme zudem die Möglichkeit, die Handys der Schleuser abzuhören. "So enttarnen wir die Hintermänner und zerschlagen die skrupellosen Schleusernetzwerke", unterstrich Faeser. Auch Versuche von Schleusern, sich grob verkehrswidrig einer Polizeikontrolle zu entziehen (sogenannte Durchbruchsfälle), sollen laut Innenministerium mit einem bis 15 Jahre härter bestraft werden. Bislang sind es drei Monate bis fünf Jahre.
Für Union und AfD gehen die Beschlüsse am Problem vorbei
Kritik an den Beschlüssen kam von der Oppositionsbank. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, beklagte eine weitere Vermischung von Asyl- und Erwerbsmigration. "Für Ausländer wird es dann einfacher sein, mit einem Asylantrag als mit einem Universitätsabschluss nach Deutschland zu gelangen", sagte der CDU-Politiker. Ein Problem stellten nicht diejenigen dar, die in den ersten Monaten nicht arbeiten dürfen, sondern anerkannte Flüchtlinge, die arbeiten dürften und erwerbsfähig seien, aber dennoch von Sozialleistungen lebten.
Die AfD forderte eine "echte Migrationswende" und bezeichnete dafür die geplante Zusammenarbeit mehrerer nordischer Länder bei Abschiebungen als Vorbild. Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island hatten sich nach Angaben des dänischen Ausländer- und Integrationsministeriums unter anderem auf das Ziel geeinigt, in Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex gemeinsame Flüge in ein Drittland zu organisieren, damit Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ausreisen.
Bund und Länder wollen nächste Woche erneut beraten
Die Bundesregierung hofft, dass die nun veröffentlichten Beschlüsse auch die Regierungschefs der Länder besänftigen werden. Am kommenden Montag soll bei einem Bund-Länder-Spitzentreffen zwischen Kanzler Scholz und den Länderchefs erneut über die Migrationspolitik gesprochen werden. Aus den Ländern und Kommunen kommt neben dem Ruf nach mehr Geld vom Bund für die Versorgung von Geflüchteten zunehmend auch die Forderung, die Zahl der Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, zu begrenzen.
Mit Informationen von dpa und afp.
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